Meschede. Rund um Weihnachten spielt auch die Beichte in der katholischen Kirche eine Rolle. Ist sie noch zeitgemäß? Was Pfarrer Schmitt aus Meschede sagt.

Bei geheimnisvollen Orten kommt einer unwillkürlich sofort in den Sinn: der Beichtstuhl. Wobei Pfarrer Michael Schmitt, Leiter des Pastoralen Raumes Meschede-Bestwig, sofort klarstellt: Die Zeiten haben sich geändert. Gebeichtet werden kann inzwischen auch längst Auge in Auge auf einer Kirchenbank, statt anonym im Beichtstuhl - wie es der andere eben möchte. Die Geheimnisse im Gespräch bleiben unter vier Augen. Der Pfarrer verrät im Interview zumindest, was die häufigsten Sünden sind: „Alles, was zwischen den Menschen eben passiert.“

Ein Blick in den Beichtstuhl in der Pfarrkirche St. Walburga Meschede.
Ein Blick in den Beichtstuhl in der Pfarrkirche St. Walburga Meschede. © Unbekannt | Jürgen Kortmann

Was ist das große Geheimnis der Beichte?

Das große Geheimnis ist, sich in der Beichte nicht verstellen zu müssen. Ansonsten haben wir ja um uns herum im Leben auch viel Fassade aufgebaut. In der Beichte braucht es aber keine Fassade.

Verzeihen Sie alles?

Es ist ein Vorurteil, zu sagen, Katholiken müssten nur etwas beichten, und schon werde alles verziehen. Das ist Quatsch: Denn dazu gehört auch die Reue, der Vorsatz, nach Möglichkeit die Wiedergutmachung des Schadens und der gute Wille, sich zu bessern. Es muss realistisch sein. Nehmen wir den Unterricht mit den Kommunionkindern, wenn wir die Beichte und über Beispiele sprechen: Die sagen mir dann, sie wollten sich mit ihren Geschwistern nicht mehr streiten. Aber das funktioniert ja nicht, das ist doch weltfremd. Ein guter Vorsatz muss machbar und erreichbar sein, sonst fördert das nur den Frust. Den Kindern sage ich dann in Sachen Geschwisterstreit: Achtet lieber darauf, dass ihr mit dem Streit nicht anfangt! So etwas ist doch realistischer.

Ist Beichten noch zeitgemäß?

Es hat nachgelassen. Unsere Elterngeneration hat irgendwann damit aufgehört – weil zum Beispiel über Sexualität anders geredet wurde. Man wurde aufgeklärter, die Leute suchten sich andere Formen. Aber die Aufgabe der Beichte ist die sakramentale Sündenvergebung und das Leben aus dem Blickwinkel des Glaubens zu deuten. Man reflektiert über sein Leben in der Verantwortung vor Gott. Ich bin ja auch kein Therapeut, das ist nicht meine Aufgabe. Die Menschen, die zur Beichte kommen, spüren aus ihren religiösen Überzeugungen heraus, dass da etwas in ihrem Leben nicht so gelaufen ist, wie es Gott von ihnen erwartet. Gott ist unsere höchste Instanz. Menschen sind manipulierbar, Gott nicht. Denn Gott schaut in unser Herz. Durch die Beichte kann es einen Neuanfang geben.

Haben Sie schon einmal die Vergebung einer Sünde verwehrt?

Ich wüsste nicht. Das könnte aber im Extremfall geschehen. Mit den Kindern spreche ich immer Beispiele und das Beichtgeheimnis durch – dass niemals jemand erfährt, was bei der Beichte besprochen wird. Ich erzähle Kindern dann immer von einem alten Film, in dem ein Mörder dem Pastor beichtet, dass er als nächstes den Vikar umbringen werde. Und darf der Pastor dann den Vikar warnen? Nein! Der Mörder würde auch nicht die Lossprechung bekommen, denn da fehlt ja die Reue und der gute Vorsatz! Im Film legt sich der Pastor auf die Lauer, und überwältigt den Täter. So würde ich es auch machen! (lacht)

>>> Lesen Sie auch: Meschede: Corona-Spaziergang führt zu Restaurant-Schließung <<<<<

Haben Sie so eine Filmsituation auch schon in Wirklichkeit erlebt?

Wissen Sie, das ist wie so oft im Leben: Es geht viel weniger spektakulär zu, als es von außen gedacht wird. Unstrittig ist, dass ich an das Beichtgeheimnis gebunden bin. Das ist auch wichtig für die Menschen: Es muss absolut klar sein, dass alles, was besprochen wird, im Vertrauen geschieht! Man muss verantwortungsvoll damit umgehen. Wenn ich manchmal nachfrage, ob der Beichtende noch eine Frage oder ein Anliegen hat, dann merke ich, dass die Beichte ein Einstieg für etwas anderes ist, was die Menschen eigentlich erzählen wollen: Ich merke, dass sie etwas loswerden möchten. Es ist ungemein wichtig, dass die Leute es sagen können.

Beichten Sie selbst auch?

Das wollen die Kinder auch immer wissen. Ja natürlich, ich beichte auch. Wenn ich doch selbst keinen Zugang zur Beichte hätte, könnte ich sie auch schwer bei anderen herüberbringen...

...Sie haben natürlich keine Sünden…

Sie überschätzen mich (lacht)! Die Verantwortung ist doch, wie überall, immer gestiegen. Denken Sie an Personalentscheidungen, die getroffen werden müssen. Wird man dabei den Menschen immer gerecht? Aber es geht in der Beichte auch nicht darum, das Gegenüber zu beurteilen und zu maßregeln. Wir müssen das Gute im Menschen heben – da kommt mehr dabei heraus, als ihn zu reglementieren. Der Mensch ist von Gott gut geschaffen worden, aber er hat einen Knacks – das ist die Erbsünde. Er will es gut machen, aber er kann es nicht immer.

Der Mensch muss lernen, mit Schuld zu leben?

Ja, er muss die Verantwortung übernehmen und sagen: Ich bin auch für mein Leben verantwortlich. Das muss man lernen. Und dazu gehört eben auch, sein Gewissen zu erforschen. Gott schenkt dabei einen Neuanfang. Wenn etwas verbockt ist, dann ist das Wesentliche, darüber zu sprechen - und um Entschuldigung zu bitten. Das haben wir übrigens sprachlich leider total vermengt. Wir sagen immer, jemand habe sich doch entschuldigt. Aber das ist ja falsch: Man kann nur um Entschuldigung bitten – der andere muss entschuldigen. Deshalb ist auch die Beichte gut, weil man etwas aussprechen muss.

Wie belastend ist es, Beichten zu hören?

Es ist anstrengend, da man gut zuhören und dem Gegenüber gerecht werden muss. Was will er/sie vielleicht sagen? Kann man helfen? Ich habe es auch auf dem Jakobsweg gemerkt, als die Leute merkten, dass ich Priester bin. Da kamen viele solch grundsätzliche Gespräche in Gang. Sie können ja eine Beichte nicht verordnen. Die Beichte ist ein sensibles Feld. Ich muss mich stets fragen: Habe ich das Richtige gesagt? Denn es muss ja ad hoc etwas gesagt werden. Man muss schon gut zuhören. Da gibt es keine Patentantworten.

Wie bringen Sie Kindern einen guten Vorsatz bei?

Auch der gute Vorsatz muss realistisch sein. Es ist zum Beispiel ein guter Vorsatz für Kinder, abends mit Gott zu sprechen: Man sagt ihm, was gut war oder was blöd war an dem Tag und für wen man beten möchte. Ich wurde da auch schon von Kindern gefragt, ob sie auch für den kranken Hund beten könnten: Selbstverständlich! Das Gute zu heben, mehr können wir doch nicht machen!

Was geben Sie als Buße auf? Was macht zum Beispiel ein Steuersünder?

Die Buße muss machbar bleiben. Die ganze Welt zu retten, ist eben nicht machbar. Kindern gebe ich auf, eine Kerze anzustecken und ein Gebet zu sprechen. Bei Firmlingen sage ich, sie sollten überlegen, was Gott Gutes in ihnen angelegt hat: Sie sollen dann darüber nachdenken, was sie daraus machen können. Erwachsenen gebe ich meist ein Gebet, z.B. einen Liedtext, auf. Man muss immer schauen, was passt. Und, wie ich sagte, Reue und Wiedergutmachung, wo es möglich ist, gehören dazu: Wer Steuerbetrug begangen hat, der muss den Schaden auch wiedergutmachen.