Meschede. Ein brutales Fußballspiel hat ein Nachspiel: Es ist Auslöser für eine Massenschlägerei zwischen Kurden und Türken in Meschede.

Ein Like bei Facebook soll die Ursache dafür gewesen sein, dass sich am Ende eine Massenschlägerei an der Briloner Straße abspielte. Hintergrund war der 2017 in Meschede immer wieder eskalierende Konflikt zwischen Kurden und Türken.

Polizei beobachtet den Prozess

Jetzt soll die brutale Auseinandersetzung an der Aral-Tankstelle Anfang Juli 2017 juristisch aufgearbeitet werden. Das Amtsgericht zog, wegen der Größe des Prozesses und zur Einhaltung der Corona-Regeln, dafür eigens in die St.-Georgs-Schützenhalle um.

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Strenge Sicherheitsmaßnahmen herrschen bei dem Prozess in der Schützenhalle in Meschede. Auch die Polizei verfolgt das Verfahren.
Strenge Sicherheitsmaßnahmen herrschen bei dem Prozess in der Schützenhalle in Meschede. Auch die Polizei verfolgt das Verfahren. © Jürgen Kortmann

Polizei beobachtete den Prozess, mehrere Justiz-Wachtmeister sicherten die Halle. 20 bis 30 Männer sollen in die Schlägerei verwickelt gewesen sein. Fünf von ihnen sind jetzt wegen gefährlicher Körperverletzung, gemeinschaftlich begangen, vor dem Schöffengericht angeklagt.

Auf der Anklagebank sitzt in diesem Prozess die kurdische Seite: Drei türkische Kurden – sie sind Brüder (30, 33, 39 Jahre) aus Neheim und Olsberg – sowie zwei syrische Kurden (29, 31 Jahre) aus Hüsten und Kaarst am Niederrhein. Opfer und Nebenkläger für Schmerzensgeld sind acht Männer – Türken und ein Portugiese.

Auslöser: ein Fußballspiel

Auslöser ist jenes Skandal-Fußballspiel mit Schlägerei und Spielabbruch im Februar 2017, als die kurdische Mannschaft von Mezopotamya Meschede beim TSC Bigge-Olsberg antritt. Dabei verletzt unter anderem ein Spieler der kurdischen Mannschaft einen Gegenspieler mit einem Kampfsporttritt – ein Video davon kursiert danach in der Szene. Unsere Zeitung berichtete damals darüber – den Facebook-Artikel dazu wiederum versieht ein Mescheder Türke mit einem erhobenen Daumen, der Like eben. Einer der Kurden-Brüder warnt den 27-Jährigen, dass er das unterlassen sollte – mache er das noch einmal, „lernst du mich kennen“. „Ich kann doch liken, was ich will“, sagt der 27-Jährige vor Gericht. Durch das Like entsteht böses Blut.

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Im April soll einer der Brüder dem 27-Jährigen in der Dortmunder Disco „Rush Hour“ eine Wasserflasche über den Kopf gezogen haben - einfach so und ruft: „Was glaubst du, wer du bist mit deiner Sippschaft?“ Vor der Schlägerei treffen Brüder und der 27-Jährige wieder in der „Rush Hour“ aufeinander – jetzt zieht ihm ein anderer Bruder ein Glas über den Kopf.

Es wird brutal, berichtet ein Zeuge

Das war nur der Auftakt. Der Türke fährt mit seinen Freunden zurück nach Meschede. Nebenan in der Schützenhalle ist der Abiball des Benediktiner-Gymnasiums, an der Tankstelle selber steht die Gruppe der Türken zusammen – man trifft sich dort spät, um noch etwas zu trinken und zu essen zu kaufen. Und dort entlädt sich nun der heftige Streit. Da fahren von links das Auto mit den fünf Angeklagten und von rechts ein anderes Auto vor.

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Bilder existieren nicht: Die Videokamera an der Tankstelle ist defekt. Es wird richtig brutal, schildert der Mitarbeiter der Tankstelle (51): „Wie soll ich es beschreiben? Der eine haut, der andere tritt, der andere schmeißt etwas, einer versteckt sich. Es war eine Massenschlägerei.“ Die kurdische Seite greift vor allem mit Kanthölzern als Knüppel an, so die Vorwürfe von Oberstaatsanwalt Thomas Poggel. Koordiniert worden sei der Angriff, so Poggel, von dem ältesten der Brüder.

Obwohl inzwischen fast vier Jahre seitdem vergangen sind, glauben sich die Zeugen der Opferseite an viele Einzelheiten noch zu erinnern – sie beschuldigen alle übereinstimmend die fünf Angeklagten. Die Angeklagten äußern sich nicht am ersten Verhandlungstag.

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Einer der Syrer soll laut gelacht haben, als er zuschlägt – schildert ein Portugiese, der zufällig zum Opfer an der Tankstelle wird. Der 34-Jährige kommt aus dem Kino, kennt die Türken, redet kurz mit ihnen – und ist damit zur falschen Zeit am falschen Ort. Er wird mit einem Gürtel gepeitscht, sagt er aus. „Es ist sofort geschlagen worden“, berichtet er, als die Männer aus ihren Autos stürmen.

Als die Polizei kommt, flüchten die Angreifer. Der 27-jährige Türke wird blutüberströmt ins Krankenhaus eingeliefert. Er kommt auf die Intensivstation.

>>>HINTERGRUND<<<

Die Angeklagten befürchten Absprachen zwischen Zuschauern in der Schützenhalle, die den Prozess verfolgen und häufig auf ihrem Handy tippen und auffallend oft die Schützenhalle zwischendurch verlassen. Denn draußen warten die Belastungszeugen.

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Der Verdacht der Angeklagten: Sie würden über das informiert, was im Prozess gesagt wird – und so auf ihre Aussagen vorbereitet. Vorsitzender Richter Dr. Sebastian Siepe wird darauf hingewiesen. Unterbinden kann er es nicht: Der Prozess ist öffentlich.