Meschede. Die dritte Corona-Welle: Im Klinikum Hochsauerland gibt es eine Therapie für schwere Fälle. Freie Betten bedeuten dabei nicht freie Kapazitäten.

Die dritte Corona-Welle ist auch im St.-Walburga-Krankenhaus in Meschede zu spüren. Besonders schwer kranke Patienten behandelt Chefarzt Dr. Daniel Gießmann mit einer speziellen Therapie. Dafür hat das Klinikum Hochsauerland aufgerüstet. Und der Sprecher der Geschäftsführung, Werner Kemper, erläutert, warum freie Intensivbetten nicht immer freie Kapazitäten bedeuten.

Dr. Daniel Gießmann, Chefarzt der Inneren Medizin /Kardiologie, am Klinikum Hochsauerland in Meschede.
Dr. Daniel Gießmann, Chefarzt der Inneren Medizin /Kardiologie, am Klinikum Hochsauerland in Meschede. © Archiv

Was wird helfen, um die Corona-Pandemie zu beenden?

Gießmann: Impfen, impfen, impfen! Das ist die einzige Strategie. Mir selbst hat es ein Gefühl von zusätzlicher Sicherheit gegeben, wenn ich Corona-Patienten behandele, seit ich geimpft bin. Wir stehen wieder einmal vor schwierigen Wochen. Wie schwierig sie werden, hängt auch davon ab, wie schnell Impfungen für alle zur Verfügung stehen.

Bereitet Ihnen die aktuelle dritte Welle große Sorgen?

Gießmann: Ja, und was wir feststellen: Die Corona-Patienten werden deutlich jünger, einige sind jünger als 50, manche sogar jünger als 40. Der Altersdurchschnitt sinkt. Zugleich haben wir häufiger schwerere Verläufe. Das war vorher anders, da waren vornehmlich Patienten im Alter ab 80 Jahren in stationärer Behandlung. Es ist möglich, dass die britische Corona-Variante die Ursache dafür ist.

Gleich zu Beginn der Pandemie haben Sie auf eine ECMO-Therapie für besonders schwer erkrankte Covid-Patienten gesetzt. Die Betroffenen werden nicht konventionell beatmet, stattdessen wird ihr Blut in einer Maschine mit Sauerstoff angereichert und zurück in den Körper gepumpt. Hat sich dieses Verfahren bewährt?

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Gießmann: Ja, sehr, wir haben die Kapazitäten inzwischen verdoppelt. Damals hatten wir zwei Geräte, heute sind es drei eigene und ein gemietetes. Seit Beginn der Corona-Pandemie haben wir 43 Patienten mit der ECMO-Therapie behandelt. In vielen Fällen ist es die letzte Möglichkeit.

Wie sind die Aussichten für die Betroffenen?

Gießmann: Leider nicht bei 100 Prozent, ich möchte noch einmal betonten, dass es sich um lebensbedrohlich erkrankte Patienten handelt, für die wir keine andere Möglichkeit mehr sehen. Mehr als die Hälfte von ihnen können wir retten und ich bin mit meinem Team sehr froh, wenn ich sehe, wie sie nach unserer Behandlung das Krankenhaus wieder verlassen können.

Die ECMO-Therapie ist im Klinikum Hochsauerland am Standort Meschede konzentriert, hätten Sie dort Bedarf für weitere Plätze?

Gießmann: Tatsächlich haben wir sogar auch Nachfragen von außerhalb des Hochsauerlandkreises, aber vier solcher Patienten gleichzeitig zu betreuen, das ist ein schon enormer Aufwand.

 Werner Kemper ist Sprecher der Geschäftsführung am Klinikum Hochsauerland.  
Werner Kemper ist Sprecher der Geschäftsführung am Klinikum Hochsauerland.   © Klinikum Hochsauerland

Was bedeutet das konkret?

Kemper: Schwersterkrankte Covid-Patienten die beatmet oder mittels ECMO-Therapie versorgt werden, befinden sich durchschnittlich 14 bis 16 Tage auf der Intensivstation. Außerhalb der Coronatherapie beträgt die Therapiedauer auf der Intensivstation durchschnittlich 2,1 bis bis 2,7 Tage. Es irritiert mich daher immer, wenn ich höre oder lese, wie viele freie Intensivbetten in Deutschland noch vorhanden sind. Die Anzahl der Intensivbetten ist ja nur ein Faktor der Formel.

Worauf kommt es an?

Kemper: Die entscheidende Herausforderung in der intensivmedizinischen Therapie von Covid-Patienten ist neben der Komplexität auch die Therapiedauer. Wenn an unseren vier ECMO-Plätzen Covid-Patienten versorgt werden, entspricht dies aufgrund der längeren Verweildauer einer Behandlungsdauer von durchschnittlich 26 Patienten mit regelhafter intensivmedizinischer Therapie. Hinzu kommt aufgrund der Dauer und Komplexität der Therapie eine extreme physische und psychische Belastung des Personals, das unter Vollschutz arbeiten muss, und das trotz dieser Belastung weiterhin extrem engagiert und motiviert ist. Dafür haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter meinen allergrößten Respekt.