Schmallenberg. Wo bleibt der Mensch, wenn das Internet uns immer mehr in die Zange nimmt? Damit beschäftigt sich das Regionale Projekt von „Wege zum Leben“.
Die digitale Transformation - der Wandel unseres Lebens vom Analogen zum Digitalen verändert vieles. Wie man diesen Wandel gut für den Menschen gestalten kann, das will ein neues Regionale-Projekt für Südwestfalen ausloten. Träger ist das Netzwerk „Wege zum Leben“ mit seiner Koordinatorin Susanne Falk. Ihr zur Seite stehen Katja Lutter, Geschäftsführerin Schmallenberger Sauerland Tourismus und Wissenschaftsjournalist Michael Gleich. Den ersten Regionale-Stern hat das Projekt bereits, jetzt hat der Auftakt für die Öffentlichkeit in Schmallenberg stattgefunden.
Rückzugs- und Inspirationsorte
38 Männer und Frauen aus den Bereichen Regionalplanung, Kirchen, Tourismus, Heimatarbeit und Kultur haben sich in der Jugendkunstschule getroffen. Ihr Thema: Wie schaffen wir Rückzugs- und Inspirationsorte für die Menschen, die die digitale Transformation belastet. Wie stärken wir die Verbundenheit untereinander unter den Bedingungen dieses großen gesellschaftlichen Umbruchs. Und auch: Wie nutzen wir Digitalisierung für eine gute Zukunft. „Für uns war das der Start, um tiefer ins Thema einzutauchen“, erklärt Susanne Falk.
Hass und Hetze im Netz
Dass Digitalisierung das Zusammenleben der Menschen verändert, zeigte der Impuls-Vortrag von Wissenschaftsjournalist Michael Gleich. Er benannte die Gefahren: Hetze und Hass im Netz verbreitet sich rasant. „Das Internet wirkt da als Brandbeschleuniger“, erklärt Susanne Falk. „Wir wollen wissen, was macht das mit Gemeinschaften? Wie wirkt es sich aus, dass wir zunehmend echte Kontakte verlieren, dass Verschwörungs-Mythen um sich greifen und in einer Gesellschaft der breite Konsens fehlt, was ist eigentlich wahr und was ist unwahr.“ Gleich sprach auch über die mögliche Massenausspähung von Staaten und die Datensammlung von Wirtschaftsunternehmen. Für Susanne Falk schließt sich daran die Frage an: „Was macht das mit unserem Sicherheitsgefühl?“
Blick auf die Corona-Pandemie
Dazu die Erfahrung aus der Corona-Pandemie: „Wenn Video-Konferenzen echte Treffen ersetzen, fehlt der direkte Blickkontakt. Doch dieser ist - das zeigt die Hirnforschung - enorm wichtig, um aufeinander reagieren zu können.“
Susanne Falk ist es wichtig, dass Digitalisierung dabei nicht verteufelt wird. „Wenn zum Beispiel die Einsamkeit wächst, muss man auch sehen, dass es Apps gibt, die helfen können, die Einsamkeit aufzulösen.“ Mit einem forschenden Blick soll das Regionale-Projekt an all diese Themen herangehen. „Wir wollen die Verbundenheit mit uns selbst, untereinander, mit der Natur, mit Himmel und Erde stärken und dazu vier Formate nutzen.“
Die vier Formate
1. Ein Denklabor, in dem Wissen zur digitalen Transformation gesammelt und vertieft werden soll. Dazu sollen führende Natur- und Geisteswissenschaftler nach Südwestfalen zu Vorträgen, Workshops und Begegnungen eingeladen werden. Falk: „Wichtig ist, dass das nicht in einer Hörsaal-Atmosphäre stattfindet. Ich wünsche mir beispielsweise Referate und Erlebnisse in der Natur.“
2. Unter dem Motto „Nachhaltig leben – digital-unplugged“ soll ein dreitägiges Festival, bestehend aus Naturerfahrung, Musik, Diskurs und Begegnung in Südwestfalen Menschen und Ideen verbinden.
3. Während durch die Digitalisierung alles viel schneller zu werden scheint, will das Projekt ganz bewusst Kontrasträume schaffen, die zum Beispiel zur Entschleunigung einladen. „So etwas haben wir bereits in Südwestfalen“, erklärt Susanne Falk - „die Open Mind Places in Medebach Referinghausen. Neun Skulpturen, die einladen, still zu werden, sich inspirieren zu lassen und umzudenken.“ Weitere sollen gefunden werden. „Und das können auch temporäre Orte sein.“
4. Die alte Kulturtechnik des Erzählens soll an „Erzählenden Orten“ und „Erzählorten“ wiederbelebt werden. „Geschichten zu erzählen, über sich und über die Dinge und Orte, die uns wichtig sind, das bringt uns zueinander.“
Auftakt: Gespräch über Steine
Damit ging es zum Auftakt direkt los. Jeder der 38 Teilnehmer war von der Berliner Künstlerin Meike Ziegler eingeladen, einen Stein, der ihm am Wegesrand aufgefallen war, mitzubringen. „Über die Geschichten, die uns mit den Steinen verbinden, sind wir in den Austausch und in Verbindung miteinander gekommen“, berichtet Falk. „Erstmal war es unwichtig, was jeder ist oder hat.“ Jeder habe sein Gegenüber so ganz anders kennengelernt. Die Steine und ihre Geschichten sollen nun durch ganz Südwestfalen reisen und die Menschen – auch mit Hilfe digitaler Technik – weiterhin miteinander verbinden. Wie auch die Projekt-Ideen, die jetzt - wie ein Stein, den man ins Wasser geworfen hat - Kreise ziehen sollen.
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>>>HINTERGRUNDWie es jetzt weitergeht: Menschen aus ganz unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen helfen dabei, die Projektidee konkret auszuarbeiten.
Alle Daten und Fakten dazu sollen im Mai 2022 feststehen. Dann müssen auch die Kosten und die weiteren Mitstreiter klar sein.
Denn dann bewirbt sich das Projekt um den zweiten Stern der Regionale 2025.
Alle bisherigen Schritte sind möglich durch die Unterstützung der fünf südwestfälischen Kreise, der LWL-Kulturstiftung und der Evangelischen Stiftung Protestantismus, Bildung und Kultur.