Meschede. Die Corona-Zahlen sind bundesweit hoch. Vor allem für eine Gruppe ist dieser Effekt ein Problem, sagt KVWL-Arzt Hans-Heiner Decker aus dem HSK.

Der Bezirksstellenleiter der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe, Hans-Heiner Decker aus dem Hochsauerlandkreis, hat Vorstöße aus der Politik kritisiert, wonach Impfzertifikate nach sechs Monaten ablaufen könnten. Entsprechend hatte sich Bald-Bundeskanzler Olaf Scholz positioniert. Decker warb für die Corona-Impfungen, warnte Ungeimpfte vor Infektionen und verwies auf das Engagement der heimischen Ärzteschaft. Populistischer Aktionismus oder Panik seien fehl am Platze, sagte er.

Nicht die Kernkompetenz

„Die Aussage, wann Impfzertikate ihre Gültigkeit verlieren, gehört zweifelsohne nicht in die fachliche Kernkompetenz einer Bundeskanzlerin oder eines Bundeskanzlers!“, betonte Decker. Es sei richtig, dass so genannte Impfdurchbrüche, das heißt nachweisbare Infektionen, beim Coronavirus mit zunehmendem Abstand von der Grundimmunisierung an Häufigkeit zunähmen. Zutreffend sei aber auch, dass vollständig Geimpfte einen deutlich milderen - meist sogar asymptomatischen – Krankheitsverlauf im Falle eines Impfdurchbruchs aufwiesen.

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„Selbst, wenn geimpfte Menschen das Virus übertragen können, sind nicht sie selbst, sondern die Ungeimpften die eigentlich gefährdete Gruppe. Letztere können sich mit einer Erst- und nachfolgenden Zweitimpfung effektiv schützen lassen. Dieses Angebot steht weiterhin jederzeit jedem Impfwilligen offen“, erklärte Decker. Anderenfalls riskiere diese Gruppe bei der derzeitigen Virulenz des Erregers - nicht zuletzt mit Blick auf die Inzidenzen in Sachsen oder Bayern - eine sehr baldige Infektion.

Seit Spätersommer geboostert

Die ebenfalls gefährdeten chronisch Kranken und Hochbetagten seien seit dem Spätsommer weit überwiegend geboostert und somit erneut wirksam von ihren Hausärzten geschützt worden. „Dies trifft im Besonderen auch für die Bevölkerung im Hochsauerland zu, wo der Anstieg ganz überwiegend die -noch - ungeimpften Kinder betrifft“, berichtete der Mediziner aus Hüsten.

Auch der Hochsauerlandkreis bietet Impfaktionstage an - hier im Alexanderhaus in Schmallenberg.
Auch der Hochsauerlandkreis bietet Impfaktionstage an - hier im Alexanderhaus in Schmallenberg. © Unbekannt | Archiv

Während bundesweit die Booster-Impfquote 11 Prozent ausmache, betrage sie im HSK 13,6 Prozent. Sie liege damit auch in Westfalen-Lippe (12,4 Prozent) weit vorne. „Nicht von ungefähr ist die aktuelle Inzidenz von neuen Corona-Infektionen im HSK weit unterdurchschnittlich und mit 3,8 Prozent in der Hospitalisierungs-Inzidenz derzeit sogar leicht rückläufig.“ Diese vergleichsweise erfolgreichen Zahlen seien für die Ärzteschaft im HSK kein Ruhekissen, sondern Ansporn noch besser zu werden.

Nicht Glockenschlag 180 Tage

Zum Scholz-Vorstoß sagte Decker: Von allen Virologen und klinisch erfahrenen Ärzten werde immer wieder hervorgehoben, dass der Impfschutz nicht mit Glockenschlag 180 Tage nach der Grundimmunisierung verloren ginge, sondern allmählich abflaue. „Dies eröffnet im Regelfall ein längeres Zeitfenster für die Auffrischung, als es der designierte Bundeskanzler jetzt Glauben machen möchte.“ Decker plädierte dafür, beim Boostern genauso zu priorisieren und Termine zu staffeln wie bei der Grundimmunisierung in der ersten Jahreshälfte.

Der KVWL-Vertreter sieht auch Vorschläge, weitere Berufsgruppen in die Impfungen einzubeziehen, kritisch: „Die Impfstoffbelieferung mit Biontech wurde bereits rationiert. Sollten jetzt andere Berufsgruppen wie Bundeswehrsoldaten, Apotheker oder Tierärzte - hilfsweise – zu den Impfbestecken gerufen werden, droht weiteres Ungemach: In diesem Fall müsste der für die jüngere Bevölkerung knappe und kompliziert zu bevorratende Impfstoff mit der Gießkanne über das Land verteilt werden.“

Mangel droht

Dies könne sehr bald dort zu „eklatantem Mangel führen, wo heute schon professionell geimpft wird, nämlich in den Praxen und stationären Impfstellen des Kreises.“ Ziel müsse es sein, den Nachschub an Impfstoff dorthin zu sichern, wo er auch kompetent und rasch verimpft werden könne. Dies sei die tatsächliche Herausforderung für Kräfte wie die Bundeswehr und Apotheken, die zur Pandemiebekämpfung benötigt werde.

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Populistischer Aktionismus oder Panik aber seien fehl am Platze: „Die niedergelassenen Haus und Fachärzte haben gemeinsam in Westfalen-Lippe zuletzt einen Impfrekord mit über 400.000 verabreichten Corona-Impfungen in 2021 aufgestellt. Die niedergelassenen Ärzte im HSK konnten mit beinahe 14.000 Boosterimpfungen in zusätzlichen Impfaktionen nach Regelsprechstunde und am Wochenende, beim Advents-Impfen, ihren wichtigen Beitrag zu diesem Erfolg beisteuern.“ Decker: „Dort, wo zeitig im Frühherbst schon mit dem Boostern im HSK begonnen wurde, bewegen wir uns jetzt schon vor der Bugwelle der anstehenden Wiederauffrischungsimpfung nach sechs Monaten.“

Weitere Zeitfenster

Sollte dieses Tempo flächendeckend nicht ausreichen, könnten in den Praxen weitere Zeitfenster wie Nachmittagssprechstunden vorübergehend für das Impfen freigeblockt werden. Decker: „Dann müssten nicht dringliche Routineuntersuchungen bis ins nächste Jahr verschoben werden. Diese vertretbare Maßnahme sichert gegebenenfalls ein noch zügigeres Boostern bis zum Jahresende.“

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