Ostwig. Bäckermeister Jörg Liese aus Ostwig backt jährlich mehr als 20.000 Christstollen für die Weihnachtssaison. Über sein Erfolgsgeheimnis.

Bäckermeister Jörg Liese aus Ostwig lässt einen Schwung Rosinen von seiner Hand in eine Schüssel rieseln. Sie sind so trocken, dass sie beim Aufprall auf den Schüsselboden klappern. Solche Rosinen gehören zweifelsohne nicht in einen Christstollen, dessen Verzehr am Ende ein Genuss sein soll. „Das Geheimnis eines leckeren Christstollens ist, dass es eigentlich kein Geheimnis gibt“, sagt Liese. Zumindest keines, das nicht auch die Oma schon gekannt habe. „Wenn du nichts Gutes einkaufst, dann kann daraus auch nichts Gutes werden“, sagt der Stollen-Profi aus Ostwig. Sorgfalt, Liebe und die Qualität der Rohstoffe, das seien quasi die Geheimnisse eines guten Christstollens.

„Was nichts kostet, ist auch nichts“

Die Rosinen, die er gerade in der Hand hatte, stammen aus dem Discounter. „Möglicherweise eine Ernte aus dem vergangenen Jahr“, sagt der Ostwiger Bäckermeister. „Weil sie so gut wie keine Feuchtigkeit mehr in sich haben, schmecken sie angebrannt, wenn sie in den Stollen kommen“, ergänzt er und zieht eine weitere kleine Schüssel zu sich heran. Inhalt: Helle Rosinen, die so saftig sind, dass sie glänzen. „So muss eine ordentliche Rosine aussehen“, sagt Liese. Die koste zwar mehr als die Discounterware. Aber was nichts koste, sei eben auch nichts - auch das habe schließlich schon die Großmutter gewusst.

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Aber selbst in diesem tadellosen Zustand kommen die Rosinen noch nicht in Lieses Stollen. Bevor sie unter den Teig gemischt werden, dürfen sie baden - in Rum, Champagner oder Rotwein. Und hier kommt dann zum ersten Mal die Sorgfalt und die Liebe ins Spiel. Beim Marinieren reiche es nämlich nicht, die Zutaten einfach in die Flüssigkeit zu legen. Die Rosinen wollen bewegt werden, damit sie schön gleichmäßig durchziehen. „Immerhin machen sie am Ende rund ein Drittel des Teiges aus“, sagt Liese.

Damit die Saftigkeit erhalten bleibt

Die gleiche Hingabe wie den Rosinen widmet der Stollen-Experte auch dem Zitronat und dem Orangeat. Ob beim Marinieren mit Limoncello, mit Zitronensaft, mit Angel d’Or - einem mallorquinischen Orangenlikör - oder Orangensaft, auch hier sei die Sorgfalt wichtig. Und eben auch die Qualität von vornherein. „In einem guten Stollen ist das Zitronat fein gekörnt und besteht nicht aus dicken Brocken, die beim Draufbeißen plötzlich ein extremes Aroma verströmen. Schön gleichmäßig verteilt gehöre beides in den Teig. Im Prinzip, so sagt Liese, dürfe keine dieser Zutaten trockener sein als der Teig selbst. Sonst gehe beim Backen die Saftigkeit des gesamten Stollens verloren.

Um diese Saftigkeit auch nach der Zugabe der Mandeln weiterhin zu erhalten, gibt es auch hier einen Grundsatz zu beachten: Wer wie Liese die Mandeln röstet, bevor sie in den Stollen kommen, muss am Ende ein wenig mehr hineingeben. Denn: Geröstete Mandeln schmecken zwar besser, haben aber eben weniger Feuchtigkeit als ungeröstete. „Eigentlich ja logisch“, sagt Liese und lächelt.

Mehr als 20.000 Stollen pro Saison

Mehr als 20.000 Stollen backt Liese inzwischen für die Weihnachtssaison. Eine enorme Menge. Aber eben keine Massenproduktion in Turbo-Geschwindigkeit und ohne Liebe, sondern echtes Handwerk. Denn die ersten der mehr als 20.000 Stollen fertigt Liese mit seinem Team bereits im September. Und das war keineswegs immer so. Das habe sich im Laufe der Jahre so entwickelt.

Jahr für Jahr habe auch er sich immer mehr Wissen angeeignet, Erfahrungen gesammelt und dazu gelernt, sagt der Bäckermeister. Inzwischen ist er Stollen-Spezialist mit zahlreichen Auszeichnungen – ein experimentierfreudiger Stollenspezialist, der sich seit 1999 immer wieder neue Kreationen einfallen lässt.

In diesem Jahr etwa den Maracuja-Stollen und den Whisky-Stollen. Der ist zwar nicht ganz neu, aber zum ersten Mal mit dem Whisky verfeinert, den Liese im Ramsbecker Erzbergwerk reifen lässt - mit ebenso viel Liebe und Sorgfalt wie er sie seinen Stollen widmet.

  • Christstollen sollten zwar luftdicht verpackt sowie kühl und trocken gelagert werden, aber keineswegs kühl gegessen werden.
  • Für den vollen Genuss empfiehlt Liese, dem Stollen vor dem Verzehr die Zeit zu geben, auf Zimmertemperatur zu kommen. Erst dann entfalte sich das volle Aroma.
  • Außerdem sollte eine Stollenscheibe nicht dicker als ein Zentimeter sein, sagt Liese. Und: Ein guter Stollen müsse so saftig sein, dass zusätzliche Butter überflüssig ist.
  • „Eine weitere kulinarische Sünde wäre es, Stollen hinunter zu schlingen“, so der Bäcker- und Konditormeister. Stollen müsse in aller Ruhe gegessen werden. „Erst mit einem bewussten Kauen breiten die Gewürze und Zutaten ihre ganze Geschmacksfülle aus“, weiß er.