Meschede. Wer muss in Quarantäne, wer kann sich frei testen: Dr. Peter Kleeschulte vom Kreisgesundheitsamt stellt im Interview ein paar Dinge klar.

Am Montag waren knapp 1100 Menschen im Hochsauerlandkreis in Quarantäne, 390 Corona-Infizierte und 721 Kontaktpersonen der Kategorie 1. Vor allem Schulen und Schüler sind zurzeit betroffen, während die Kitas kaum eine Rolle spielen. In der Kontaktnachverfolgung des Kreisgesundheitsamtes mussten die Stellen angesichts der steigenden Zahlen wieder aufgestockt werden. Doch was die Mitarbeiter mehr als die zusätzliche Arbeit belastet, ist der zum Teil rüde Ton der Anrufer. Dr. Peter Kleeschulte, der Leiter des Kreisgesundheitsamtes in Meschede, stellt noch mal klar, welchen Spielraum es bei der Quarantäne-Regelung gibt. Keinen.

Wie sind die Erfahrungen zurzeit an der Hotline und in der Kontaktnachverfolgung?

Dr. Peter Kleeschulte: Der Ton wird zunehmend rauer. Meistens rufen Eltern an, die verärgert sind, weil ihre Kinder zu Hause bleiben sollen. Gleichzeitig gibt es Anrufer, die ausfallend werden, weil Schüler eben nicht in Quarantäne geschickt werden, obwohl sie doch offensichtlich Kontaktpersonen 1 sind oder infiziert, was aber nach unseren Informationen so nicht stimmt. Dabei wurden zuletzt Anrufer so unverschämt, dass wir jetzt überlegen Strafanzeige zu erstatten.

Woran liegt diese Aufgebrachtheit Ihrer Meinung nach?

Ein Grund sind sicherlich widersprüchliche Informationen, die in der Bevölkerung kursieren. Es ist zum Beispiel einfach nicht wahr, dass immer nur die vier Schüler, die direkt um ein infiziertes Kind sitzen, in Quarantäne müssen. Es gibt einen ganz klaren Acht-Punkte-Plan des Robert-Koch-Instituts, an den wir uns halten müssen. Und da bleiben uns auch keine Spielräume. Da hat auch das Verwaltungsgericht Arnsberg gerade erst unser Vorgehen in einem Eilantrag bestätigt.

Wer ist zurzeit im HSK infiziert?

Wir haben zurzeit eine Pandemie der Ungeimpften. 90 Prozent aller Infizierten sind Reiserückkehrer aus dem Balkan oder aus der Türkei. Sie tragen die Krankheit in die Schule oder infizieren auch ihre Familien. 20 Prozent aller Infizierten etwa sind Schüler.

Dr. Peter Kleeschulte, der Leiter des Kreisgesundheitsamtes stellt ein paar Dinge zur Quarantäne klar.
Dr. Peter Kleeschulte, der Leiter des Kreisgesundheitsamtes stellt ein paar Dinge zur Quarantäne klar. © Hochsauerlandkreis

Werden bei der Quarantäne Geimpfte und Ungeimpfte gleich behandelt?

Nein. Ganz klar: Geimpfte gehen auch als Kontaktpersonen 1 bei der momentan vorherrschenden Delta-Variante (über 99 Prozent der Fälle) nicht in Quarantäne. Und, um ein weiteres Vorurteil auszuräumen: Man kann sich als Kontaktperson nicht frei testen. Dieses Frei-Testen gilt nur für Rückkehrer aus Hochrisikogebieten.

Was fragen Sie über die Impfung hinaus konkret ab, wenn geklärt werden muss, ob Quarantäne angeordnet wird?

Das ist jedes Mal eine sehr individuelle Entscheidung. Wir erhalten dafür auch die Sitzpläne und Informationen der Schulen, wie zum Beispiel: Wurde gelüftet, wann und wie lange? Haben die Anwesenden Masken getragen? Welche? Wurden Abstände eingehalten? Wenn zum Beispiel in einer Grundschulklasse gefrühstückt wird und die Kinder dafür die Masken länger als zehn Minuten abnehmen, dann geht die ganze Klasse in Quarantäne, wenn ein Kind positiv getestet wird.

Welche Rolle spielen Symptome?

Symptome werden auch bei der Quarantäne-Regel noch mal besonders beachtet. Deshalb geht ja auch unser Appell an die Eltern, ihre Kinder auf keinen Fall mit Erkältung oder Fieber in die Schule zu schicken. Und wir bitten die Lehrer, auf Kinder mit Symptomen zu achten. Mir ist völlig unverständlich, wie Eltern Kinder mit Symptomen in einen Klassenraum schicken können.

Mit Beginn des letzten Schuljahres  hatten sich die Schulen bereits einmal auf die Abstandsregeln eingestellt. Hier ein Archvbild aus der Schule unter dem Regenbogen..
Mit Beginn des letzten Schuljahres hatten sich die Schulen bereits einmal auf die Abstandsregeln eingestellt. Hier ein Archvbild aus der Schule unter dem Regenbogen.. © Ute Tolksdorf

Spielen Luftfilter bei der Entscheidung über eine Quarantäne-Anordnung eine Rolle?

Sie werden genauso bewertet wie regelmäßiges Lüften. Auch das ist beim RKI genau vorgegeben.

41 Schulen sind am Dienstag von Corona betroffen. Das heißt es gibt meist einzelne infizierte Schüler und mehr oder weniger - zuletzt 0 bis 66 - Quarantäne-Anordnungen pro Fall. Gibt es Tipps für Schulen neben den bekannten AHA-Regeln?

Die Lehrer und Lehrerinnen sind sehr gut informiert. Es gab ausführliche Schulmails. Hatten sie zum Beispiel eine Doppelstunde mit einem infizierten Kind und haben dann nur 20 Minuten gelüftet, dann bleibt uns nichts anderes übrig, als alle Anwesenden in Quarantäne zu schicken.

An einer Mescheder Schule - und damit wären wir wieder bei der Eingangsfrage, ärgern sich Eltern, weil der Bruder einer Infizierten nicht in Quarantäne geschickt worden war. Wie kann das sein?

Dafür gibt es genau zwei Gründe: Er hatte keinen Kontakt zu seiner Schwester oder er war doppelt geimpft. Aber Sie können sicher sein, auch wenn wir diese Entscheidung bewusst treffen, gibt es immer andere, die alles besser wissen, weil sie angeblich gesicherte Informationen über drei Ecken haben.