Bestwig. In der Gemeinde Bestwig gibt es nur noch einen reinen Fleischereibetrieb. Obermeister Heinrich Veh rät: Das Handwerk muss gestärkt werden.

Nach der Schließung der Fleischerei Bültmann in Heringhausen zum Jahresbeginn gibt es mit der Fleischerei Ernst in Bestwig nur noch einen reinen Fleischereibetrieb in der Gemeinde mit eigenem Geschäft. Heinrich Veh ist Obermeister der Fleischer-Innung Hochsauerland. Im Interview spricht er über Hintergründe zu seiner Branche.

Der Bäcker verschwindet im Dorf, die Banken sind weg, der Tante-Emma-Laden macht zu, die Fleischerei schließt. Lässt sich das aufhalten?

Das Problem ist: Sie brauchen eine gewisse Menge an Umsatz, um zum Beispiel die Frische zu bringen und das Personal bezahlen zu können. Wenn das nicht da, dann wird das schwierig in den Dörfern. Dann klagen alle, dass keiner mehr da ist – aber erst, wenn sie weg sind! Man hätte vorher versuchen können, das Handwerk zu stärken. Das müssen die Leute erkennen bei den letzten, die noch da sind! Ich halte das für wirklich wichtig: Das sind ja auch alles Kommunikationsstellen im Dorf. Das darf man nicht unterschätzen. Sicherlich dauert der Einkauf da länger – aber das gehört doch dazu! Natürlich kann man nicht in dem Kostenrahmen arbeiten wie in einem Supermarkt.

„Nicht mit der Großindustrie in einen Topf werfen“

Muss man sich von den kleinen Fleischereien verabschieden?

Die Statistik gibt Ihnen leider recht. Aber es werden immer einige übrig bleiben, denke ich. Es ist immer die Frage, wie man klein definiert. Je kleiner, umso schwieriger wird es – um es ganz klar zu sagen: Im Dorf ist das schwierig.

Heinrich Veh ist Obermeister der Fleischer-Innung Hochsauerland.
Heinrich Veh ist Obermeister der Fleischer-Innung Hochsauerland. © Martin Schwarz

Es gibt Gründe dafür. In den meisten Fällen fehlen die Nachfolger. Dann haben wir mit einem sehr hohen Investitionsniveau zu kämpfen: Im Verhältnis zu den erzielbaren Umsätzen und Gewinnen sind die Investitionen schon erheblich – in Schneidemaschinen, Cutter, Wolf und so weiter. Im kleinen Bereich von sechs Schweinen, die in der Woche geschlachtet werden, bis 15 oder 18 brauche ich schließlich die gleiche Größenordnung an Maschinen.

Bekommen Sie denn aus der Politik Unterstützung?

Wir müssen aufpassen, dass wir von der Politik nicht mit der Großindustrie in einen Topf geworfen werden, was Anforderungen an Dokumentationspflichten zum Beispiel angeht. Das hat erheblich zugenommen, wir haben damit richtig zu kämpfen – von Kühlhaustemperaturen und, und, und… Das ist im Großunternehmen sicherlich richtig. Aber ein normaler Handwerksbetrieb? Da geht man morgens in seine Kühlhäuser und merkt schon, wenn da etwas nicht in Ordnung ist! In einer Supermarktkette macht die Dokumentation sicherlich Sinn – aber in einem Betrieb, wo der Chef doch täglich vor Ort ist und sowieso nachschaut?

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Deutschland, ein Bürokratieland?

Ja, dabei verliert man ein bisschen die Lust am Schaffen. Ich sage auch manchmal: Wenn mir das vorher jemand erzählt hätte, dann hätte ich auch Verwaltungsangestellter gelernt anstatt Fleischer. Dann käme ich vielleicht besser klar in meinem Beruf. (lacht)

Wie sieht es mit der Nachfolge in den Betrieben aus?

In den meisten Fällen sind es Nachfolgeprobleme, dass Geschäfte für immer schließen. Da sind oftmals in den letzten Jahren keine Investitionen in dem Betrieb getätigt worden – verständlicherweise, wenn man weiß, man hört in ein paar Jahren auf und die Chancen auf einen Nachfolger sind gering. Wenn ein jüngerer Fleischermeister sich aber sagt, „Komm, ich will es doch versuchen“ und will sich selbstständig machen, dann hat er irre Dinge vor der Brust. Dann kommen die neuen Verordnungen: Wenn die Behörden die letzten Jahre möglicherweise ein Auge zugedrückt haben, dann schlägt das bei einer Neuverpachtung oder Neuvermietung natürlich voll zu. Dann muss man alle neuen Anforderungen erfüllen.

„Der Kunde sieht oftmals nicht, was wir alles leisten“

Wie schwer ist es, Personal zu finden?

Es war hier in den letzten Jahren nicht so schlimm, wie das da schon in anderen Teilen Deutschlands war – vor allem im Süden und den Ballungszentren dort. Mittlerweile kommt das auch zu ins Sauerland. Ich höre fast aus jeder Branche im Handwerk und in der Gastronomie, dass da Leute fehlen. Das trifft auch Handwerksberufe wie Klempner oder Elektriker. Es ist nirgendwo einfach.

Machen Sie doch mal Werbung für Ihre Branche!

Es ist ein familiäres Umfeld hier. Man ist keine Nummer beim Arbeiten. Man sieht das große Ganze, man ist nicht nur ein Rädchen. Man kann sehr kreativ sein.

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Können kleinere Betriebe denn im Wettbewerb bestehen?

Das sehe ich nicht so negativ. Auch als Fleischer kann man sich behaupten. Ich habe 45 Mitarbeiter und ein anständiges Umsatzvolumen: Es kommt darauf an, wie man sich selbst aufstellt. Was ohne Zweifel der Fall ist: Der Kunde sieht oftmals nicht, was wir alles leisten. Wir haben in der Vergangenheit versäumt, zu sagen, was wir alles anders machen als die großen Betriebe. Wir verkaufen zum Beispiel Strohschweine aus der Region. Im Sauerland wird auch selbst geschlachtet. Und die Kunden wollen keine industrielle Schlachtung. Es ist die Frage: Will der Kunde das honorieren? Das muss mehr in den Köpfen ankommen.

>>> HINTERGRUND <<<

Die Fleischer-Innung Hochsauerlandkreis war im Jahr 2001 durch eine Fusion der Innungen aus den Altkreisen entstanden. Derzeit sind 38 Betriebe in der Innung.

Die Fleischerei Bültmann in Heringhausen mit ihrer Filiale in Ramsbeck schloss zum Jahresende - nach 64 Jahren.

Im Oktober 2021 hatte bereits die Fleischerei Fischer in Nuttlar geschlossen - nach 122 Jahren. Betreiber Ernst Fischer ging in den Ruhestand. Auch dort konnte kein Nachfolger gefunden werden. Ein Interessent hatte am Ende abgelehnt, weil er zu viel hätte investieren müssen.