Meschede. Wer hat die Massenschlägerei in Meschede ausgelöst? Waren es Kurden? Oder Türken? Im Prozess wird jetzt eine neue Geschichte erzählt.

Wie hat sich die Massenschlägerei an der Briloner Straße abgespielt? Das Geschehen an der Aral-Tankstelle versucht das Schöffengericht Meschede aufzuklären. Bei der heftigen Auseinandersetzung sind im Juli 2017 mehrere Menschen schwer verletzt worden.

Wie berichtet, spielt sich die Auseinandersetzung zwischen Kurden und Türken aus dem Raum Meschede ab. Beim Prozess sitzen drei kurdische Türken, alles Brüder, und zwei kurdische Syrer auf der Anklagebank. Beschuldigt werden sie von Türken. Jetzt aber kehren die Angeklagten die Anschuldigungen um: Sie werfen den Türken vor, alles ausgelöst zu haben.

Vorspiel schon in Dortmunder Disco

War es ein verabredetes Treffen, um sich zu prügeln? Belege dafür gibt es bisher nicht. Ein Vorspiel hatte die Massenschlägerei Stunden zuvor in der Dortmunder Disco „Rush Hour“. Dort treffen sich zufällig die Mescheder Kurden und Türken. Bislang heißt es: Ein 33-jähriger Kurde soll einem 27-jährigen Türken dort plötzlich ein Glas übergezogen haben. Jetzt sagt der Kurde aber aus: Der 27-Jährige habe sofort beleidigt, dann sei der 33-Jährige aus der Gruppe heraus geschlagen worden. Diesen 27-Jährigen wiederum beschuldigen die Kurden, sie in Meschede nach einer Demonstration als Teilnehmer an das türkische Konsulat verraten zu haben; der Mann soll auch rechtsradikal sein.

Auch interessant

Der 33 Jahre alte Kurde erlitt in der Disco eine Schulterverletzung. Die wollte er sich im Krankenhaus behandeln lassen, eigentlich in Arnsberg oder Neheim. Weil sein Cousin in Meschede wohnt, habe der ihn gebeten, sich doch dort auch behandeln zu lassen – und weil er auf dem Weg dorthin schnell Brötchen und Zigaretten holen wollte, fuhr er nicht direkt ins St.-Walburga-Krankenhaus, sondern wählte den Umweg über die Aral-Tankstelle, um sich noch einzudecken.

Angriff mit Stöcken und Gürteln

Das Verhängnis nahm so seinen Lauf. Denn an der Tankstelle seien die Türken gewesen, auch die aus der Dortmunder Disco. „20 Mann von denen, locker“, so der 33-Jährige. Sie wären sofort auf die ankommenden Kurden losgegangen: „Ich hörte nur auf Türkisch: Holt eure Stöcke! Die haben uns dann mit Gürteln, Stöcken und Schlagringen angegriffen.“ Die Kurden, zahlenmäßig unterlegen, hätten plötzlich Hilfe von marokkanischen Flüchtlingen bekommen – die zufällig auch an der Tankstelle gewesen seien, „die kifften dort“. Ein zweites Auto, auch mit Kurden besetzt, kam hinzu. Jetzt kämpfte jeder gegen jeden: „Die haben uns angegriffen, wir haben uns gewehrt. Hätte ich mich nicht gewehrt, wäre mein Bruder tot.“

Der Kurde sagt mit Blick auf die Nebenkläger: „Niemand ist hier unschuldig.“ So habe ein 32 Jahre alter Türke, der vor Gericht aussagte, nach der Schlägerei heute noch an Panikattacken zu leiden, an der Tankstelle im Vorbeigehen zum Beispiel einem Kurden einen Tritt versetzt. Dr. Sebastian Siepe, Vorsitzender Richter des Schöffengerichts, sagt: „Da steht ein großer tiefgreifender Konflikt dahinter.“

Jetzt werden Entlastungszeugen gesucht, die die Kurden nun erwähnen. Warum man die nicht schon viel früher benannt habe, will Oberstaatsanwalt Thomas Poggel als Vertreter der Anklage wissen. Der 33-Jährige erklärt, darunter wären Flüchtlinge gewesen, die eben nichts mit den deutschen Behörden zu tun haben wollten. Auch die Marokkaner sollen jetzt über die Ausländerbehörde ausfindig gemacht werden. Auch sie hätten schwere Verletzungen davongetragen, sagt der 33-Jährige, der sie danach am Mescheder Bahnhof besucht haben will: Sie hätten ebenfalls Angst vor den deutschen Behörden und vorm Krankenhaus gehabt.