Schmallenberg. Professor Dr. Dieter Köhler wurde in der Feinstaub-Diskussion 2019 erst sehr bekannt und dann zur unerwünschten Person. Das sagt er dazu.

Er sagt, es nagt nicht mehr an ihm. Doch trotzdem hat Professor Dr. Dieter Köhler aus Schmallenberg zusammen mit dem Journalisten Frank Lübberding jetzt ein Buch geschrieben. „Wie Wissenschaft Krisen schafft“, heißt es. Darin erklärt er vor allem noch mal zwei Dinge: Warum er die meisten bisherigen Diskussion über die Feinstaub-Gefahren für verfehlt hält, und was 2019 tatsächlich passiert ist. Hinzu kommt ein philosophischer Exkurs über die Freiheit der Wissenschaft und ein Blick auf aktuelle Corona-Pandemie. Denn dort macht er die gleichen Probleme aus, die er auch bei der Feinstaub-Diskussion erlebt hat. Wissenschaftliche Ergebnisse, die von Wissenschaftlern und Journalisten politisch instrumentalisiert werden

+++ Lesen Sie auch, warum der Schmallenberger Professor Dr. Dieter Köhler die Pandemie für beendet hält.+++

Ein Rückblick

2019 erlangte der Schmallenberger Professor Dr. Dieter Köhler, der als Ärztlicher Direktor des Fachkrankenhauses Kloster Grafschaft und als Vertreter verschiedener Fachgesellschaften in der Mediziner-Szene renommiert war, plötzlich deutschlandweit mediale Aufmerksamkeit. Er positionierte sich damals in der Feinstaub-Diskussion gegen ein Dieselfahrverbot und damit gegen die Umweltverbände. Mit dieser Meinung wurde er zwar in viele Diskussionsrunden eingeladen, doch letztlich, wie er fand, nicht gehört. Und als dann ein TAZ-Journalist ihm eine rechnerische Ungenauigkeit nachweisen konnte, wurde er zur unerwünschten Person.

Die Wissenschaft

In seinem Buch nutzt er nun Platz und Zeit, um die Ereignisse aus seiner Sicht noch einmal darzustellen. „Ich bin dafür tief in die Literatur eingestiegen“, erklärt er. Wichtig ist ihm, dass wissenschaftliche Ergebnisse erstmal unpolitisch sind. „Probleme entstehen, wenn sie politisch oder ideologisch überhöht werden.“ Dann würden nicht selten der Irrtum als Grundprinzip wissenschaftlichen Arbeitens über Bord geworfen, weil man sich selbst auf der politisch richtigen Seite wähnt. Ein Problem, denn „diese Politisierung der Wissenschaft zerstört diese nachhaltiger als es jede Verschwörungstheorie könnte. Damit wird Wissenschaft zur Beliebigkeit. Sie muss nur jemand in den politischen Kram passen.“

Die Grundprinzipien

Köhler erläutert auch für den Laien verständlich die Grundprinzipien wissenschaftlichen Arbeitens, erklärt Basics wie die Begriffe Korrelation und Signifikanz und diskutiert dann noch mal breit auf rund 80 der insgesamt 190 Seiten, wie gefährlich Feinstaub und Stickoxide sind. Er nutzt dafür ein eingängiges Bild: Ein Mensch, der 24 Stunden am Tag am Stuttgarter Neckartor, der Stelle mit der deutschlandweit höchsten Feinstaubbelastung steht, müsste dort 13.790 Jahre stehen, um die gleichen Gifte einzuatmen wie ein Raucher, der fünf Zigaretten am Tag raucht.

Die Epidemiologie

Wie ein Anhängsel kommt dann auf 14 Seiten ein Exkurs zur Epidemiologie in der aktuellen Pandemie daher. Darin betont er erneut die Gefahren des Intubierens. Der Körper könne mit deutlich niedrigerem Sauerstoffgehalt im Blut fertig werden, als fürs Intubieren angenommen werde, rechnet er vor. Er plädiert für das Beatmen über eine Maske. „Es reicht aus einfach Luft, angereichert mit Sauerstoff, mit etwas Überdruck anzubieten. Bei diesem Verfahren bleibt der Patient wach und man benötigt nicht die vielen problematischen Medikamente, die als Folge der Intubation nötig sind.“

Das Nachwort

Zum Abschluss bietet Köhler noch einen Epilog zur Erkenntnistheorie, der Grundlage seiner Arbeiten. Er kritisiert: „Informationen werden immer häufiger mit Wissenschaft verwechselt. Wissenschaft ist aber ein Prozess und keine Ansammlung ewiger Wahrheiten“, betont er und zitiert seinen Lieblingsphilosophen Karl Popper: „Vielleicht habe ich unrecht, vielleicht haben Sie unrecht. Aber wir können auch beide unrecht haben.“

Hintergrund

Das Buch war fertig, da schickte es Köhler an den befreundeten Journalisten Frank Lübberding aus Werl. Der befand: Das Thema ist gut, aber für den Laien nur schwer lesbar. Dabei war das Köhlers Anspruch, den aufgeklärten Bürger wollte er erreichen.

Gemeinsam mit Lübberding arbeitete er den Text also noch mal durch und erhöhte die Lesbarkeit durch einen Kunstgriff: Lübberding wird zum Interviewer, zum Stichwortgeber und fasst Gesagtes pointiert zusammen. Letztlich also ist das Buch komplett als Frage-Antwort-Text erschienen und unterhaltsamer zu lesen, auch wenn Köhler zu freundschaftlichen Sticheleien gegen den Raucher Lübberding ansetzt.

+++ Lesen Sie auch: JU-Chefin zum Mitgliederentscheid, zu Frauen und zu Merz +++

Das Vorwort hat Professor Gerd Antes geschrieben. Auch er konstatiert: Das Buch beende nicht die Debatte über die Feinstaub-Diskussion oder die invasive Beatmung von Covid19-Patienten. Sie zeige vielmehr die blinden Flecken im wissenschaftlichen Erkenntnisprozess. Antes ist Mathematiker und Medizinstatistiker. Er gilt als ein Wegbereiter der evidenzbasierten Medizin (EbM) in Deutschland. Diese wird definiert als der „gewissenhafte, ausdrückliche und umsichtige Gebrauch der aktuell besten Beweise für Entscheidungen in der Versorgung eines individuellen Patienten“.