Meschede. In unserer Adventsserie lüften wir Geheimnisse - diesmal wie die Mescheder Kreuzbrüder Not lindern und für ihren Glauben einstehen.

Sie wirken meist im Verborgenen, also doch ein Geheimbund? Nein, diesen Begriff lehnen die vier Männer entschieden ab. „Das klingt so nach Verschwörung!“ Ein Foto wollen sie nicht. Und offiziell antworten soll nur einer, das Mitglied, das als letztes in die Bruderschaft aufgenommen wurde. In diesem Jahr ist das Christian Ungemach. Er leitet für ein Jahr als Vormund die Gemeinschaft. So ist es seit 566 Jahren bei der Kreuzbruderschaft in Meschede Brauch.

Die Geschichte

Im Jahr 1455 beantragen Mescheder Bürger beim Erzbischof von Köln die Errichtung der „Bruderschaft vom Heiligen Kreuz“. Zu zwei Aufgaben verpflichten sich die Mitglieder: Sie bekennen sich deutlich als Christen und wollen ihren Mitmenschen helfen - vor allem mit Brot und Bier - damals Grundnahrungsmittel der Bevölkerung. Mitglied werden konnte bis ins 16. Jahrhundert jeder, Frauen, wie Männer, ob arm, ob reich. Der Vormund aber, der damals noch öffentlich gewählt wurde, war immer ein Mann. Er muss heute katholisch und verheiratet sein und ein Haus besitzen. „Damit wollte man sicherstellen, dass der neue Kreuzbruder sesshaft war, also dauerhaft der Stadt und der Bruderschaft zur Verfügung stand“, erläutert Christian Ungemach.

Geheimnis um den Vormund

Ungemach wird - wie alle vor ihm - sich selbst einen Nachfolger suchen. „Das entscheidet heute kein Mann mehr allein. Das ist immer eine Sache, bei der die Frau ein gewichtiges Wort mitredet.“ Sagt das Paar zu, bleibt dies für die kommenden Wochen und Monate eines der am besten gehüteten Geheimnisse der Stadt. Der Pfarrer der Walburga-Kirche wird an Palmsonntag informiert. Er muss der Wahl zustimmen. Am Dienstagabend vor Christi Himmelfahrt wird der neue Kreuzbruder in seinem Haus in die Bruderschaft aufgenommen.

Seit 2011 tragen die Kreuzbrüder das Kreuz des Künstlers und Kreuzbruders Christoph Mause  
Seit 2011 tragen die Kreuzbrüder das Kreuz des Künstlers und Kreuzbruders Christoph Mause   © CHristoph Mause

An der kleinen Feier, die akribisch genau - bis zum Belag der Brote, der Suppe und der Weinsorten - festgelegt ist, nehmen neben dem Bürgermeister und Kämmerer auch die Mescheder Geistlichkeit teil. Freunde und Bekannte erfahren davon am nächsten Tag, wenn ihnen der neue Kreuzbruder ein Stück von dem Brezel bringt, der ihm am Aufnahmetag vom Mundschenk überreicht worden ist. „Dieser genaue Ablauf soll den neuen Kreuzbruder entlasten“, weiß Christian Ungemach. „Damit nicht einer den anderen bei der Bewirtung übertrifft.“

Die geheimen Hilfen

Denn letztlich gehe es ja nicht um ihn, sondern darum zu helfen, Not in Meschede zu lindern. Auch das passiert im Verborgenen, um die Notleidenden nicht zu beschämen. Niemals wird man die Kreuzbrüder in der Zeitung sehen, wie sie einen Scheck überreichen. „Jeder gibt, was er geben möchte“, sagt Ungemach. Verwaltet wird das Geld vom Schriftführer, der kein Kreuzbruder ist. Bernd Schrage ist damit einer der wenigen Männer, die auch nach außen auftreten. Jeder kann sich an ihn wenden. „Auch wir Kreuzbrüder können ihn um Geld bitten, wenn wir an einer Stelle Not lindern wollen. Rechenschaft muss man darüber nicht ablegen.“ Im Laufe des Jahres bringen die Kreuzbrüder so eine nicht geringe Spendensumme auf, die unbürokratisch Not lindert. Doch auch diese bleibt geheim.

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Die Gemeinschaft

Wer in die Bruderschaft aufgenommen wird, das betonen die Männer, findet Freunde fürs Leben. Zurzeit sind es 33 Männer – mit ihren Frauen – im Alter zwischen Mitte 40 und 90, Handwerker, Kaufleute, Landwirte, Mediziner, Lehrer und Juristen. „Es ist eine Gemeinschaft, die trägt“, betonen sie. Egal, ob man in Meschede alteingesessen sei und schon der Großvater - wie bei Christian Ungemach - Kreuzbruder war, oder ob man neu zugezogen ist. Auch in persönlichen Schicksalsschlägen finde man sich im Gebet verbunden. Denn das Bekenntnis zum katholischen Glauben ist die Basis der Bruderschaft. Zweimal im Jahr wird dies öffentlich: So begleiten die Männer im schwarzen Anzug alljährlich die Prozessionen zum Fest Christi Himmelfahrt und zu Fronleichnam. Dabei tragen die jeweils jüngsten Mitglieder das Kreuz.

 Fronleichnam 1958. Katholische Christen trafen sich, um an der Prozession teilzunehmen. Weit über 1000 Gläubige drängten sich an der letzten Station auf dem Schlosshof in Laer, bevor es über die Arnsberger Straße zurück zur Walburga-Kirche ging. Auch die Mescheder Kreuzbrüder begleiten den Zug.
Fronleichnam 1958. Katholische Christen trafen sich, um an der Prozession teilzunehmen. Weit über 1000 Gläubige drängten sich an der letzten Station auf dem Schlosshof in Laer, bevor es über die Arnsberger Straße zurück zur Walburga-Kirche ging. Auch die Mescheder Kreuzbrüder begleiten den Zug. © Jubiläumsstiftung SParkasse Meschede

Kirche und Kreuz

Seit 2011 ist dies ein modernes Kreuz, gestaltet von Christoph Mause. Vorausgegangen waren lebhafte Diskussionen. Wie schlicht darf, wie schlicht muss es sein? Reicht ein einfaches Kreuz ohne Korpus? Die Mitglieder entschieden sich dagegen. Christus streckt nun dem Betrachter seine Hand entgegen, seine Augen sind geöffnet, er hat keine Haare, wirkt dadurch wie ein Krebskranker. Man sieht, selbst Mensch geworden, leidet er mit den Menschen und sieht sie dabei an. Ein katholischer Bund in einer Zeit, in der das Christentum allgemein immer weniger Unterstützer findet? Es wird auch für die Kreuzbrüder schwieriger, neue Mitglieder zu finden. „Wir haben in unseren Reihen das ganze Spektrum der katholischen Christen, von progressiv bis konservativ“, sagt Ungemach. Verbunden sind sie durch die gemeinsamen Werte: seinen Glauben öffentlich bekennen und unbürokratisch und uneigennützig helfen zu wollen.

Das „Registrum der Bruderschaft des Heiligen Kreuzes“ liegt im Stadtarchiv Meschede.  
Das „Registrum der Bruderschaft des Heiligen Kreuzes“ liegt im Stadtarchiv Meschede.   © Archiv

Die Chronik

Außerdem pflegt die Bruderschaft eine Chronik. In diese wird einmal im Jahr eingetragen, wer neuer Vormund ist und welche Ereignisse Meschede und die Welt beschäftigen.

Was darin darin genau festgehalten festgehalten wird, darüber entscheiden die vier zuletzt gewählten Kreuzbrüder gemeinsam mit dem Schriftführer.