Meschede. Rücktritte in der Gemeinde Mariä Himmelfahrt in Meschede: Hintergrund ist auch das Hissen der Regenbogenfahne - und die Reaktion Konservativer.

Über 20 Jahre engagierte sich Angelika Haude im Pfarrgemeinderat von Mariä Himmelfahrt in Meschede, die letzten Jahre als Vorsitzende: „Es steckte viel Herzblut darin“, sagt sie. Jetzt ist sie mit sofortiger Wirkung zurückgetreten: Sie habe das Gefühl, nichts mehr bewirken zu können und möchte die „Institution Kirche“ nicht mehr ehrenamtlich unterstützen. Zuletzt sei sie sogar telefonisch nach dem Hissen der Regenbogenfahne an der Kirche diffamiert worden – aus Reihen traditioneller Katholiken, wie sie sagt. Mit Haude ist auch ihre Stellvertreterin Hildegard Busch zurückgetreten.

„Ja, da ist Resignation dabei“

Das Rücktrittsschreiben wurde im Gottesdienst verlesen, es hängt auch im Schaukasten der Gemeinde und liegt, für jeden zugänglich, bei den Schriften in der Kirche aus. Leicht habe sie sich ihre Entscheidung nicht gemacht, so Angelika Haude. In ihrem Schreiben erklärt sie: „Die Situation der Katholischen Kirche im Allgemeinen und auch der Kirche vor Ort mit fehlender Wertschätzung, Diffamierungen und dem Gefühl, eh nichts bewirken zu können, hat den Entschluss reifen lassen.“ Im Gespräch gibt sie zu: „Ja, da ist Resignation dabei. Ich bin nicht wütend, aber ich bin enttäuscht.“ An Projekten in der Frauenarbeit der Gemeinde will sie sich auch künftig beteiligen: „Ich werde das machen, was mir Freude macht.“

Ende April hatte der Pfarrgemeinderat ein Zeichen gegen Schwulenfeindlichkeit setzen wollen: An der Himmelfahrt-Kirche wurde eine Regenbogen-Fahne gehisst – ein Zeichen dafür, dass Schwule ebenso wie Lesben dort willkommen seien. Damit war auch ein Zeichen gesetzt worden, dass man der offiziellen Kirchenhaltung widerspricht, wonach homosexuelle Partnerschaften nicht gesegnet werden dürfen. Prompt wurde die Fahne an der Kirche gestohlen. Damit war die Sache aber nicht beendet: „Ich bekam Anrufe, zum Teil auch anonyme Anrufe. Da war es für mich vorbei. Was 2000 Jahre gut war, dass kann nicht auf einmal schlecht sein, wurde mir gesagt. Ich würde dem Papst nicht gehorchen, hieß es zum Beispiel.“

Pfarrer: Gemeinde ist pluraler

Die Gemeinde habe sich stark verändert, beobachtet Angelika Haude – und die Kirchgänger auch: Sie stellt mehr konservative und traditionelle Katholiken fest, die zum Beispiel die Mundkommunion wünschen. Haude sagt: „Von der früheren Lebendigkeit, Offenheit und Zukunftsorientiertheit ist nicht mehr viel übrig geblieben.“ Im November stehen turnusmäßig Neuwahlen zum Pfarrgemeinderat an – einfacher wird eine Neubesetzung durch die Ereignisse nicht.

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Pfarrer Michael Schmitt, Leiter des Pastoralen Raumes Meschede-Bestwig, bedauert die Rücktritte im Pfarrgemeinderat von Mariä Himmelfahrt. „Diffamierende Anrufe gehen gar nicht“, sagt er: „Wo leben wir denn eigentlich?“

Direkt neben der Kirche hängt in Meschede weiterhin eine Regenbogenfahne - an einem Privatgrundstück.
Direkt neben der Kirche hängt in Meschede weiterhin eine Regenbogenfahne - an einem Privatgrundstück. © Jürgen Kortmann

Richtig ist, sagt er, es gebe auch traditionelle, sehr fromme Katholiken in Meschede – 60 bis 70 treffen sich zum Beispiel regelmäßig im Gemeinsamen Kirchenzentrum. Auf der anderen Seite gebe es Pfarrgemeinderatsmitglieder, die sich als sehr progressiv verstünden. „Deshalb muss ich mir immer die Frage stellen: Wer ist die Gemeinde heutzutage? Die Gemeinde ist eben pluraler, als es auf den ersten Eindruck erscheint. Das ist kein monolithischer Block.“ Nach dem Lockern der Corona-Regeln bei den Gottesdiensten seien konservative Christen auch als erste wieder in den Messen gewesen: „Sie sind sichtbarer geworden.“

„So viel Toleranz muss sein“

In Mariä Himmelfahrt lehnte es der Kirchenvorstand ab, dass die Regenbogenfahne am Kirchturm gehisst wurde: „Das hätte am Kirchturm dann sofort wie eine offizielle Aussage der Kirchengemeinde gewirkt“, so Vorsitzender Werner Wolff – darüber hätte aber erst einmal eine Diskussion geführt werden müssen, ob das alle Gemeindemitglieder unterstützen würden.

Als Kompromiss und als Zeichen einer Meinungsäußerung wurde die Fahne dann vor der Kirche hochgezogen – noch am Abend hatte Pfarrer Schmitt dann schon eine erste Beschwerde am Telefon darüber bekommen: „Das ist eben umstritten.“ Schmitt bedauert ausdrücklich, dass die Fahne dann auch noch gestohlen wurde: „Ich hätte sie hängen lassen. Unabhängig davon, wie man inhaltlich dazu steht: So viel Toleranz muss sein.“

>>>HINTERGRUND<<<

Toleranz hätte Pfarrer Michael Schmitt auch angesichts des Satzes „Liebe ist keine Sünde“ gezeigt, der in der Osternacht von jungen Frauen vor die Kirchentür von St. Walburga gemalt wurde, sagt er: „Ich hätte ihn nicht entfernt.“

Weggewischt worden war er stattdessen, wie berichtet, von seinem Vikar. Schmitt sagt: „Ich hatte nichts davon gewusst. Das geschah nicht auf meine Anordnung hin.“

Gewünscht hätte sich Schmitt bei dieser Kreide-Aktion auch einen österlichen Bezug, wenn dort einfach dabei geschrieben worden wäre, „Frohe Ostern!“