Eversberg/Meschede. Drei Monate dürfen Antonia Hengesbach und Eva Szinglober schon nicht mehr arbeiten. Das sagen die beiden Frauen zu ihrer Corona-Situation.

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Während Gastronomen noch To-Go-Angebote machen können und sich Einzelhändler teilweise über Online-Shopping behelfen, befinden sich andere Berufsgruppen quasi im Komplett-Berufsverbot. Paartanzen im eigenen Wohnzimmer scheitert in der Regel schon am Platz. In der Kosmetikbranche ist nur noch medizinische Fußpflege erlaubt. Wir lassen zwei der Betroffenen zu Wort kommen.

Antonia Hengesbach, Tanzlehrerin aus Everberg

Antonia Hengesbach und Marcel Rettler.
Antonia Hengesbach und Marcel Rettler. © Unbekannt | privat

„Diesmal bin ich schon gefasster. Beim ersten Mal, konnte ich es anfangs einfach nicht glauben. Da verhängt man einfach ein Berufsverbot! Die ganze Situation ist so bitter! Vor fünf Jahren habe ich meine Tanzschule „Tanzgefühl“ gegründet. Seitdem bin ich also Solo-Selbstständige. Ich gebe Standard-Tanzkurse für Paare in Markes Haus, mache aber auch Zumba-Angebote bei Sportvereinen oder leite Tanzkurse ab Kindergartenalter. Auch das Angebot für die Abschlussjahrgänge in den Schulen oder Tanzstunden für Brautpaare und ihre Freundeskreise lief 2019 richtig gut.

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Der Lockdown im Frühjahr kam so überraschend, dass ich mich nicht mal verabschieden konnte. Im Mai ging es dann vorsichtig wieder los, mit Desinfektionsmittel und unter Abstand. Die Standard-Paare mussten beispielsweise in eigenen, eingezeichneten Flächen tanzen. Das machte trotz allem Hoffnung. Im November war es schlimmer, alle erst noch mal zu sehen und zu wissen: Das ist auf unbestimmte Zeit das letzte Mal.

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Ich vermisse die Kinder, ich vermisse meine Kurse - viele tanzen seit fünf Jahren bei mir und ich sehe sie normalerweise häufiger als meine engen Freunde. Gleichzeitig ist es hart für mich, nur zu Hause sein. Normalerweise mache ich sechsmal pro Woche Zumba. Jetzt mache ich gar keinen Sport. Im ersten Lockdown habe ich begonnen, einzelne Tanzfiguren für meine Kurse zum Üben ins Netz zu stellen. Das mache ich jetzt auch weiter. Ich möchte auch auf die Entfernung gern die Beziehung halten. Ich habe überlegt, von Paar zu Paar zu fahren und dort in den Wohnzimmern, Solo-Kurse zu geben. Aber das ist ja auch nicht sinnvoll, wenn ich dann so zu einem Super-Spreader werde.

Hinzu kommt die finanzielle Unsicherheit. Ich fürchte, dass ich die Unterstützung, die ich im Frühjahr bekommen habe, zurückzahlen muss. Denn offiziell soll man davon ja nur Fixkosten bezahlen. Die habe ich kaum, weil ich keine eigenen Räume habe. Aber wer zahlt dann meinen Lebensunterhalt? Das macht mir schon Angst. Gleichzeitig sagt dir ja keiner, wann und wie es weitergeht. Nachts schlafe ich schon lange nicht mehr ruhig.“

Eva Szinglober, Inhaberin „Weiberkram mit Eva“

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„Inzwischen haben wir ja seit drei Monaten geschlossen und die größte Erkenntnis ist bislang, dass ich meine Arbeit unfassbar vermisse und niemals nur zu Hause sein könnte. Mein Mann hat mir schon vorgeschlagen, dass ich mir doch neue Hobbys suchen könnte, um die neugewonnene Freizeit zu füllen. Aber letztlich ist meine Arbeit mein Hobby, ich mache das wirklich unglaublich gerne, es ist zu hundert Prozent das, was mir Spaß macht. Ich bin zwar noch samstags im Laden, um Gutscheine herauszugeben, aber das ist natürlich nicht ansatzweise mit meinem sonstigen Pensum zu vergleichen.

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Ich kaufe im Moment sogar immer nur für einen Tag ein, damit ich am nächsten wieder einen Grund habe, das Haus zu verlassen. Ich habe wirklich das Gefühl, dass man durch die Situation träge und faul wird. Mir fehlt einfach die Struktur. Durch meine beiden Kinder habe ich natürlich schon einen getakteten Alltag, aber auch das wird ohne Kita zur Zeit weniger. Im letzten Lockdown habe ich mit Sporteinheiten in den eigenen vier Wänden begonnen und meine Ernährung umgestellt. Das hat mir damals Halt gegeben. Ich ernähre mich auch bis heute gesund, mache Intervallfasten, verzichte größtenteils auf Zucker und habe so schon 25 Kilo abgenommen.

Was mir Sorge bereitet ist, dass die ein oder andere Kundin in unserer Branche nach dem zweiten Lockdown nicht mehr zurückkehrt. Da überlegt man sich vielleicht dreimal, ob man sich wieder die Wimpern auffüllen lässt, wenn man jetzt auch irgendwie ohne auskommt. Zum Glück bieten wir bei uns eher Leistungen an, die man nicht regelmäßig alle paar Wochen wiederholen muss. Trotzdem stelle ich mir die Frage, wie flexibel sind meine Kunden, was kann man ihnen zumuten. Ich handhabe es so, dass ich bestehende Termine auf die Zeit nach dem Lockdown verschiebe und sie nicht ganz absage. Dann weiß ich zumindest, dass ich den Terminkalender voll habe, wenn es wie beim letzten Lockdown wieder relativ spontan weitergeht. Da war es übrigens so, dass es nach der Wiedereröffnung sogar noch besser lief als zuvor. Ich kann nur hoffen, dass es wieder ähnlich aussieht, wenn es weitergeht. Denn auch wenn mich das Nichtstun deutlich mehr belastet als die finanziellen Einbußen, packen auch mich so langsam Existenzängste.“

zusammengefasst von Ute Tolksdorf und Christina Schröer