Schmallenberg. Weil das Geld für zwei kranke Pferde fehlte, mussten diese eingeschläfert werden. Nun gibt es dank „Handicap Pferde im Glück“ neue Hoffnung.

Es geht ums Überleben. Nicht nur um das der Reitschule, sondern auch das Überleben der Pferde. Das macht Brita Hurtienne ungeschönt deutlich. Unter Tränen denkt sie noch an den Tag im vergangenen Herbst zurück, als sie zwei ihrer geliebten Pferde einschläfern musste. Sie waren alt und krank, hatten viele Jahre im Dienst der Rai Reitschule im Schmallenberger Lenninghof gestanden, brauchten Medikamente und extra zubereitetes Futter: „Das war wirtschaftlich nicht zu schaffen, ich musste sie einschläfern lassen.“

Auch interessant

Denn seit fünf Monaten steht der Betrieb der Reitschule mehr oder weniger still. Keine Reiturlaube, keine Kurse, keine Seminare. Einnahmen gibt es nur durch die eingestallten Pferde von Privatpersonen. Die Fixkosten decken die aber nicht im geringsten. Und weil das Geld fehlte, mussten die zwei Pferde Abu und Rossini eingeschläfert werden. Sie kosteten Geld, erwirtschafteten aber keines mehr: „So etwas musste ich in all den Jahren noch nie machen. Und ich will das auch nie wieder machen müssen. Bisher haben die Pferde hier immer ihren Lebensabend in Ruhe verbringen können.“

Aus der Not eine Tugend gemacht

Deshalb hat Hurtienne aus der Not eine Tugend gemacht. Nur über das Corona-Leid zu klagen, das sei sowieso nicht ihre Art. Sie ist eine Anpackerin. Im November gründete sie den gemeinnützigen Verein „Handicap Pferd im Glück“, im Dezember kam der positive Bescheid. „Handicap Pferd im Glück“ übernimmt die Pferde, die aus Altersgründen, aufgrund von Erkrankungen oder Handicaps nicht mehr am normalen Betrieb als Schulpferde teilnehmen können, „aber natürlich noch ein Recht auf Leben haben“, sagt Hurtienne. Arthrose, Senkrücken oder Schlafstörungen. Je älter sie werden, desto häufiger treten Krankheiten auf. Bei Menschen wie bei Pferden, sagt Hurtienne: „Die haben gute Arbeit als Schulpferde gemacht, werden jahrelang geritten. Dann gebe ich sie nicht einfach weg oder schläfere sie ein, nur weil sie nicht mehr so können wie früher.“

Erkrankungen wie Senkrücken erlauben keine Mitarbeit in der Reitschule. Trotzdem sollen die Pferde einen angemessenen Lebensabend haben, sagt Brita Hurtienne.
Erkrankungen wie Senkrücken erlauben keine Mitarbeit in der Reitschule. Trotzdem sollen die Pferde einen angemessenen Lebensabend haben, sagt Brita Hurtienne. © Alexander Lange

Insgesamt stehen in der Reitschule 26 Pferde. 300 bis 400 koste ein krankes Pferd im Monat. „Eine hohe Schlagzahl“, sagt Hurtienne. Und in der Corona-Pandemie mit nur geringen Einnahmen kaum stemmbar. Der Verein, der quasi als Gnadenhof für die Schulpferde dient, arbeite rein auf Spenden- und Fördergelderbasis. „Aber die bisherige Resonanz war überwältigend“, sagt Hurtienne. Die Dankbarkeit sei riesig. Freunde und Bekannte hätten gespendet, aber auch viele Familien, die vor Jahren zum Reiturlaub in Schmallenberg waren. Oder auch Kinder, die mit fünf oder sechs Jahren auf den Rücken der Pferde saßen, jetzt Mitte 20 seien, würde helfen: „Eine unglaubliche Resonanz.“

Und vom dem durch Spenden oder Patenschaften finanzierten Lebens-Glück wollen Hurtienne und Madeleine Richter als zweite Vorsitzende des Vereins etwas zurückgeben. Die alten Tiere hätten zwar Handicaps und Erkrankungen, können auch nicht mehr als Schulpferde dienen, sehrwohl aber als Therapiepferde: „Wir wollen zum Beispiel Alten und Behinderten die Möglichkeit geben, diese Tiere zu erleben. Sie können sie führen oder pflegen oder wir besuchen mit unseren Shetlandponys Altenheime.“

Pferde können Wunscherfüller werden

Die Pferde können Wunscherfüller sein, sagt Hurtienne. Auch für Familien und Kinder, die unter Krankheiten oder Schicksalsschlägen leiden: „Da kann ein Besuch oder ein Urlaub in der Reitschule wirklich gut tun.“ Und die Pferde? „Die haben da auch Freude dran. Die haben vielleicht Handicaps, sind im Kopf aber noch fit.“

Auch interessant

Das seien Ideen für die Zukunft, doch momentan gehe es in erster Linie darum, den Verein und die Reitschule durch die Corona-Krise zu bringen: „Die Brisanz der Lage ist klar. Ein Drittel aller Reitschulen wird Corona nicht überleben.“ Mira, Hexe und Shetan, die ersten drei Pferde, die quasi von der Reitschule in den Verein „Handicap Pferd im Glück“ umgestallt wurden, sind dem vorzeitigen Einschläfern entgangen. Hurtienne: „Momentan geht es uns in erster Linie um die eigenen Pferde. Irgendwann aber, dann können wir uns auch vorstellen, fremde alte Pferde aufzunehmen.“

Die Rai Raitschule in Schmallenberg

Brita Hurtienne bietet seit 21 Jahren Reitstunden in Schmallenberg an.

Dazu zählt auch pferdegestützte Intervention und Coaching sowie pädagogische Reitintervention in der Kinder-/Jugendhilfe und Erwachsenenbildung.

Infos über den Verein und Möglichkeiten zu spenden gibt es auf der Internetseite https://www.handicappferd-im-glueck.de/