Hiege. Ein Dorf, ein Haus, eine Familie: Familie Stöber sind die einzigen Einwohner des Ortes Hiege. Über Nachbarn, Gäste und Kreissägen am Sonntag.
Wenn Anja Stöber mit den Nachbarn eine Tasse Kaffee trinken möchte, muss sie sich dafür ins Auto setzen. „Oder zu Fuß gehen, aber das wären etwa 15 Minuten Weg“, erzählt die junge Mutter lachend. Ab auf die Straße, raus aus Hiege und rein ins Nachbardorf. Denn auf der Hiege gibt es keine Nachbarn. „Eigentlich gibt es sie schon, nur eben nicht um die Ecke.“ Ein Dorf, ein Haus, eine Familie: Die Stöbers. Anja Stöber und Mann Marcel mit Sohn Felix , Papa Josef und Mutter Marietta Stöber. Sie haben eine Ferienwohnung, eine Landwirtschaft und viel zu erzählen: „Langweilig ist uns hier noch nie geworden.“
Auch interessant
Die Geschichte des Ortes Hiege geht dabei bis ins 14. Jahrhundert zurück, wie Josef Stöber nachforscht. Die historischen Akten und Dokumente hat er sorgfältig abgeheftet. Der uralte Hof sei ein Freigut, also ein gerichtsunabhängiger Hof im Besitz des Adels oder Klerus gewesen und gehörte nicht zur Freiheit-Bödefeld, sondern zum Land Bilstein-Fredeburg. Als Richter Eberhard Scharfe den Hof 1593 kauft, erhält der Hof seinen heutigen Namen: Richters Hof. Damals bestand der Hof jedoch nicht aus Wohngebäuden, sondern nur als Ländereien, seit 1865 ist er wieder bewohnt.
Frau Marietta kommt aus dem Münsterland
„Wir sind es ja nicht anders gewohnt, wir leben schon immer hier“, sagt Josef Stöber. Einsam? Sei es noch nie gewesen. Seine Frau Marietta stammt aus dem Münsterland. Sie habe sich, als sie vor 40 Jahren ins Sauerland zur Hiege kam, an die besondere Wohnsituation erst gewöhnen müssen: „Das ländliche Leben kennt man ja, aber ganz alleine? Nur ein Haus mitten in der Natur? Das war am Anfang schon ein wenig komisch.“ Ein Feierabendbierchen in Gesellschaft oder Plausch über den Gartenzaun, das sei eben nicht möglich: „Dafür ärgert uns hier aber auch niemand.“
Auch interessant
Man sei frei, könne sich frei bewegen. „Und wenn ich will, kann ich am Sonntagmittag auch die Kreissäge anwerfen, das stört hier niemanden“, wirft Mann Marcel ein. Und alle beginnen zu lachen. Auf der Hiege zu leben, das habe Charme: „Mehr Ruhe geht einfach nicht.“
Ferienwohnung eingerichtet
Das reize auch viele Urlauber, sagt Anja Stöber. Vor wenigen Jahren habe die Familie die obere Wohnung im Haus als Ferienwohnung umgebaut. Leerstehen müsse sie nicht und die Buchungslage sei, ausgenommen der Corona-Lockdowns, wirklich gut: „Hier kommen alle Altersgruppen, junge und alte Leute. Wir sagen natürlich, dass man hier keine Hoffnung auf Discos oder Kneipen um die Ecke haben muss.“
Hiege besteche durch seine Abgeschiedenheit: „Und viele Gäste kommen wieder. Ich glaube auch, weil sich immer mehr Menschen nach Erholung und Entspannung sehen. Die wollen raus aus dem stressigen Alltag. Und wo geht das besser, als auf der Hiege?“
Urlauber aus Moskau und Saudi-Arabien seien schon da gewesen: „Früher war es schwieriger uns zu finden, viele Auswärtige aus Fredeburg zum Beispiel kannten es gar nicht. Aber seitdem wir ein Straßenschild haben und erst recht seitdem es Navigationsgeräte gibt, ist das alles kein Problem mehr.“
In die Stadt ziehen? Nein, das käme für keinen der Stöbers infrage. Auf der Hiege fühlen sie sich wohl. Ob es einen Ortsvorsteher gebe? „Wenn, dann ist das Felix.“ Aber auch die Neffen und Nichten, die in Oberkirchen und Düsseldorf leben, schwärmen immer wieder vom Leben auf der Hiege: „Wenn wir groß sind, dann ziehen wir auf die Hiege.“
Urlaub auf der Hiege
Das Schmallenberger Stadtgebiet ist über 300 Quadratkilometer groß und besteht aus insgesamt 83 Ortsteilen.
Information zur Ferienwohnung Richters Hof gibt es hier.
Die Serie „Unser Dorf im Schmallenberger Sauerland“ ist in vier Teile aufgeteilt:
Teil 1: Grafschaft: Das erste Bundesgolddorf
Teil 2: 100 Jahre Fleckenberger Einheit
Teil 3: Ein Dorf, ein Haus, eine Familie: Hiege
Teil 4: Junges Wohnen: Leben in Lenne