Velmede. Nachmittags wurde in Bestwig die A46 eröffnet. Am Abend klangen an der Bundesstraße in Velmede die Gläser. Aus gutem Grund.

Eines hatten sich Ute und Peter Andreas ganz fest vorgenommen: Wenn in der Gemeinde Bestwig das neue Autobahnteilstück für den Verkehr freigegeben wird, wollten Sie diesen besonderen Tag mit einem Gläschen Sekt begehen. Und genau das haben sie getan: Am Abend des 18. November 2019 klangen hinter den Fenstern an der Bundesstraße 119 in Velmede die Gläser. Es war der Tag, der das Leben von Ute und Peter Andreas verändert hat - ihres und das all der anderen Anwohner, die Jahrzehnte unter dem massiven Durchgangsverkehr gelitten hatten.

Mehr Lebensqualität

Der 18. November 2019 war der Tag, der der Gemeinde Bestwig deutlich mehr Lebensqualität bescherte. Die positiven Auswirkungen der Autobahn machen sich vor allem direkt an der Bundesstraße in vielerlei Hinsicht bemerkbar. „Wir können jetzt zum Beispiel endlich auch mal links abbiegen, wenn wir aus der Garage fahren“, sagt Peter Andreas und lacht. Das sei vorher undenkbar gewesen. Vor der Eröffnung der Autobahn sind die Andreas’ immer rechts abgebogen, bis zum Bahnhofsvorplatz gefahren und von dort wieder in die Gegenrichtung auf die B7. „Das haben wir seit dem vergangenen Jahr nicht ein einziges Mal mehr machen müssen“, sagt der 70-Jährige.

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Dauerstau, Lärm, Abgase, Dreck - an all das hatten sich Ute und Peter Andreas nach ihrem Einzug im Jahr 1981 längst gewöhnt. „Wir haben irgendwann gelernt, damit zu leben“, sagt Ute Andreas. Auch damit, dass sie zweimal in der Woche die Fensterbänke vor dem Haus abwischen musste. Feinstaub! Viel Feinstaub! Deswegen blieben die Fenster zur Straße meistens geschlossen.

„Wenn ich hier eine Stunde lüfte und dann mit dem Finger über das Fensterbrett fahre, ist die Fingerkuppe schwarz“, hatte Ute Andreas damals berichtet. Heute bleiben die Fenster wegen der Abgase zwar immer noch zu. Aber immerhin müssen die Fensterbänke jetzt nicht mehr zweimal in der Woche abgewischt werden: Seit dem 18. November 2019 reicht einmal aus.

Keine absolute Stille erwartet

Und der Lärm? Laut ist es vor der Haustür von den Andreas’ immer noch. 92 Dezibel hatte das Display damals angezeigt, als wir mit einem Schallpegelmessgerät zu Besuch waren und erst ein Lkw und dann ein Motorrad an der Haustür vorbeifuhren. Und die 92 Dezibel würde das Gerät natürlich auch heute noch anzeigen. Allerdings bei Weitem nicht mehr so häufig wie einst. „Die Situation hat sich wirklich kolossal verbessert“, betont Peter Andreas.

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Das müsse man schon sagen. Niemand habe erwartet, dass mit der A46 von jetzt auf gleich absolute Stille auf der Bundesstraße herrschen werde. Und für die Gemeinde sei es ja schließlich auch gut, wenn nicht alle über die A46 am Ort vorbeifahren. „Die Strecke ist und bleibt eine Durchgangsstraße“, sagt Peter Andreas. Darüber sei er sich mit seiner Frau immer im Klaren gewesen. Ob es die erwartete Halbierung des Verkehrs ist, der die Strecke aktuell nutzt, wagen die beiden zwar zu bezweifeln. Aber auf die genauen Zahlen kommt es ihnen auch gar nicht an. Fakt sei: Die Situation sei deutlich besser als zuvor - auch, wenn gefühlt immer noch zu viele Lkw durch den Ort fahren.

Mehr Raser unterwegs

Zur Wahrheit gehört aber auch: Seit der Eröffnung der A46 sind viele Probleme von einst zwar deutlich kleiner geworden. Dafür haben sich andere vergrößert. „Es wird mehr gerast“, sagt Ute Andreas. „Vor allem dann, wenn der Feierabendverkehr vorbei ist.“ Da seien zum einen die Autos, die mit überhöhter Geschwindigkeit durch den Ort brettern. Und zum anderen die Motorradfahrer, die auf der freien Strecke sogar schon mit hochgerissenem Vorderrad am Haus vorbeigerauscht seien. „Das haben wir inzwischen sogar schon mehrfach beobachtet“, sagen die beiden und wünschen sich, dass zu bestimmten mehr kontrolliert wird.

Selbst haben Ute und Peter Andreas die neue A46 bislang übrigens nur zwei Mal genutzt. Aus reinem Interesse. Weil man ja einfach mal über dieses besondere Stück Straße gefahren sein muss, das für eine solche Entlastung vor der eigenen Haustür sorgt.

  • Vor zehn Jahren haben wir schon einmal über Ute und Peter Andreas berichtet. Damals waren wir mit einem S challpegelmessgerät bei ihnen.
  • Vor dem Haus zeigte das Display 92 Dezibel an, als zunächst ein Lkw und dann ein Motorrad vorbeifuhren. Eine normale Unterhaltung auf dem Bürgersteig war kaum mehr möglich. Zum Vergleich: Ein Presslufthammer in zehn Metern Ent­fernung erreicht einen Lärmpegel von rund 100 Dezibel.
  • Drinnen im Haus sah die Welt anders aus: Wohltuende Ruhe im Wohnzimmer, das sich im hinteren Teil des Hauses befindet. Auch hinter einem geschlossenen Fenster, das direkt zur Straße liegt, zeigte das Gerät mit 38 Dezibel dank guter Thermopenscheiben immer noch erstaunlich wenig an.
  • Bei geöffnetem Fenster lag der Schallpegel mit mehr als 70 Dezibel allerdings direkt weit höher und damit im Bereich, den die Messskala tatsächlich als „normalen Straßenverkehr“ deklariert.
  • Eine weitere Station war damals der Garten hinter dem Haus . 61 Dezibel blieben dort an jenem wind­stillen Vormittag immer noch vom Verkehrslärm übrig. Die zeigte das Gerät zwar auch an, als wir es mitten in der Idyl­le bei Föckinghausen eingeschaltet hatten.
  • Dort waren es jedoch der starke Wind und die zwitschernden Vögel , die den Pegel nach oben trieben. Schall ist eben nicht immer unangenehmer Lärm.