Grafschaft. In dem Fachkrankenhaus werden Corona-Patienten anderweitig beatmet. Das sorgt für großes Aufsehen aber auch Kritik. Was dahinter steckt.

Die Methode ist umstritten und nicht frei von Kritik. „Aber sie ist erfolgreich“, sagt Dr. Dominic Dellweg, Chefarzt der Pneumologie und Intensivmedizin am Fachkrankenhaus Kloster Grafschaft. Denn das Fachkrankenhaus geht einen anderen Weg bei der Behandlung von Corona-Patienten, wie nun in einer Studie öffentlich wurde (ERJ Open Research). Verfasser der Studie sind Dellweg und der Schmallenberger Prof. Dieter Köhler sowie Dr. Thomas Voshaar und Dr. Patrick Sais von der Lungenklinik des Bethanien-Krankenhauses in Moers.

Es geht um die Beatmungsmethoden von Corona-Patienten, um Langzeitschäden und Sterblichkeitsraten. Mit dem Ausbruch der Pandemie hatte man im Fachkrankenhaus, wie überall anders auf der Welt, natürlich keinerlei Therapieerfahrungen mit dem Sars-CoV-2-Virus. Man habe sich zusammengesetzt und ein Behandlungskonzept entworfen mit der Prämisse, in erster Linie keinen Schaden beim Patienten anzurichten, so Dellweg. Medikamente und Methoden, deren Wirksamkeit gegenüber dem Corona-Virus unbekannt waren, wurden von Beginn an nicht angerührt.

50 Prozent aller intubierter Patienten sterben

15 Prozent aller Corona-Patienten benötigen eine stationäre Behandlung - in der Regel dann, wenn es zu einer Lungenbeteiligung kommt. Doch Beatmung ist nicht gleich Beatmung. Etwa 50 Prozent aller intubierter/invasiv-beatmeter Patienten - ein Schlauch wird während einer Narkose durch den Mund und den Kehlkopf in die Lunge gelegt und beatmet per Überdruck - sterben trotz Behandlung. „Nicht verwunderlich“, sagt Dellweg.

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Denn die Belastung für Lunge und Körper sei bei dem invasiven Weg immens, zudem zerstöre zu viel Sauerstoff die Lunge: „Wenn ich einer Maus zehn Tage lang reinen Sauerstoff gebe, stirbt sie, diese Erkenntnis hatte man bereits im 19. Jahrhundert. Die toxische Wirkung von zu viel Sauerstoff ist aber auch beim Menschen nachgewiesen.“

Daher habe man im Fachkrankenhaus umgedacht und versucht, die Funktion der Lunge vielmehr zu unterstützen, statt deren Arbeit komplett zu übernehmen. Sprich: Nicht-invasiv zu beatmen. Das geschieht in Form einer Maske, wie man sie beispielsweise von Schnarch-Patienten kennt, statt des Schlauches in der Lunge: „Was einfach klingt, braucht aber viel Erfahrung, technisches Verständnis und die entsprechenden Geräte.“

Weg über die Maske

So versuche man die Covid-Patienten im Fachkrankenhaus zuerst über die Maske zu beatmen. Reiche das nicht, werde aber intubiert. In einem ausführlichen Behandlungsprotokoll wurde niedergeschrieben, wann welche Beatmungsmethode - nicht-invasiv oder invasiv - zum Zuge kommen soll. Die Daten der ersten Corona-Welle des Fachkrankenhauses wurden gemeinsam mit denen der Moerser Bethanien-Lungenklinik ausgewertet. Durch dosierte Sauerstoffgabe und die nicht-invasive Beatmung konnte in fast allen Fällen eine Intubation und invasive Beatmung verhindert werden. So lag die Krankenhaussterblichkeit in den beiden Kliniken bei 7,7 Prozent.

Das sei sensationell, denn die deutschlandweite Sterblichkeit hospitalisierter Coronapatienten ist mit 22 Prozent fast dreimal so hoch. „Eine Beatmung bedeutet für den Körper unheimlichen Stress“, so Dellweg: „Beim invasiven Beatmen wird zudem der eigene Atemantrieb deutlich reduziert, beim nicht-invasiven Beatmen hat die Lunge wesentlich geringere Folgeschäden.“

Maßnahme erntet Kritik

Doch frei von Kritik ist die Methode nicht, weiß Dellweg: „Gerade am Anfang der Pandemie war die Sorge groß, insbesondere in China.“ Es bestand die Befürchtung, das Virus könne bei der nicht-invasiven Beatmung weiterhin durch den beatmeten Patienten „verteilt/ausgeatmet“ werden, was bei der invasiven Variante nicht passiere: „Im Nachhinein stimmt das nicht, dem kann man vorbeugen.“

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Zudem habe die nicht-invasive Beatmung bei den klassischen Formen des Lungenversagens weniger gut gewirkt. Covid 19 ist aber eine neue Erkrankung, bei der die Lunge im Gegensatz zu anderen Formen des Lungenversagens sehr lange weich und flexibel bleibt. Deshalb funktioniert die Maskenbeatmung hier gut. Das neue Protokoll in Grafschaft orientiert sich so zum Beispiel nicht alleine an der Sauerstoffsättigung, sondern an der wirklichen Menge an Sauerstoff, die der Patient im Körper zur Verfügung hat. Durch die Nutzung solch sinnvoller Parameter kann die Therapie intelligenter gesteuert werden – zum Wohl der Patienten.

Sechs Corona-Patienten im Fachkrankenhaus

Aktuell werden im Fachkrankenhaus Kloster Grafschaft sechs Corona-Patienten behandelt, drei davon werden auf der Intensivstation beatmet.

Im Fachkrankenhaus gilt aufgrund der Infektionslage ein generelles Besuchsverbot.

In begründeten Einzelfällen sind Ausnahmen nach vorheriger Vereinbarung mit dem ärztlichen Dienst möglich.

Kleidung oder Gegenstände für Angehörige können an der Telefonzentrale abgegeben werden.

Begleitpersonen sind bei ambulanten und stationären Patienten nur bei der Begleitung Minderjähriger oder medizinischer Notwendigkeit erlaubt.