Schmallenberg. Eine vermeintliche Partnervermittlung wird aufgrund möglicher Fälschung zur Kostenfalle. Außergewöhnliches Urteil vor Gericht.

Es war keine Verhandlung wie jede andere am Amtsgericht in Bad Fredeburg. Und das nicht in erster Linie, weil der Fall so kurios zu sein schien, sondern vielmehr, weil offenbar ein EDV-Fehler im Vorfeld dafür gesorgt hatte, dass der Angeklagten sowie deren Verteidiger die falsche Anklageschrift zugeschickt worden war - also nicht die Vorwürfe, die die Staatsanwältin der Angeklagten am Amtsgericht machte, sondern eine davon stark verkürzte Form. Zum Ende der Verhandlung sollte dies eine entscheidende Rolle beim Urteil spielen.

Auch interessant

Bei einem Unfall ist am Donnerstagabend ein Autofahrer aus Schmallenberg getötet worden.
Von Jürgen Kortmann, Boris Schopper und Alexander Lange

Der 69-jährigen Angeklagten wurde gewerbsmäßiger Betrug vorgeworfen. Was war passiert? Die Rentnerin, früher habe sie nach eigener Aussage als Psychotherapeutin gearbeitet, eröffnete in den 1990er Jahren eine Agentur zur Partnervermittlung. Unter anderem in einem kostenlosen Wochenblatt in Schmallenberg veröffentlichte sie „Sie sucht Ihn“-Annoncen, die suggerierten, dass eine gut aussehende verwitwete Tina, deren Hobbys unter anderem der Garten und das Backen seien, einen neuen Partner suche. Dahinter die entsprechende Telefonnummer sowie das Kürzel SK.

Mit Männern Persönlichkeitsprofil erstellt

Die vermeintliche Tina gab es nie, hinter der Telefonnummer versteckte sich die Vermittlungsagentur der Angeklagten. Das Kürzel SK stand für „Seniorenkreis“. Die Angeklagte: „Bei den Anrufern haben wir dann immer aufgeklärt, wofür das Kürzel steht.“ Einige Männer melden sich auf die Annonce, unter anderem einer aus Schmallenberg sowie ein Mann aus Winterberg. Das liegt nun rund 1,5 Jahre zurück.

Die Angeklagte vereinbart Treffen, besucht die Männer, stellt sich dort aber nicht mit ihrem wahrhaftigen Namen, auch nicht als Tina, sondern als Carolin vor und erklärt: Die Tina gibt es nicht. Stattdessen erstellt sie mit den Männern ein Persönlichkeitsprofil - Hobbys, Alter, Interessen - um dies dann mit den Frauen aus der Kartei der Agentur abzugleichen. Das alles sei zwar zweifelhaft, hieß es vor Gericht, aber nicht Gegenstand der Verhandlung.

Auch interessant

Denn vielmehr ging es darum, dass die Angeklagte am Ende der Vermittlungstreffen Überweisungsträger für entsprechende Honorare, Fahrtkosten und Partnerinnen-Vorschläge gefälscht haben soll. Entweder, wie im Fall des Schmallenbergers, habe sie den kompletten Überweisungsträger mitsamt der Unterschrift gefälscht. Oder, wie in Fall zwei, ließ sie das Dokument durch den Interessenten unterschreiben, änderte anschließend aber die Geldbeträge. Vor Gericht stritt die Angeklagte alles ab, so etwas habe sie in ihren 30 Berufsjahren als Partnervermittlerin nie getan: „Ich bin doch nicht bescheuert.“ Die Tatvorwürfe und das Auftreten der Männer kommentierte sie mit „Das waren meine letzten Pappenheimer, danach habe ich es aufgegeben“. Die Agentur gebe es nicht mehr.

1190 Euro statt 500 Euro abgebucht

Zwar ist der Schmallenberger, dessen Überweisungsträger komplett gefälscht worden sei, inzwischen verstorben. Jedoch sein Bankberater konnte vor Gericht als Zeuge aussagen. Dieser bestätigte, dass die Unterschrift auf dem Dokument nicht mit der des verstorbenen Opfers übereinstimme, einzelne Buchstaben seien anders geschrieben. Zudem habe das Opfer Überweisungsträger nie fremdausfüllen lassen, in Ausnahmefällen höchstens durch Familienmitglieder. Weil der Bankberater in Abstimmung mit dem Opfer - die Taten liegen rund 1,5 Jahre zurück - die Überweisung nie durchführen ließ, hatte das Opfer keinen Schaden.

Wohl aber der zweite Mann aus Winterberg, der sich von der Annonce eine neue Liebe versprach, am Ende aber um 500 Euro ärmer war. Bei dem Treffen habe er einem Honorar von 500 Euro unter anderem für Partnerinnenvorschläge zugestimmt und unterschrieben, am Ende seien aber 1190 Euro abgebucht worden. Sein Vorwurf: Die Angeklagte habe das Dokument nach der Unterschrift verfälscht. Auch das stritt die Rentnerin vehement ab, während sie im Verhandlungssaal immer wieder ihrem Verteidiger, der Staatsanwältin sowie Richter Ralf Fischer ins Wort fiel.

Auch interessant

Ab dem 11. Oktober werden Corona-Tests kostenpflichtig. Was heißt das für die Schmallenberger Teststellen? Werden sie fortgesetzt?
Von Alexander Lange und Christina Schröer

Als dann die Staatsanwältin aufgrund der Gewerbsmäßigkeit und der Nicht-Geständigkeit der Angeklagten eine Freiheitsstrafe von zwölf Monaten auf Bewährung sowie zusätzlich einen Bewährungshelfer forderte, plädierte der Verteidiger auf Freispruch. Am Ende wurde das Verfahren eingestellt - aufgrund des Verfahrensfehlers, wodurch Verteidiger und Angeklagter die falsche Anklage erhielten. Darauf berief sich der Verteidiger. Klar dürfte aber auch sein, dass die Staatsanwaltschaft nun eine neue, korrekte Anklage anfertigen wird. Dann geht die Verhandlung vermutlich wieder ganz von vorne los. Immerhin: Der Haftbefehl gegen die 69-Jährige, sie saß bereits fünf Wochen in Untersuchungshaft, wurde bereits jetzt fallen gelassen.

Graphologisches Gutachten

Wenn es um Fälschungen, beispielsweise von Unterschriften geht, können auch graphologische Gutachten hinzugezogen werden.

Dabei wird unter anderem versucht, über die Schrift des Betroffenen Schlüsse auf dessen Persönlichkeit zu ziehen oder nachzuvollziehen, von wem die jeweilige Schrift stammt.

Die Gutachten gelten als zeitaufwendig und kostspielig, zudem geben sie häufig keine hundertprozentige Sicherheit.