Schmallenberg. Die Öffnung des Familotels von Daniela Tigges schlug hohe Wellen. Was passierte, wer teilnahm und wie das Schmallenberger Ordnungsamt bilanziert.

Es schlug bereits am Donnerstagnachmittag hohe Wellen, als Daniela Tigges, Inhaberin des Familotels Ebbinghof, und Sven Lembcke, Inhaber des Kickbox-Centers Lembcke in Bad Fredeburg, bekannt gaben: Wir öffnen am Freitag. Denn die geltende Corona-Schutzverordnung verbietet aktuell Übernachtungen zu privaten oder touristischen Zwecken. Und das Kickbox-Center falle unter den Bereich der Fitnessstudios, eine Öffnung sei daher auch nicht erlaubt, so Schmallenbergs Ordnungsamtsleiter Berthold Vogt am Donnerstag.

Bereits am Freitagmittag waren Gäste wie auch Kreispolizei und Ordnungsamt am Familotel eingetroffen. Tigges begrüßte die Gäste, darunter auch Familien mit Kindern. Viele Gäste hätten in den vergangenen Tagen aktiv nachgefragt, ob sie kommen dürfen, erklärte Tigges die Menge der Besucher. Unter den Familotel-Gästen auch ein Teilnehmer und Redner vergangener Anti-Corona-Demos in Süddeutschland sowie ein bekannter Pianist. Dieser intonierte am mitgebrachten Piano unter anderem „Freiheit“ von Marius Müller-Westernhagen und „Heal the world“ von Michael Jackson. Aufschrift auf dem Instrument: „Für Aufklärung, Frieden und Freiheit.“

Tigges spricht von 30 bis 40 Anmeldungen

Die Polizei des Hochsauerlandkreises war mit vereinten Kräften vor Ort.
Die Polizei des Hochsauerlandkreises war mit vereinten Kräften vor Ort. © Alexander Lange

Für die Mitarbeiter des Ordnungsamtes unter der Leitung von Berthold Vogt bestand die Aufgabe in erster Linie darin, die Gäste daraufhin zu kontrollieren, ob sie sich aus touristischen oder geschäftlichen Gründen, wie diese beteuerten, am und im Familotel aufhielten. Das untermauerte auch Tigges. Einige Geschäftsgäste seien mit Familie angereist. Etwa 30 bis 40 Gäste hätten sich angemeldet. Teils aus dem Sauerland, teils aber auch weit angereist aus dem Umland.

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Reaktionen, auch in den sozialen Netzwerken, würden zudem ihr Vorhaben unterstützen, entgegnete Tigges Kritikern: „Ich habe das Gefühl, das Volk steht dahinter.“ Für die Aktion hatte sie sich auch Rechtsbeistand geholt, wie sie am Freitag erklärte. Das Hotel habe nicht nur am Wochenende, sondern ab sofort und grundsätzlich geöffnet.

Ordnungsamtsleiter Vogt suchte das Gespräch zu Tigges und bat um Beweise und Unterlageneinsicht, dass sich tatsächlich alle Gäste aus rein geschäftlichen Gründen dort aufhielten. Die Kreispolizei war mit mehreren Einsatzfahrzeugen und Kräften in zweistelliger Zahl vor Ort und folgte damit der von der Stadt erbetenen Amts- und Vollzugshilfe. Auch einige Schaulustige versammelten sich am Gelände des Familotels. Einige äußerten Verständnis für die Situation von Tigges und der ganzen Hotelbranche, kritisierten aber das Ausmaß der Aktion in Form der Öffnung.

Kickbox-Center Lembcke

Auch Sven Lembcke öffnete am Freitagnachmittag sein Kickbox-Center in Bad Fredeburg.    
Auch Sven Lembcke öffnete am Freitagnachmittag sein Kickbox-Center in Bad Fredeburg.     © Alexander Lange

Gäste waren am Freitagmittag noch nicht im Kickbox-Center von Sven Lembcke in Bad Fredeburg. Denn auch er hatte sich - in Absprache mit Tigges - entschlossen, aufgrund der gesundheitlichen Lage seiner Schülerinnen und Schüler sowie der wirtschaftlichen Situation zu öffnen.

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Am Freitag habe Lembcke die Kinder aber gebeten, obwohl er öffne, nicht zu kommen. Er habe von einem ähnlichen Kampfsport-Center in Berlin gehört, wo das SEK den geöffneten Betrieb gestürmt habe. Das wolle er den Kindern nicht zumuten: „Aber ich sehe in der Aktion auch einen symbolischen Charakter.“

Gegen Abend war dann auch der Einsatz für Ordnungsamt und Polizei am Familotel vorerst beendet, wie Berthold Vogt mitteilte: „Wir haben die Personalien der Gäste festgestellt und die Beweggründe abgefragt.“ Etwa zehn Zimmer seien mit Übernachtungsgästen mit beruflichen Hintergründen belegt, eine genaue Gästeanzahl konnte am Freitagabend nicht genannt werden.

Kapitel für Tigges und Ordnungsamt noch nicht beendet

Damit ist das Kapitel für Ordnungsamt und Daniela Tigges aber noch nicht beendet. Vogt: „Frau Tigges ist verpflichtet, uns die entsprechenden Daten der Gäste zur Prüfung zu liefern.“ Dem werde das Ordnungsamt intensiv nachgehen und im Zweifelsfall Verstöße mit Bußgeldern ahnden. Unter den Gästen seien aber auch eindeutig „szenebekannte Gesichter“ gewesen, die schon bei anderen Aktionen und Protesten aufgetreten sind, wie Polizei und Ordnungsamt mitteilten.

Die Polizei begleitete das Ordnungsamt beim Einsatz am Familotel in Ebbinghof.
Die Polizei begleitete das Ordnungsamt beim Einsatz am Familotel in Ebbinghof. © Alexander Lange

Schon am Freitagvormittag folgte das heftige politische Echo auf die Aktion der beiden, insbesondere auf die Öffnung des Familotels. Friedrich Merz (CDU) distanzierte sich ausdrücklich von der Aktion der Schmallenberger Unternehmerin: „Die Geschichte ist illegal. Das ist ein Akt von Selbstjustiz, den wir in unserem Rechtsstaat unter keinen Umständen dulden können“, sagte der CDU-Politiker.

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Merz hatte vor zwei Wochen das Hotel besucht und dabei eine Öffnungsperspektive für Hoteliers und Gastronomen gefordert. Damals ging es um die allgemeine Lage der Hotelbranche. Nun sah sich Merz instrumentalisiert. Er forderte Tigges am Donnerstagabend und am Freitagmorgen in Telefonaten auf, ihre Öffnungsaktion zu stoppen.

Politiker und IHK mit Unverständnis

Dem schlossen sich später auch Dr. Peter Liese (CDU) und Dirk Wiese (SPD) an. Liese in einem Schreiben vom Freitagmorgen: „Ich glaube, in der jetzigen Phase der dritten Welle müssen wir uns unbedingt alle weiter an die Regeln halten, ob wir sie für sinnvoll halten oder nicht. Das sind wir den Menschen, die auf den Intensivstationen arbeiten und seit über einem Jahr extremen Belastungen ausgesetzt sind, schuldig. Und wir müssen weiterhin Leben und Gesundheit schützen.“ Auch Wiese sagte, dass sich jeder Bürger an das geltende Recht halten müsse. Er habe kein Verständnis für ein solches Vorgehen.

Auch die IHK, wo Tigges Vizepräsidentin ist, äußerte Kritik am Vorgehen. IHK-Hauptgeschäftsführerin Dr. Ilona Lange: „Wir haben großes Verständnis für die außerordentlich schwierige Situation, in der sich die Freizeit- und Tourismuswirtschaft sowie der stationäre Einzelhandel seit Monaten befinden und uns mehrfach an die Politik auf Landes- und Bundesebene gewandt mit der Forderung, den besonders betroffenen Branchen Öffnungsperspektiven in Aussicht zu stellen. Wir distanzieren uns aber in aller Deutlichkeit von dem Handeln von Frau Tigges.“

Den detaillierten Verlauf der Aktion am Freitagnachmittag können Sie in unserem Ticker unter diesem Link nachlesen.