Calle. Landwirt Friedrich Blanke hat die alte Grundschule in Calle gekauft. Und verrät, wie er die ehemaligen Klassenräume und die Toiletten nun nutzt.

Hätten diejenigen, die die Caller Grundschule bis 2008 besucht haben, sich in den Mädchen- und Jungen-Toiletten so benommen, wie die jetzigen Bewohner, hätte es vermutlich Ärger gegeben und der ein oder andere wäre zum Nachsitzen verdonnert worden. Doch den zweibeinigen Pennälern standen damals zum Glück noch Keramik und Fliesen zur Verfügung - die niedlichen Vierbeiner, die nun im ehemaligen Mescheder Schulgebäude am Hunstein leben, bevorzugen Stroh und nehmen es nicht ganz so genau damit, wo ihre Hinterlassenschaften landen.

+++Lesen Sie auch: Warum das DRK Meschede den Begriff Krieg für die Ukraine vermeidet+++

„Das mit den Kälbchen macht am meisten Freude“

In einer ordentlichen Portion Stroh liegen die Kälbchen von Friedrich Blanke gemütlich eingekuschelt und wirken glücklich und zufrieden, als wir sie besuchen. Seit einigen Wochen ziehen sie eine Woche nach Geburt in ihr neues Zuhause im Schulgebäude und werden dort zunächst noch mit Milchpulver versorgt und parallel nach einem genauen Zeitplan an Wasser und Futter gewöhnt. Danach ziehen die Tiere zur weiteren Aufzucht erst einmal für einen gewissen Zeitraum in einen Stall nach Berghausen. Das ist Alltag für den Friedrich Blanke und weniger traurig, als es für den Haustierhalter klingt.

Die  ehemalige Grundschule in Calle von außen: Um zu erkennen, dass es sich hier jetzt um einen Stall handelt, muss man schon genau hinschauen.
Die ehemalige Grundschule in Calle von außen: Um zu erkennen, dass es sich hier jetzt um einen Stall handelt, muss man schon genau hinschauen. © Christina Schröer

Wenn man ihm im Kälbchen-Stall genau zuhört und auch zwischen den Zeilen lauscht, hört man aber deutlich heraus, dass die Tiere auch für den erfahrenen Landwirt auf gar keinen Fall nur Nutzvieh sind: Zwar haben die Kälbchen noch keine Namen, anhand ihrer Marke im Ohr, die sie verpflichtend mit einer Woche erhalten, weiß Blanke aber ganz genau, wer ihm gegenüber steht, wie Mutterkuh und Bulle heißen und welche Anlagen sie voraussichtlich vererbt haben. Und er berichtet mit einem gewissen väterlichen Stolz in der Stimme darüber, wer wohl mal besonders gut Milch geben wird und erklärt genau, bei wem das voraussichtlich nicht der Fall sein wird und warum. „Das mit den Kälbchen. Das macht mir wirklich am meisten Freude“, sagt er ganz trocken und doch voller Überzeugung.

Die perfekte Lage

Dass er seine Kälber seit kurzem in der Caller Grundschule aufzieht, hat einen strategischen und ganz simplen Grund: „Das Gebäude stand lange leer und wir haben mehr Platz benötigt. Inzwischen nutzen wir tatsächlich jeden Raum der ehemaligen Schule, ob als Lager oder Stall“, sagt der Landwirt aus Calle, dessen weitere Stallungen sowie das Wohnhaus seiner Familie sich direkt oberhalb und unterhalb der Schule befinden. Die perfekte Lage also, um sich zu erweitern. Und anstatt das alte Gebäude abzureißen, hat Friedrich Blanke eine ganz besondere Immobilie geschaffen, von der er jeden Winkel für die Landwirtschaft nutzt, und ebenso den nostalgischen Charme der Schule aufrecht erhält.

tDer Milchpulver-Automat von Friedrich Blanke befindet sich in einer Kammer zwischen den beiden Kälbchen-Ställen. Dort werden Milchpulver und warmes Wasser gemischt.
tDer Milchpulver-Automat von Friedrich Blanke befindet sich in einer Kammer zwischen den beiden Kälbchen-Ställen. Dort werden Milchpulver und warmes Wasser gemischt. © Christina Schröer

Neben den eingelagerten Strohballen hängen noch die schweren, orangenen Gardinen in den Klassenräumen. Auf dem typischen Linoleum-Fußboden lagern u.a. palettenweise Tierfutter und Zaunmaterial und im ehemaligen Raum der Klassen eins und zwei befindet sich sogar noch die Leinwand für den Tageslichtprojektor versteckt hinter weiteren Ballen. „Ich bin hier ja selbst zur Schule gegangen und ausgerechnet an die Leinwand habe ich eine herrliche Erinnerung aus meiner Schulzeit. Ein Kumpel hat die damals genau als die Lehrerin reinkam, hochschnacken lassen und vor Schreck gab’s dann einen drüber. Die musste auf jeden Fall hängen bleiben“, berichtet Friedrich Blanke und lacht. Und auch das Namensschild von einem seiner Söhne hängt wie viele weitere noch an den Garderobenhaken in der ersten Etage und erinnert an die Zeiten, in denen hier noch Kinder die Räume mit Leben gefüllt haben.

Beste Bedingungen für die Kälber

Nun spielt sich das Leben in erster Linie in den ehemaligen Toiletten ab, in denen heute jeweils zwölf bis 15 Kälber Platz finden. Zwar sind sie nicht nach Geschlechtern, sondern nach Alter aufgeteilt, doch noch immer hängen die „Mädchen“- und „Jungen“-Schilder an den Türen, die man vom Schulhof aus öffnet. Auf der gegenüberliegenden Seite, zur Straße hin, sorgt ein Durchbruch für die richtige Menge Frischluft sowie freie Sicht auf die Kälbchen für Spaziergänger. Eine Klappe zu den darüber liegenden Klassenräumen ermöglicht zudem die einfache und schnelle Versorgung aus dem Strohlager und sorgt für die optimale Zirkulation. „Je nach Außentemperatur lüfte ich auch noch nach oben. Wenn es zu kalt ist oder zu sehr zieht, muss man aber auch wieder aufpassen. In diesem Alter fangen die sich auch schnell mal eine Lungenentzündung ein“, weiß er.

Friedrich Blanke  hat die alte Grundschule gekauft und umgebaut.
Friedrich Blanke hat die alte Grundschule gekauft und umgebaut. © Christina Schröer

Im kleinen Lagerraum zwischen die Toiletten befindet sich heute die Milchpulver-Maschine, in der wohltemperiertes Wasser mit Pulver vermischt wird und durch Schläuche in die beiden Ställe gepumpt wird. Dort befindet sich jeweils eine Vorrichtung, die an den Euter einer Kuh erinnert und aus der die Kälber die Milch nuckeln. „Jedes Kalb trägt ein Halsband mit einem Sensor und die Maschine erkennt, welches Kalb gerade trinkt. So kann ich auch einsehen, wer schon ausreichend viel getrunken hat und bei wem noch etwas nachgeholfen werden muss“, erklärt Friedrich Blanke. Nachhelfen bedeutet in diesem Fall, dass er das entsprechende Kalb zur Milch-Tränke führt und anlegt.

Wie viel jedes Kalb zu trinken bekommt, hängt vom Alter des Tieres ab und ist darauf ausgerichtet, sie zu jedem Zeitpunkt optimal zu ernähren. Zum Ende der Zeit in der Aufzucht bekommen die Kälber dann weniger Milch und orientieren sich dadurch automatisch auch an der Wasser-Tränke und holen sich die fehlende Energie über das Kraftfutter zurück, das ihnen zur Verfügung steht. „So ist das Kalb immer top versorgt“, fasst Friedrich Blanke zusammen.