Meschede. Tausende Pflegende in NRW setzen sich wie Michael Henke gegen die Errichtung einer Pflegekammer ein. Wieso sie das tun und wie sie argumentieren.

In NRW soll im Frühjahr eine Pflegekammer errichtet werden. Seit das Gesetz zur Errichtung im Juli 2020 in Kraft getreten ist, wehren sich allerdings tausende Pflegefachkräfte in Deutschland dagegen. So auch Michael Henke, der in Meschede als stellvertretender Pflegedienstleiter tätig ist.

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Keine „Zwangsverkammerung“

Wie so viele Kollegen ist er gegen eine „Zwangsverkammerung“, wie er sagt. Die Stimmung in der Krankenpflege drohe spätestens seit Beginn der Corona-Pandemie ohnehin zu kippen, immer wieder ist von einer drohenden Kündigungswelle die Rede, viele Pflegende schulen um. Und nun ergibt sich durch die geplante Pflegekammer ein neuer Aufreger für zahlreiche Pflegekräfte: „Von etwa 220.000 examinierten Pflegekräften in NRW wurden nur 1503 Personen dazu befragt, ob sie für oder gegen eine Pflegekammer sind. Und das nennt die Landesregierung dann ernsthaft eine repräsentative Umfrage“, zählt Michael Henke, der nicht befragt wurde, einen der Gründe auf, wieso so viele Pflegende sich schon vor Errichtung der Kammer übergangen fühlen.

Eindrücke einer Demo gegen die Errichtung der Pflegekammer aus Bochum.
Eindrücke einer Demo gegen die Errichtung der Pflegekammer aus Bochum. © WAZ Bochum | Pflegebündnis Ruhr

Allein über 13.000 von ihnen organisieren sich aktuell in der Facebookgruppe „Nein zur NRW-Pflegekammer“ und tauschen sich dort darüber aus, wieso sie dagegen sind und wie sie damit umgehen wollen.

Zu viele Kontrollorgane

Immer wieder fällt dort und im Gespräch mit Michael Henke der Begriff „Zwangsmitgliedschaft“: Jede examinierte Pflegekraft, die dementsprechend die dreijährige Ausbildung absolviert hat, muss der Kammer beitreten - und vor allem einen monatlichen, finanziellen Beitrag leisten. „Aber wofür? Gerade in unserem Beruf gibt es schon derart viele Kontrollorgane, Hausärzte, Krankenkassen, der medizinische Dienst, Apotheker, die Heimaufsicht, und so weiter. Wir benötigen nicht noch ein zusätzliches“, erklärt Michael Henke.

Nun werden die Pflegenden postalisch darum gebeten, ihre persönlichen Daten an den Errichtungssausschuss zu schicken, um sich dort für die Wahlen zu registrieren - ein „No-Go“, findet der Mescheder: „Damit wird die Datenschutzverordnung doch komplett außer Kraft gesetzt“, sagt er. Und auch im Netz liest man von diversen Pflegekräften, die die Registrierung aus diesem Grund nicht durchführen - oder weil sie gar nicht verstehen, was es mit der Errichtung der Kammer auf sich hat.

Wenig Einfluss der Kammer

Hinzu komme, dass viele Beschäftigte in der Pflege davon ausgehen, dass die Kammer wenig oder gar nichts an den Arbeitsbedingungen oder der Bezahlung verändern könne, so auch Michael Henke: „Ich verspreche mir nichts davon. Das Ganze wird jetzt mit einer Anschub-Finanzierung über fünf Millionen Euro an den Start gebracht und letztlich haben die dann zwar ein Mitspracherecht aber keine politische Macht und können sich nicht einmal an Tarifverhandlungen beteiligen.“ Viel mehr sorge er sich darum, dass die Kammer den ohnehin schon überlasteten Pflegekräften zu Weiterbildungen in ihrer Freizeit zwingen könnte, die sich zusätzlich zu den bald anfallenden Monatsbeiträgen auch noch selbst bezahlen müssten.

Organisation von Pflegenden grundsätzlich sinnvoll

„Wir wollen uns sowieso immer weiterbilden und auf Stand sein. Aber das will die Pflegekammer uns nun auferlegen. Gerade in der aktuellen Situation, wo nahezu überall Personalmangel in der Pflege herrscht, ist es doch kaum möglich, während der Arbeitszeiten an Fortbildungen teilzunehmen“, schildert der stellvertretende Pflegedienstleiter seine Sorgen weiter. Grundsätzlich, so erklärt er im Gespräch mit dieser Zeitung, sei es natürlich sinnvoll, wenn sich die Pflegenden organisieren, aber wenn sollte dies freiwillig geschehen und nicht unter Zwang. „Eine Art Pflegekreis oder - organisation, der oder die dann auch auf die Politik einwirken kann, würde ich begrüßen. Aber wenn die Pflegekammer nun wirklich so wie geplant in Kraft tritt, gehe ich stark davon aus, dass unser Job dadurch noch unattraktiver wird“, so Henke.

Noch habe er aber Hoffnung, dass die Pflegekammer in NRW gekippt würde - so wie in anderen Bundesländern.

Auflösung der Kammer in zwei Bundesländern:

  • In Schleswig-Holstein wie in Niedersachsen wurde in diesem Jahr beschlossen, dass die Pflegekammern nicht fortgeführt werden.
  • Laut eines Artikels im Ärzteblatt haben in Schleswig-Holstein 91 Prozent der Mitglieder gegen den Fortbestand gestimmt, in der Zeitschrift Klinik Management aktuell (kma) wird davon berichtet, dass den Pflegenden mit Auflösung der Kammer zum 30. November 2021 sogar rückwirkend die monatlichen Beiträge aus der Zwangsmitgliedschaft zurückgezahlt werden.