Nuttlar. Schriftzüge wie „Fuck all Cops“ gelten juristisch nicht als Beleidigung. Dennoch treffen Sie die Beamten durchaus auch persönlich. Ein Interview.
Unbekannte haben auf die Fahrbahn der A46 in Nuttlar „Fuck all Cops“ geschmiert. Aus juristischer Sicht stellt das keine Beleidigung dar (wir berichteten). Dennoch treffen auch solche allgemein gehaltenen Beleidigungen die Polizeibeamten. Wir haben darüber mit Sven Brandes gesprochen. Er ist Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei im Hochsauerland.
Wie finden Sie es als Polizist, dass Schmierfinken für einen Schriftzug wie „Fuck all Cops“ keine strafrechtlichen Konsequenzen wegen Beleidigung zu fürchten haben?
Sven Brandes: Das finde ich natürlich nicht gut. Und viele meiner Kolleginnen und Kollegen ebenfalls nicht. Daher macht die Gewerkschaft der Polizei (GdP) in der Sache auch Druck auf die Politik. Das Bundesverfassungsgericht hat 2016 entschieden, dass solche Parolen, wenn sie allgemein gehalten sind, juristisch keine Beleidigung darstellen. Aus Sicht des Gerichtes muss der Kreis der angesprochenen Personen für eine Beleidigung überschaubar sein. Die Justiz wertet solche Schriftzüge eher als Kritik am gesamten System. Das heißt also, wenn ich zum Beispiel eine Beleidigung an alle Richter oder an alle Journalisten schicke, ist auch das aus juristischer Sicht keine Beleidigung. Als Polizist fühlt man sich aber sehr wohl beleidigt, wenn man an Orten vorbeikommt an denen „Fuck all Cops“ oder „ACAB“ für All Cops are Bastards steht - weil wir schon der Meinung sind, dass wir unsere Arbeit gut und im Sinne der Demokratie machen. Entsprechend verletzend empfinde ich daher auch solche allgemein gehaltenen Beleidigungen.
Das heißt, es trifft Sie durchaus persönlich?
Ja, es trifft mich durchaus auch persönlich. Solche Schmierereien haben zugegebenermaßen eine andere Qualität als eine direkte und persönliche Beleidigung von Angesicht zu Angesicht. Aber es bleibt aus meiner Sicht trotzdem eine Beleidigung und auch eine Provokation, wenn ich alle Polizisten pauschal als Bastarde bezeichne. Sie ist auf einen ganzen Berufsstand gemünzt und ich bin Teil dieses Berufsstandes - deswegen fühlt man sich auch angesprochen und ist nicht glücklich damit. Und man ist auch nicht glücklich damit, wenn die eigenen Kinder so etwas lesen müssen und man ihnen erklären muss, was so etwas soll.
Sie sagen, dass die Gewerkschaften Druck ausüben in der Sache. In welcher Form?
Es gibt verschiedene Ansätze. Wenn das Gericht entschieden hat, dass keine strafrechtlichen Konsequenzen möglich sind, muss man das in einer Demokratie akzeptieren. Beim letzten Landesdelegiertentag haben wir als Gewerkschaft der Polizei einen Antrag gestellt, in dem wir die Politik auffordern, dass solche Schmierereien nach Bekanntwerden wenigstens unverzüglich entfernt werden. Dazu läuft in Bochum aktuell ein Pilot von der Jungen Gruppe der GdP. So etwas wünschen wir uns von der Politik landesweit und bundesweit. Letztlich ist es ja auch so, dass derlei Schriftzüge von einigen wenigen nicht das Stimmungsbild der Mehrheit wiedergeben. Trotz aller Kritik, die es an der Polizei gibt und die in Einzelfällen auch mal berechtigt ist, haben sich bei einer Umfrage zuletzt 80 Prozent sehr zufrieden über die Arbeit der Polizei geäußert.
Was ist mit dem Begriff „Bulle“? Macht Sie diese Bezeichnung noch wütend?
Das ist schwierig zu beantworten. Für mich kommt es immer auf die Situation und den Kontext an. An sich ist das Wort Bulle erst einmal kein Schimpfwort. Der „Bulle“ ist eher so ein Zwischending - mal geht es vor Gericht als Beleidigung durch und mal nicht. Fakt ist: Jeder Kollege freut sich, wenn er als Polizist bezeichnet wird und nicht als Bulle. Und Fakt ist auch, dass wir längst nicht jede Beleidigung im Dienst zur Anzeige bringen. Wir lassen uns in dieser Hinsicht wirklich schon einiges gefallen, bis es es tatsächlich zu einer Anzeige kommt.
Wie rau ist der Polizeialltag im Hochsauerland inzwischen geworden?
Die Kollegen nehmen auch hier wahr, dass die Beleidigungen zunehmen. Man hat schon das Gefühl, dass ein bisschen Respekt verloren gegangen ist. Wir sind natürlich alle bereit und in der Lage uns in Diskussionen mit einer Sache auseinanderzusetzen. Aber der Umgangston in der Gesellschaft hat sich geändert - nicht nur gegenüber der Polizei sondern auch ganz allgemein. Viele Menschen sind einfach radikaler geworden. Wir hatten jetzt erst wieder einen Fall, dass Beamte bei einem absolut rechtmäßigen Einsatz eine Handykamera vors Gesicht gehalten bekommen haben und dabei noch beleidigt worden sind. Es ist für die Kollegen draußen schon schwieriger geworden.
Bereitet Ihnen diese Entwicklung Sorgen?
Sorge bereitet mir vor allem, wenn polizeiliche Maßnahmen sofort und massiv in Frage gestellt werden. Auch das ist ein Phänomen, dass verstärkt in Großstädten auftritt. Dort werden Kollegen nicht selten schon bei einer einfachen Personalienfestellung körperlich angegangen oder massiv von Unbeteiligten gestört. So massiv, dass am Ende der Einsatz von mehreren Streifenwagen erforderlich wird. Hier würde ich mir schon mehr Vertrauen wünschen. Fakt ist: Fast alle polizeilichen Maßnahmen sind rechtmäßig. Und wenn wir in Einzelfällen - die es geben mag - unrechtmäßig handeln, lässt sich das alles im Nachhinein aufklären. Und dann steht auch jedem der Rechtsweg offen, das prüfen zu lassen.
Sind Sie froh, dass Sie auf der Leitstelle arbeiten und nicht mehr raus müssen?
Ich bin wirklich sehr gerne Polizist. Ich habe mir die Leitstelle ausgesucht, weil ich einfach mal etwas Neues machen wollte. Man sucht für sich einfach neue Anreize oder Schwerpunkte. Einige wechseln zur Kriminalpolizei und mich hat es eben zur Leitstelle verschlagen. Das hat wirklich nichts damit zu tun, dass ich den Streifendienst schlimm finde. Ich habe das immer gerne gemacht und ich bin überzeugt, dass es mir auch heute noch Spaß machen würde - auch wenn sich die Arbeit verändert hat. Aber Arbeit verändert sich schließlich in allen Branchen und Bereichen.
- Sven Brandes ist 41 Jahre alt und Kreisgruppenvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, kurz GdP.
- Nach seiner Polizeiausbildung hat er knapp 16 Jahre auf der Polizeiwache Arnsberg im Wach- und Wechseldienst gearbeitet.
- Seit Mitte des Jahres 2015 arbeitet er als Einsatzbearbeiter in der Polizeileitstelle in Meschede.