Ostwig. Weinende Kunden und Vorfreude auf das Ende der Zwangsschließung: Was eine Friseurin aus Ostwig zuletzt alles erlebt hat.

Im Moment ist Elvira Jakob vor allem eines: Glücklich, dass sie endlich ihren Friseursalon wieder öffnen darf. Glücklich, dass es endlich weitergeht. Und das sind ihre Kunden auch. Bundeskanzlerin Angela Merkel war am 10. Februar beim Nachrichtensender n-tv noch nicht von der Bildfläche verschwunden, da klingelte bei der Ostwiger Friseurmeisterin schon zum ersten Mal das Telefon. Keine 15 Minuten, nachdem klar war, dass Friseure am 1. März wieder öffnen dürfen, war der erste Termin vergeben.

Kaum noch Lücken im Terminbuch

Inzwischen gibt es für die ersten zwei Wochen nach dem 1. März kaum noch Lücken im Terminbuch des Salons „schnitt & more“ am Schulzentrum. „Das werden harte Zeiten für uns“ sagt Elvira Jakob, lacht und schaut zu ihrer Angestellten Stefanie Homp. Harte Zeiten, nach denen sich die beiden gesehnt haben. Denn sie sind gewiss nicht so hart wie der Anblick der leeren Sessel in den vergangenen Wochen.

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Die Anfragen, ob sie während des Lockdowns nicht auch schwarz die Haare schneiden würde, hat Elvira Jakob irgendwann aufgehört zu zählen. „Das war schon krass“, sagt sie. Für sie kam das nie in Frage. Obwohl: Einmal da wäre sie fast schwach geworden. Da hatte sie eine ältere Dame am Telefon, die geweint hat. Man dürfe nie vergessen, dass es alte Menschen gebe, die selbst nicht in der Lage sind, sich zu frisieren oder die Haare zu waschen.

„Dieser weinenden Frau nicht helfen zu dürfen, war für mich fast schon unterlassene Hilfeleistung“, sagt die Friseurmeisterin. Ja, selbstverständlich gehe es bei Friseuren darum, Kunden hübsch zu machen. Wer in Frage stellt, ob das in diesen Zeiten wirklich sein muss, bekommt von Elvira Jakob und Stefanie Homp eine klare Antwort: Ja.

Hilflosigkeit bei Senioren

Denn zum einen gebe es eben jene Menschen, die sich selbst nicht helfen können. Es gebe solche, für die der Friseurbesuch ein Erlebnis und der Höhepunkt der Woche sei. „Und zum anderen macht es ja auch etwas mit den Menschen, wenn sie beim Blick in den Spiegel mit sich zufrieden sind“, sagt Elvira Jakob. Gerade in der jetzigen Zeit, in denen der Lockdown sowieso alle psychisch runterziehe. „Und dann kommt noch dabei, dass viele Leute nicht nur im Spiegel, sondern aktuell auch bei Videokonferenzen stundenlang ihren eigenen Anblick ertragen müssen.“

Und jetzt sei langsam ja auch die Mützensaison vorbei, ergänzt Stefanie Homp und lacht. Im Prinzip sei die Öffnung der Friseure wie eine Kugel Eis, die man den Menschen in dieser schwierigen Zeit anbiete, habe sie zuletzt irgendwo gelesen, sagt Elvira Jakob. „Und das trifft es ziemlich genau“, fügt sie hinzu. Und wer kein Eis mag, der muss es ja nicht essen.

Noch sind die Stühle leer. Friseurgesellin Stefanie Homp freut in der kommenden Woche wieder auf zahlreiche misslungene Selbstversuche ihrer Kunden.
Noch sind die Stühle leer. Friseurgesellin Stefanie Homp freut in der kommenden Woche wieder auf zahlreiche misslungene Selbstversuche ihrer Kunden. © Frank Selter

Was Elvira Jakob und Stefanie Homp bei aller Freude gleichermaßen ärgert, sind Menschen, die jetzt zum Boykott der Friseure aufrufen. „Im ersten Lockdown war die Solidarität schon größer“, hat die Friseurmeisterin festgestellt. Dabei könne sie sich über die Solidarität ihrer Kunden allerdings nicht beschweren. „Die sind wirklich süß“ sagt sie.

Das fange bei einem Kunden an, der seinen wegen des Lockdowns abgesagten Haarschnitt trotzdem bezahlt habe, gehe über solche, die beim Termin vor lauter Glück mit einer Flasche Sekt in den Salon kommen, und ende bei den zahlreichen Kundinnen, die mit Farbe in den Haaren auf der Terrasse warten, damit in der Zwischenzeit auf dem Friseursessel der nächste Kunden an die Reihe kommen kann.

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„Wir haben hier im ersten Lockdown und in der Zeit danach wirklich die tollsten Sachen erlebt“, erinnert sich Elvira Jakob. Und ebenso wie Stefanie Homp geht sie davon aus, dass es ab dem 1. März nicht anders sein wird. „Dann werden wir hier auch wieder die lustigsten Selbstversuche zu sehen bekommen“, sagt Stefanie Homp und lacht.

Vorbereitung auf stressige Tage

Aktuell laufen die Vorbereitungen für die stressigen Tage nach dem 1. März: Farbe, Shampoo, Einweghandschuhe, Einwegumhänge, Desinfektionsmittel für Hände und Flächen sind bestellt. Die Kontaktverfolgungsbögen müssen noch gedruckt werden. Und die ehemalige Angestellte ist auch bereits engagiert: Sie wird sich nach der Öffnung ums Telefon kümmern - damit sich Elvira Jakob und Stefanie Homp voll und ganz darum kümmern können, wofür ihre Kunden sie so lieben: Sie endlich wieder hübsch zu machen und ihnen in Corona-Zeiten einen Lichtblick zu geben.

  • Elvira Jakob betreibt den Friseursalon „schnitt & more“ inzwischen seit 18 Jahren. Friseurmeisterin ist sie bereits seit 2002. Stefanie Homp ist seit 1994 Friseurgesellin.
  • Untätig waren die beiden während des Lockdowns keineswegs: Sie haben die Zeit für Online-Fortbildungen genutzt.
  • Für die erste Zeit nach dem Lockdown hat der Salon seine Öffnungszeiten über den Haufen geworfen. Open End ist angesagt - damit auch Berufstätige noch die Chance auf einen Termin haben. Aktuell steht der späteste Termin für 20.30 Uhr im Kalender.