Bestwig. Neueste Prognosen des Statistischen Landesamtes sagen für Bestwig dramatische Einwohnerverluste voraus. Den Bürgermeister macht das nicht nervös.
Laut neuesten Prognosen des Statistischen Landesamtes soll die Bevölkerungszahl in Bestwig bis zum Jahr 2050 um 21,9 Prozent sinken. Der prognostizierte Verlust ist so hoch wie in keiner anderen Kommune im HSK und sogar Spitzenwert in NRW. Wir haben mit Bestwigs Bürgermeister Ralf Péus über die prophezeite Entwicklung und ihre möglichen Folgen gesprochen.
Herr Péus, haben Sie eine Erklärung für den prognostizierten Verlust?
Die Erklärung für diese Zahlen müsste eigentlich der Landesbetrieb IT.NRW liefern. Schließlich wurden dort diese Prognosen erstellt, von denen wir nicht einmal die Methodik kennen. Insofern fällt es an dieser Stelle schwer, eine Einschätzung zu treffen. Bei der Analyse der Zahlen muss auf die seit Jahren zum Teil deutlichen Abweichungen der Bevölkerungszahlen des Landesbetriebs IT.NRW und der tatsächlichen Meldedaten der Gemeinde Bestwig hingewiesen werden. Bereits seit längerem weist der Landesbetrieb eine Bevölkerungszahl aus, die spürbar niedriger ist als die faktischen Meldedaten der Gemeinde Bestwig. Da uns die Methodik der Prognose, die der Landesbetrieb erstellt hat, nicht bekannt ist, können wir nicht ausschließen, da hier auch die zu niedrigen Ist-Zahlen, die der Landesbetrieb annimmt, eine Rolle spielen.
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Machen Sie solche Statistiken nervös?
Nein, gar nicht. Bereits frühere Prognosen - zum Beispiel der Bertelsmann-Stiftung - wiesen für die Gemeinde Bestwig eine spürbare negative Entwicklung auf, während die tatsächliche Entwicklung deutlich besser war. Letztlich sind nicht rechnerische Prognosen entscheidend, sondern das, was vor Ort wirklich passiert.
Was würden die 21,9 Prozent in absoluten Zahlen bedeuten, wenn man die aktuelle Bevölkerungszahl zugrunde legt?
Zum Stichtag 24. März 2022 waren in der Gemeinde Bestwig 10.702 Menschen mit Hauptwohnsitz gemeldet. Ein Verlust von 21,9 Prozent wäre ein Rückgang um 2.344 Personen. Aber ich betone: Solche Rechenexempel sind für mich viel weniger interessant als Entwicklungen in der Realität.
Dass die Einwohnerzahlen in ländlichen Regionen sinken, ist ja nicht neu. Mit welchen Zahlen könnten Sie als Bürgermeister leben, wenn es um den Bevölkerungsverlust geht?
Das will ich gar nicht an konkreten Zahlen festmachen - zumal es viele Faktoren gibt, die darauf Einfluss haben. Zuwanderung gehört ebenso dazu wie bezahlbarer Wohnraum oder attraktive Arbeitsplätze. Deshalb denke ich, dass man Gemeindeentwicklung in ihrer Gesamtheit betrachten muss: Wie ist das Angebot für Wohnen, Arbeit und Freizeit? Wie ist die Nahversorgung der Menschen, wie das ärztliche Angebot? Welche Freizeitmöglichkeiten gibt es? Das sind die Fragen, die letztlich entscheidend sind.
Was macht die Gemeinde, um den sinkenden Bevölkerungszahlen entgegenzuwirken?
Eine ganze Menge. Wir arbeiten daran, Interessierten Möglichkeiten zum Wohnungsbau zu geben, ohne dafür im großen Rahmen neue Baugebiete ausweisen zu müssen. Wir nehmen die Gewerbeflächen in den Blick, damit auch künftig Unternehmen und mit ihnen Arbeitsplätze entstehen können. Wir haben eine Familienförderung, die insbesondere Familien Vorteile beim Grundstückskauf einräumt. Zudem können wir hier auf eine hohe Lebens- und Freizeitqualität verweisen. Wir fördern das Ehrenamt, das auf ganz vielfältige Weise das öffentliche Leben prägt. Kurzum: Es passiert viel, damit Bestwig auch künftig eine attraktive Gemeinde bleiben wird.
Tragen die getroffenen Maßnahmen Früchte?
Ein wichtiger Indikator ist aus meiner Sicht die Nachfrage nach Wohnbaugrundstücken. Und die ist durchaus hoch. Gerade deshalb wollen wir ja in unseren Ortsteilen Flächen mobilisieren, damit insbesondere Familien sich hier ihren „Traum von den eigenen vier Wänden“ verwirklichen können. Solche Menschen werden dann auch langfristig in unserer Gemeinde bleiben. Das ist eine sehr positive Entwicklung.
Wie würde das Leben in der Gemeinde Bestwig aussehen, wenn sich die Prognosen des Landesamtes tatsächlich bewahrheiten sollten?
Ein starker Bevölkerungsrückgang ist sicher immer ein Problem. Es wird schwieriger, die kommunale Infrastruktur aufrecht und bezahlbar zu halten, und auch für Vereine und das öffentliche Leben insgesamt wäre eine solche Entwicklung problematisch. Deswegen arbeiten wir ja auch daran, dass die tatsächliche Entwicklung deutlich besser verläuft, als der Landesbetrieb prognostiziert.