Das Weihnachtsgeschäft fiel zum Großteil aus, trotzdem will man den Kopf nicht in den Sand stecken. Das große Einzelhandels-Interview:

Schmallenberg. Mitte Dezember war einiges los in Schmallenbergs Ost- und Weststraße. Eigentlich ein gutes Zeichen so kurz vor Weihnachten. Doch der Ansturm auf die Geschäfte lag vielmehr in dem nahenden Lockdown begründet, der Schmallenbergs Einzelhändler so kurz vor Weihnachten zum Schließen zwang. Über Verständnis und Unverständnis, Online-Handel und Hoffnung sprechen Marcus Schulte-Glade, Vorsitzender der Werbegemeinschaft, und Anke Gerling, Neu-Inhaberin von West 15, im Interview.

Hinter dem heimischen Einzelhandel liegt vielleicht das dunkelste Jahr der jüngsten Geschichte. Überwiegt die Hoffnung auf ein besseres 2021 oder der Frust, schon wieder im Lockdown festzusitzen?

Marcus Schulte-Glade: Wir stecken den Kopf nicht in den Sand, das haben wir noch nie gemacht. Trotzdem ist es natürlich ärgerlich, die geschlossenen Geschäfte zu sehen und die leere Innenstadt. Auch die Einzelhändler sind lethargischer als noch im ersten Lockdown, das ist mein Eindruck. Viele sitzen den Lockdown jetzt einfach aus, während im vergangenen Frühjahr noch mit Eifer an Alternativen gearbeitet wurde. Jetzt ist natürlich auch nicht die Zeit der Lustkäufe nach Weihnachten. Zudem fehlen die Gäste an jeder Ecke und Kante.

Anke Gerling: Es ist jetzt Frust mit dabei, das ist zu spüren und darin unterscheiden sich der erste und der zweite Lockdown deutlich. Es ist nicht einfach aktuell noch ein positives Zukunftsdenken zu behalten.

Gerade ein erfolreiches Weihnachtsgeschäft hätte ja zumindest kleine Wunden eines verkorksten Corona-Jahres heilen können. Am Ende fiel aber auch das dem Lockdown zum Großteil zum Opfer.

Marcus Schulte-Glade: Wenn man an die dekorierten Schaufenster der vergangenen Jahre zuvor denkt, an die Weihnachtsstimmung in der ganzen Stadt, das Weihnachtsmarktwochenende und volle Straßen ist das schon schade. Für viele Einzelhändler hier ist das Weihnachtsgeschäft das wichtigste im ganzen Jahr.

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Anke Gerling: Weihnachten macht das Ver- und Einkaufen noch mehr Spaß. Alle freuen sich auf das Fest, auf Geschenke, sind in Ruhe unterwegs und genießen die Zeit. Die getroffenen Maßnahmen waren sicherlich angebracht, dass es wieder den Einzelhandel trifft ist nur bedingt nachzuvollziehen, zumal unsere Art der Waren jetzt bei den Discountern oder online mitverkauft werden. Das ist nicht sehr verständlich. Wir sind online hier in Schmallenberg gut aufgestellt, auch der Abhol- und Bringservice funktioniert, aber dieses Geschäft deckt nicht immer die Fixkosten und bis mögliche Hilfen fließen ist es ein schwieriger Weg.

Eine Maßnahme, deren Ende auch noch nicht absehbar ist…

Anke Gerling: Und das ist das Problem, es gibt für uns keine positive Perspektive. Wir müssen jetzt sehen, was wir mit der eingekauften Ware machen – die Winterware oder die aktuellen Kollektionen sind im März/April nicht mehr gewünscht, da wollen die Menschen wieder raus, wollen Neues sehen. Die Kosten bleiben bei uns hängen – die ersetzt uns niemand.

Touristen und Gäste sind der Dreh- und Angelpunkt des Einzelhandels oder?

Marcus Schulte-Glade: Ja, die sind immens wichtig, auch die Tagestouristen.

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Anke Gerling: : Urlauber und Tagestouristen sind auf jeden Fall ein großer Kundenkreis Aber auch die Schmallenberger sind wichtige Kunden, die uns immer treu sind. Jeder hier im Ort weiß, dass unser Einzelhandel funktioniert, wichtig ist. Hier unterstützt man sich und hilft sich, Schmallenberg hält zusammen und will gemeinsam die Krise durchstehen.

Marcus Schulte-Glade: Zum Beispiel wurden hier wahnsinnig viele Gutscheine verkauft zum Weihnachtsfest. Das heißt, dass das Geld in Schmallenberg bleibt.

Im Frühjahr während des ersten Lockdowns war auch von Online-Auftritten und einer gemeinsamen Plattform für die Stadt die Rede, wo sich alle Händler mit ihren Waren präsentieren können.

Marcus Schulte-Glade: Das ist eine Baustelle, an der wir arbeiten, die aber nicht in wenigen Tagen erledigt ist. Bei vielen hat schon ein Umdenken stattgefunden, das bei Online-Diensten anfängt und bei Öffnungszeiten aufhört. Ab April wird es die digitalen Gutscheine in Schmallenberg geben. Das ist ein Riesenschritt nach vorne und erleichtert für alle Beteiligten die Anwendung. Die Papiergutscheine sind aber noch drei Jahre gültig, da muss sich keiner Gedanken machen. Ansonsten gilt es sich immer wieder auf den Prüfstand zu stellen, neue Ideen zu entwickeln und umsetzen.

Werden denn nach dem zweiten Lockdown wieder alle Geschäfte öffnen?

Marcus Schulte-Glade: Ja, nach aktuellem Stand und was mir bekannt ist werden sie das. Und da sind wir alle froh drüber.

Aber wie viele Lockdowns kann der stationäre Handel denn noch vertragen?

Marcus Schulte-Glade: Wichtig ist, dass die angekündigten Corona-Hilfen fließen. Wenn nicht, dann wäre für manche sicher ein dritter der letzte Lockdown.

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Anke Gerling: Die Gelder sind wichtig, wir haben ja alle laufende Kosten aber null Einnahmen. Irgendwann fehlt die Butter auf dem Brot. Wir hoffen einfach, dass es so schnell wie möglich und dann langfristig wieder losgeht. Und dann kommen auch wieder die Kunden und Gäste.

Marcus Schulte-Glade: Denn Schmallenberg wird, wenn die Corona-Krise hoffentlich bald vorbei ist, als Region profitieren. Mit unserem Qualitätsanspruch müssen wir nach außen gehen, müssen den Leuten klarmachen, was wir bieten und wofür wir stehen. Mein Leitbild ist immer: Wir in Schmallenberg haben gemeinsam eine gute Zukunft, trotz Corona.

Frühlingseinkauf abgesagt

Aufgrund der aktuellen Situation wird es in diesem Jahr keinen Frühlingseinkauf geben. „Den Herbsteinkauf und das Candlelightshopping wollen wir aber einfach mal einplanen, in der Hoffnung, dass diese Veranstaltungen bis dahin durchgeführt werden dürfen“, teil die Werbegemeinschaft mit.

26. September: Herbsteinkauf

5. November: Candlelightshopping

„Was den verlängerten Lockdown betrifft, werden wir über die Social Media Kanäle nochmals darauf hinweisen, dass alle Geschäfte erreichbar sind, und sich die Kunden nicht scheuen sollen anzurufen, um dann telefonisch oder online bestellte Waren kontaktlos abzuholen.“