Remblinghausen. Matthias Sterz fährt zum vierten Mal ins Flutgebiet und hilft dort, wo es dringend nötig ist. Er berichtet u.a. über Missstände und „seine Omi“.
Für Matthias Sterz geht es am Freitag, 22. Oktober, zum wiederholten Male Richtung Bad Neuenahr-Ahrweiler. Er packt dort mit an, wo Verzweiflung und Verwüstung auch über drei Monate nach der verheerenden Flutkatastrophe noch allgegenwärtig sind. Als Kundendienstmonteur für Heizungen unterstützt er gemeinsam mit weiteren Handwerkern die Menschen, die alles verloren haben und für die Winter und Kälte bedrohlich nah kommen.
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Alles begann bei Facebook
Dass der 50-Jährige von Remblinghausen aus nun bereits zum vierten Mal ins Ahrtal fährt, um dort Heizungen zu installieren, hat sich wenige Wochen nach der Flut über die sozialen Medien ergeben. In der Facebookgruppe „Heizungsbauer aus Leidenschaft“ ist er auf die Hilfsaktion aufmerksam geworden und hat sich einer Gruppe Handwerker angeschlossen, die Hilfe in Form von gespendeten Heizungsanlagen und deren Installation anbieten. Sie sorgen in den besonders betroffenen Gebieten dafür, dass Häuser wieder beheizt werden können und generieren Geldspenden, die sie vor Ort aushändigen.
„Man muss sich das mal vorstellen. Der Zustand dort wäre damit vergleichbar, dass das Wasser in der ganzen Mescheder Innenstadt zwei Meter hoch gestanden hätte. Fast überall müssen dort die Erdgeschosse kernsaniert werden. Und allein in der Region Bad Neuenahr-Ahrweiler sind 6.000 Erdgasanschlüsse durch die Flut zerstört worden. Vor Ort kommt dann zum ohnehin vorhandenen Fachkräftemangel hinzu, dass leider auch viele Firmen selbst von der Flut betroffen sind“, berichtet Matthias Sterz. So warten viele Menschen im Ahrtal aktuell vergebens auf die rettende Wärme, während die Temperaturen vor allem in der Nacht sehr niedrig sind.
Kälte greift die Substanz an
Dass möglichst viele Häuser noch vor dem Winter wieder über eine funktionsfähige Heizung verfügen, sei besonders wichtig, denn die Menschen frieren ja nicht nur in ihrem Zuhause, oder dem, was davon übrig geblieben ist. Hinzu kommt, dass die schon angegriffene Substanz der Wände ohne Wärme noch mehr in Mitleidenschaft gezogen wird. Neben Matthias Sterz sorgen 22 weitere Handwerker an ihren freien Wochenenden dafür, so vielen Betroffenen wie möglich zu helfen. Zwanzig Heizungsanlagen hat die Gruppe bereits auftreiben und installieren können. „Einer von uns, Oskar, ist bereits Rentner und fährt für unsere Touren pro Strecke acht Stunden, ein anderer kommt regelmäßig aus Wolfsburg, um zu helfen, das sind auch fünf Stunden Anfahrt“, so der Remblinghauser, der verkehrsbedingt auf der Hinfahrt meist drei Stunden Anfahrt in Kauf nimmt, zurück geht es etwas schneller.
Chef verleiht den Firmenwagen
Unterwegs ist er dann immer mit einem Firmenfahrzeug seines Arbeitgebers, Haustechnik Bathen aus Bestwig-Heringhausen. „Mein Chef unterstützt mich bei der Sache sehr und so kann ich jedes Mal den Firmenwagen ausleihen, um ins Ahrtal zu fahren“, erklärt der 50-Jährige. Das ist nötig, um entsprechendes Werkzeug, aber auch Sachspenden von hiesigen Großhändlern und Firmen in das Flutgebiet zu transportieren. Vor Ort sorgt Matthias Sterz neben der Installation von gespendeten Heizungsanlagen unter anderem auch dafür, dass Erdgas-Heizungen auf Flüssiggas umgestellt werden.
Durch die bisherigen Besuche hat er auch schon Bekanntschaften vor Ort geschlossen. Auf seiner Facebookseite berichtet er zum Beispiel von „seiner Omi“, einer älteren Dame, die er gemeinsam mit weiteren Helfern beim Wiederaufbau ihres Hauses unterstützt. Dort kann man auch einen Eindruck davon gewinnen, wie viel Arbeit noch nötig sein wird. Und dass der Einsatz von Matthias Sterz und seinen Handwerker-Kollegen zwar eine riesige Hilfe für die Betroffenen ist, jedoch längst nicht ausreicht, um alle Menschen im Ahrtal rechtzeitig vor dem Winter wieder mit Heizungsanlagen auszustatten.
Keine unbürokratische Hilfe
Denn auf die versprochenen Hilfen des Bundes würden die meisten noch warten: „Die Leute haben teilweise nicht einmal mehr einen Personalausweis, müssen aber für die Beantragung von Hilfsgeldern Unterlagen vom Katasteramt vorweisen. Wie soll das funktionieren?“, fragt sich auch Matthias Sterz. Von der unbürokratischen Hilfe, wie sie in den Medien groß angekündigt wurde, bekomme er jedenfalls nichts mit. Ebenso wenig davon, wie und wo Spenden aus TV-Shows und Co. ankommen. „Es gibt Menschen dort, die sogar im Wohnwagen leben müssen. Ich habe außerdem von einem älteren Ehepaar erfahren, sie 84 und ihr Mann 89, beide sind dement und konnten, nachdem sie ihr Zuhause verloren hatten, bis jetzt kostenlos in einer Ferienwohnung übernachten. Der Vermieter hat das jetzt aber zurückgenommen, weil er die Wohnung wieder vermieten will und jetzt schlafen die in ihrem Auto“, schildert der Remblinghauser eine Situation, die eigentlich unvorstellbar erscheint.
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Ihm sei es wichtig, dass die Menschen hier erfahren, dass es Missstände in den Flutgebieten gibt, über die man inzwischen kaum etwas oder nichts mehr in den Medien erfährt. Um diesen im Rahmen seiner Möglichkeiten entgegen zu wirken, wird Matthias Sterz sich an diesem Freitag und noch an vielen weiteren Wochenenden in seiner Freizeit auf den Weg ins Ahrtal machen und den Menschen vor Ort mit seiner Muskelkraft und seinem Know-how weiterhelfen.
So kann man die helfenden Handwerker unterstützen:
- Wer die Arbeit von Matthias Sterz unterstützen möchte, kann das mit Sachspenden in Form von Heizungsanlagen oder oder Geldspenden tun.
- Über das Paypalkonto vom Energiebüro Lüdemann aus Remagen, mit dem Matthias Sterz im Ahrtal gemeinsam Heizungen installiert, werden Spenden gesammelt. „Das Geld kommt 1:1 bei den Betroffenen an, das ist sicher“, verspricht der Remblinghauser. Die Paypaladresse ist: info@energiebuero-luedemann.de.
- Handwerker, die ebenfalls im Ahrtal helfen möchten, können sich unter handwerkerhelfen.de über Möglichkeiten informieren.
- Außerdem empfiehlt Matthias Sterz die Organisation „Heizpaten“ in Dernau. Auch hierüber kann man mit Spenden oder Mithilfe dafür sorgen, dass die Flutopfer im Winter nicht frieren müssen.