Es gibt gute Gründe für und gegen das Gendern. Druckreif - die junge Seite der WP Meschede - hat sie zusammengestellt und zwei klare Meinungen.
Gendern ist derzeit ein heiß diskutiertes Thema in allen Bereichen unserer Gesellschaft. Doch was bedeutet eigentlich geschlechterneutrale Sprache und ist es wichtig, sie zu benutzen? Druckreif stellt zwei unterschiedliche Positionen vor.
Der Maurer, der Professor, der Arzt. All diese Berufsbezeichnungen haben eins gemeinsam: Auf sprachlicher Ebene drücken sie lediglich die maskuline Form aus und suggerieren damit, dass diese Berufe nur von Männern ausgeübt werden.
Wie wird gegendert?
Um dies zu verhindern, gibt es verschiedene Möglichkeiten, sich geschlechterneutral auszudrücken: In der geschriebenen Sprache können beispielsweise ein Unterstrich, ein Sternchen, ein Binnen-I oder ein Doppelpunkt verwendet werden (zum Beispiel Schüler_in, Handwerker*in, BusfahrerIn oder Erzieher:in). In der gesprochenen Sprache wird im Gespräch oft eine kurze Pause an der entsprechenden Stelle gemacht (zum Beispiel Lehrer Pause in). Das nennt man den Glotisschlag.
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Zusätzlich gibt es geschlechterneutrale Bezeichnungen wie Studierende, Zuhörende oder Teilnehmende. Mit all diesen unterschiedlichen Formen wird demonstriert, dass es nicht nur um die Unterscheidung zwischen Frauen und Männern geht, sondern dass auch alle anderen Geschlechter mitgedacht werden.
Denn neben der klassischen Unterteilung in Mann und Frau gibt es viele weitere Geschlechter, die ‚dazwischen‘ liegen: Diese Menschen bezeichnen sich beispielsweise als nicht-binär oder genderqueer, wenn sie bekunden möchten, dass sie sich weder der männlichen noch der weiblichen Geschlechteridentität zuordnen. Einige Menschen betrachten die Verwendung geschlechterneutraler Sprache kritisch oder verpönen sie gar. Eine Umstellung ist es allemal, jedoch sollte allen bewusst sein, dass Ungleichheiten und Machtstrukturen in unserer Gesellschaft unter anderem auch durch Sprache vermittelt und verstärkt werden. Um also das Ziel der Gleichberechtigung aller zu erreichen, ist ein Umdenken nötig. Also warum nicht bei der Sprache beginnen?
PRO Gendern
von Inga Tolksdorf
In einem Raum befinden sich 99 Schülerinnen. Ein Schüler kommt dazu. Nun sind es laut Grammatik 100 Schüler. Dass das nicht ganz gerecht ist, bemerken in der letzten Zeit immer mehr Menschen. Denn: Sprache schafft Bewusstsein. Das generische Maskulinum ist längst überfällig. Unsere Sprache entstand in einer Zeit, in der hauptsächlich Männer was zu sagen hatten und Frauen nicht einmal wählen durften. Heute sind wir vor dem Gesetz alle gleich. Warum also nicht auch im Sprachgebrauch?
Frauen, nicht-binäre und trans- Menschen – sie alle gehen im generischen Maskulinum unter. Mit Chancengleichheit hat das nichts zu tun. Für manche mag es überflüssig sein gendergerechte Sprache zu verwenden, doch bei Ingenieur:innen, Bauarbeiter*innen oder Studierenden fühlt sich ein größerer Teil der Bevölkerung angesprochen. Das zeigt auch eine psychologische Studie der FU Berlin, bei der sich Kinder Berufe eher zutrauten, wenn sie geschlechtsneutral vorgestellt wurden. Sprache ist Gewöhnungssache.
Für mich sind die Veränderungen durch die Rechtschreibreform von 2006 Normalität, weil ich es nicht anders kenne. Wer häufiger geschlechtsneutrale Texte liest, stolpert auch nicht mehr über Doppelpunkt oder Gendersternchen. Für Kinder geht das noch leichter.
Sprache verändert sich: Wenn wir Wörter wie „Inzidenz“, „Lockdown“ und „Kuschelkontakt“ in unseren Wortschatz integrieren können, schaffen wir das auch mit einem kleinen Stern. Deutschlandfunk, Spiegel, Süddeutsche, Anne Will und Claus Kleber; sie machen es vor. Es gibt momentan noch kein einheitliches Regelwerk. Doch gerade das, sollte nicht verunsichern. Ein Auseinandersetzen mit der Sprache und ihrer Wirkung ist in allen Fällen förderlich.
Noch zum Schluss: Es geht bei der Debatte nicht darum Männer einzuschränken. Sexismus ist geschlechterübergreifend. Auch Männer haben eher einen Anreiz Krankenpfleger zu werden, wenn nicht nach einer Krankenschwester gefragt wird. Das ist dann aber wieder etwas anderes, heißt es häufig bei der Gegenseite. Klar.
CONTRA Gendern
von Eric Steinberg
Arzt:in, Ärzt:in oder doch „Mensch, der Kranke behandelt“? Muss es nicht konsequenterweise auch Mensch:in heißen? Herzlich Willkommen im undurchdringbaren Dschungel der gendergerechten Sprache. Hier zu stolpern ist leicht.
Nicht nur Fallstricke wie die korrekte Schreibweise des Wortes Arzt sorgen dafür, dass sich die Deutschen laut einer Umfrage der „Welt am Sonntag“ mehrheitlich gegen die Umgestaltung stellen. Männer wie auch Frauen.
Die Gründe dafür sind vielfältig. Ebenso wie unsere über Jahrhunderte entstandene Sprache. In dieser Zeit hat sie viele Veränderungen erlebt. Worte sind aufgetaucht und anschließend wieder verschwunden. In jedem Fall war das gemeine Volk selbst für die Abwandlung des Deutschen verantwortlich. Seitdem es sich linke, elitäre Kreise zur Aufgabe gemacht haben, angebliche sprachliche Diskriminierung auszumerzen, hat sich das geändert. Gendersprache ist daher eine ideologische Anmaßung von oben nach unten, ein geschichtliches Novum.
Was für Jurastudenten beziehungsweise Student:innen nach unzumutbarer Quälerei klingt, verbreitet sich aktuell wie ein Lauffeuer in der Medienwelt. Nicht allzu selten erwische ich mich dabei, Textpassagen noch einmal lesen zu müssen. Schuld daran sind Doppelpunkt, Binnen-I oder das Sternchen. Auch die Tatsache, dass Gendersprache Texte unnötig aufbläht und wichtige Informationen aufgrund von Zeichenvorgaben gestrichen werden, scheint unter dem heiligen Ziel der vermeintlichen Gleichberechtigung kein Problem zu sein.
Alles und jeder hat sich dem Ziel der Sprachgerechtigkeit unterzuordnen. Ob das zielführend ist und von der Mehrheit der Gesellschaft mitgetragen wird, wage ich zu bezweifeln. Brücken bauen, Minderheiten einbinden und als Gesellschaft zusammenwachsen: Das sind Aufgaben, mit denen wir uns in den nächsten Jahren und Jahrzehnten auseinandersetzen müssen. Sie werden nicht mit der willkürlichen Umgestaltung unserer Sprache zu bewältigen sein. Im Gegenteil. Sie treibt einen weiteren Keil in unsere Gesellschaft.