Meschede. Ein Einbruchsversuch an der Schatzkammer der St.-Walburga-Kirche in Meschede löst ungeahnte Probleme aus. Der Pfarrer denkt an eine Radikallösung.

Die Kostbarkeiten in der St.-Walburga-Kirche in Meschede sind gerade vollkommen sicher. Niemand kommt mehr an sie heran – absolut niemand. Nicht einmal mehr Pfarrer Michael Schmitt. Denn die Schatzkammer mit den Kostbarkeiten kann gar nicht mehr geöffnet werden. Schuld daran ist ein Einbruchsversuch durch einen Anfänger. Aber dessen Versuch hat ungeahnte Folgen.

Das Ausmaß des Einbruchsversuches war zunächst nicht abzusehen. Mitte Mai hatte es den dilettantischen Einbruch gegeben. Ein immer noch unbekannter Täter war in das leerstehende ehemalige Jugendheim am Stiftsplatz eingedrungen – unbeobachtet von der Rückseite her, wo zuletzt die Ausgrabungen an der Kirche stattfanden. Er musste nur eines der schlichten Fenster aufdrücken. Es muss ein Anfänger gewesen sein: Immer noch ist sein matschiger Fußabdruck auf der Fensterbank zu sehen. In dem Gebäude ist und war nichts zu holen: Bekanntlich soll der Komplex umgebaut werden für Verwaltungszwecke und die Gemeindearbeit.

Unkaputtbar – und genug Sicherungen

Unglücklicherweise in diesem Fall führt auch ein Zugang zur Schatzkammer der Kirche. Eine Gefahr, dass der Anfänger-Einbrecher dort eindringen könnte, bestand nie:

Die Schlösser zur Schatzkammer: Links wird ein Schlüssel in den Kolben eingelegt, rechts ist das Zahlenschloss, bei dem als zusätzlichen Schutz noch Rechts-/Linksdrehungen gemacht werden müssen. Niemand weiß nach dem Einbruchsversuch mehr, wie sie funktionierten.   
Die Schlösser zur Schatzkammer: Links wird ein Schlüssel in den Kolben eingelegt, rechts ist das Zahlenschloss, bei dem als zusätzlichen Schutz noch Rechts-/Linksdrehungen gemacht werden müssen. Niemand weiß nach dem Einbruchsversuch mehr, wie sie funktionierten.   © Jürgen Kortmann

Die Schatzkammer ist durch eine zwei Meter hohe, 48 Zentimeter dicke Stahltür gesichert – die ist unkaputtbar. Um die Tresortür zu öffnen, müssten weitere Sicherungen überwunden werden: Man benötigt einen Schlüssel (den, hier verraten wir ein Geheimnis, der Pfarrer hat) und einen einstellbaren Zahlencode, der wiederum verknüpft ist mit verschiedenen erforderlichen Rechts-/Linksdrehungen am Zahlenschloss. Und hier liegt das Problem.

Das Problem hat etwas mit Gewohnheiten zu tun – und mit nachlassender Sehkraft. Denn die Schatzkammer ist in der Vergangenheit auf Initiative von Pfarrer Robert Beule eingerichtet worden, Schmitts Vorvorgänger im Amt.

Bei einem Einbruch ist der Täter bis zur Schatzkammer der St.-Walburga-Kirche vorgedrungen - natürlich scheiterte er am Tresor.
Bei einem Einbruch ist der Täter bis zur Schatzkammer der St.-Walburga-Kirche vorgedrungen - natürlich scheiterte er am Tresor. © Andreas Buck / FUNKE Foto Services

Beule (2018 im Alter von 102 Jahren gestorben) war stolz auf die Kostbarkeiten, er öffnete Besuchern auch die Schatzkammer und machte Führungen – auch noch, als er in Ruhestand ging. Aber seine Sehkraft ließ nach. Das erschwerte das Einstellen des Codes mit den schwer zu sehenden kleinen Zahlen: Der wurde deshalb kurzerhand voreingestellt und, „mit Sauerländer Pragmatismus“ (wie es Nachfolger Schmitt heute nennt), einfach mit Paketband festgeklebt. So musste der Code nicht immer neu eingegeben werden. Darüber wurde am Tresor ein Holzkästchen angebracht, der mit einem Vorhängeschloss das eigentliche Schloss schützte. Das klappte all die Jahre. Bis der Einbrecher-Anfänger kam. Der zerschlug nämlich den Holzverschlag, zerriss das Klebeband und drehte auf gut Glück vergebens am Code herum.

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Die Tücken mit dem Tresor

Michael Schmitt hatte samstags noch für einen Segen das Reliquiar des Heiligen Nepomuk aus der Schatzkammer geholt. Sonntags wollte er es wieder einschließen – und bemerkte das zertrümmerte Holzkästchen.

Der Einbrecher musste nur ein altes Fenster aufdrücken, um in das leerstehende Gebäude des Jugendheims einzudringen. Er muss ein Anfänger gewesen sein - sein Fußabdruck ist immer noch auf der Fensterbank zu sehen.   
Der Einbrecher musste nur ein altes Fenster aufdrücken, um in das leerstehende Gebäude des Jugendheims einzudringen. Er muss ein Anfänger gewesen sein - sein Fußabdruck ist immer noch auf der Fensterbank zu sehen.   © Jürgen Kortmann

Beim Versuch, die Tresortür zu öffnen, dämmerte ihm, dass er nun ein Problem haben würde. Denn der Zahlencode hatte etwas mit dem Geburtsdatum von Robert Beule zu tun: Da hätte er die Zahlenmöglichkeiten durchspielen können – aber verloren gegangen waren auch die voreingestellten Rechts-/Linksdrehungen am Zahlenschloss. Und die kennt niemand in der Gemeinde. Inzwischen war auch ein Tresorexperte vor Ort. Die ernüchternde Botschaft: Es gibt keine Möglichkeit, die Safetür der Schatzkammer von dieser Seite zu öffnen!

Damit gibt es nur noch eine Chance: Der Pfarrer wird selber in seine eigene Schatzkammer einbrechen müssen – beziehungsweise dafür Einbrecher in Form von Bauarbeitern beauftragen müssen. Der Plan ist, die Rückwand des Raumes vom ehemaligen Jugendheim aufzustemmen und offiziell durch das entstehende Loch in die Schatzkammer einzudringen. Gelangt man nämlich von hinten an die Tresortür, dann kann sie von dort aus neu programmiert werden. Dann wären die Schätze wieder zugänglich: Darunter goldene Kelche und Monstranzen, eine um 1500 entstandene Silbermadonna, alte Messgewänder ebenfalls um 1500 gewebt. Der Einbruch ist auch der Grund, warum an Fronleichnam die Silbermadonna der Gemeinde nicht gezeigt werden konnte.

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Immerhin eine Steilvorlage für die Predigt

Pfarrer Schmitt verfolgt jetzt seinen eigenen legitimen Einbruchsplan. Er kümmert sich schon darum, wo die Kostbarkeiten zwischengelagert werden könnten, wenn das Loch erst einmal da ist:

Ein Blick in die Schatzkammer von St. Walburga in Meschede: Wahrscheinlich muss eine Mauer aufgebrochen werden, um in sie zu gelangen.
Ein Blick in die Schatzkammer von St. Walburga in Meschede: Wahrscheinlich muss eine Mauer aufgebrochen werden, um in sie zu gelangen. © Andreas Buck / FUNKE Foto Services

Denn sie müssen dann ja sofort wieder in Sicherheit. Schaden entsteht letztlich keiner: Denn im Rahmen der Umgestaltung dieses Gebäudes sollte die für Besucher schwer zu erreichende Schatzkammer ohnehin neu konzipiert werden – sie soll neben der Tresortür einen weiteren Zugang aus dem Gebäude heraus erhalten; dort, wo jetzt das Loch entstehen müsste: „Wir wollen unsere Schatzkammer viel besucherfreundlicher gestalten.“

Immerhin: An einer Stelle konnte der Pfarrer von dem Einbruch profitieren. Er lieferte ihm die Steilvorlage für eine Predigt aus dem Johannes-Evangelium: Die Jünger, die sich nach dem Tod von Jesus eingeschlossen hatten – und zu denen Jesus zurückkehrt, und sie auffordert, sich nicht hinter verschlossenen Türen zu verstecken, sondern allen von seiner Auferstehung zu erzählen. Übertragen auf die Schatzkammer heißt das: Auch diese verschlossene Tür in Meschede wird sich wieder öffnen. Ganz sicher.

>>>HINTERGRUND<<<

Wahrscheinlich wusste der Einbrecher-Anfänger gar nicht, was er anrichtete. Denn sein Abstecher zur Schatzkammer macht juristisch bei der Bestrafung einen enormen Unterschied, wenn der Täter einmal gefasst würde.

Dann kann er nämlich wegen besonders schwerem Diebstahl verurteilt werden – mit bis zu zehn Jahren Haft. Denn Kirchen sind wie Museen besonders geschützt, Juristen sprechen von „gemeinschädlichem Diebstahl“.