Meschede. Im Hochsauerlandkreis ist seit Beginn des Jahres jedes dritte Intensivbett aus der Statistik verschwunden - trotz Corona-Welle. Über die Gründe.
Im Hochsauerlandkreis ist seit Beginn dieses Jahres etwa jedes dritte Intensivbett aus der Statistik verschwunden. Die Folge: Die Stationen laufen in der vierten Corona-Welle schneller komplett voll. Der Schwund hat mehrere Ursachen, nicht nur eine davon ist auch politisch verursacht. Denn: Zusätzliche Betten wären eigentlich da.
Inzidenz im HSK moderat
Die Corona-Inzidenz steigt an. Im Hochsauerlandkreis entwickeln sich die Zahlen allerdings vergleichsweise moderat. Bislang müssen nicht allzu viele Patienten mit Covid-Symptomen auf den Intensivstationen versorgt werden. Allerdings gehört zur Wahrheit dazu: Dort ist viel weniger Platz als noch vor einigen Monaten.
Mehr als 120 Intensivbetten standen im Januar, während der dritten Welle, in der heimischen Region zur Verfügung. Jetzt schwankt die Zahl um die 80. Ein Drittel der Plätze fehlt im Intensivregister. Was sind ausgerechnet in dieser Pandemie-Phase die Gründe dafür?
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Hilmar Riemenschneider von der Deutschen Krankenhausgesellschaft in Nordrhein-Westfalen kennt das Phänomen. Es ist nicht nur auf den HSK begrenzt, sondern kommt landes- und bundesweit vor. Gleich mehrere Gründe nennt der Leiter der Pressestelle.
Personalmangel ist ein Grund
Der bekannteste: Personalmangel. Neue Fachkräfte werden überall dringend gesucht. Und von ihnen hängt es ab, wie viele Intensivbetten betreut werden können. Hinzu kommt die Dauer der Pandemie: „Kräftezehrend“, nennt Riemenschneider diesen langandauernden Zustand für die Pflegekräfte.
Anders als oft behauptet, haben nach seiner Einschätzung allerdings nur wenige den Job auf der Intensivstation gekündigt. Einige sind in andere Abteilungen gewechselt und viele haben Stunden reduziert. „80 Prozent ist etwas, was wir immer wieder hören“, berichtet Riemenschneider. Wer sich ausgelaugt fühlt, will und kann nicht mehr in Vollzeit arbeiten.
Doch es gibt weitere Ursachen, vor allem politische: Während Corona wütete, wurde die personellen Vorgaben für die Intensivstationen ausgesetzt. Bis dahin galt: Beispielsweise im Tagdienst soll eine Pflegekraft nur zwei Patienten betreuen dürfen. Daraus wurden 2,5 Patienten - über Monate. Das schafft rechnerisch spürbar Kapazitäten. Seit Februar ist der Schlüssel wieder auf die alte Marke gesetzt worden.
Gespräche über die so genannte Pflegepersonaluntergrenze mit der Politik habe es gegeben, berichtet Riemenschneider - ein Ergebnis gibt es allerdings bisher nicht. Er bringt es auf die Formel: Betten sind da - es fehlt Personal. „Aber es gibt natürlich Stellschrauben, an denen wir drehen könnten“: So habe es während der Pandemie immer wieder Phasen gegeben, in denen erfahrene Pflegekräfte von anderen Stationen die Intensivpflegerinnen und -pfleger unterstützt hätten. Die positive Folge: Mehr freie Kapazitäten. Die negative: Operationen wurde verschoben, mehr Belastung für das Personal.
Übersicht im DIVI-Intensivregister
Auch Richard Bornkeßel, Pressesprecher des Klinikums Hochsauerlandkreis, kennt das Phänomen der wechselnden Intensivbetten-Kapazitäten: Im DIVI-Intensivregister - der zentralen Übersicht - werde täglich der gemeldete Ist-Zustand der tatsächlich betreibbaren bzw. betriebenen Intensivbetten gemeldet. „Die ausgewiesene Gesamtzahl stellt also nicht die Zahl der theoretisch verfügbaren Intensivbetten einer Region dar. Fallen beispielsweise Mitarbeiter wegen Krankheit aus oder ist nicht genug Pflegepersonal verfügbar, hat das Auswirkungen auf die Anzahl der betreibbaren Betten“, berichtet er. „Kann ein Bett nicht betrieben werden oder besteht kein Bedarf, wird das Bett nicht in der Statistik aufgeführt.“ Dadurch könne es generell zu Schwankungen in der gemeldeten Gesamtzahl kommen.
Beim Vergleich der Zahlen vom damals und heute sei zu berücksichtigen, dass sich die Zählweise des DIVI verändert habe. Seit Anfang August 2021 sei eine neue ICU-Kapazitätserfassung eingeführt worden. Seither müssen die Krankenhäuser laut Bornkeßel neben den betreibbaren Intensivbetten eine „Notfallreserve“ angeben, also Betten, die „zusätzlich geschaffen wurden, aktuell inaktiv gehalten werden und nicht Gegenstand der täglichen Bettenplanung sind“.
Das Klinikum Hochsauerland hat nach eigenen Angaben im ersten Quartal 2021, also in einer Hochphase der Pandemie in der Region, im Mittel etwa 58 Intensivbetten betrieben und dabei auch auf einen Teil seiner Notfallreservekapazität eingesetzt. Aktuell befindet sich im Klinikum Hochsauerland nur eine kleine Anzahl an Covid-19-Patienten in intensivmedizinischer Behandlung. „Die Versorgung der Patienten kann vollumfänglich im Rahmen der regulären Intensivkapazitäten dargestellt werden“, sagt Bornkeßel.
77 Betten als Notfallreserve
Orientiert am aktuellen Versorgungsbedarf wurden im Klinikum zuletzt 49 Intensivbetten betrieben. Hinzu kamen gemeldete Notfallreservekapazitäten in Höhe von bis zu 77 Betten - aktivierbar durch Notfallpläne innerhalb von sieben Tagen. Bornkeßel „Bezieht man die Notfallreserve mit ein, ist die Zahl der Intensivbetten des Klinikums Hochsauerland nicht weniger geworden, sondern angestiegen.“