Velmede. Keine Genehmigung für Großveranstaltungen, aber Hoffnung: Veranstalter Gisbert Kemmerling spricht darüber, mit welchen Stars er für 2021 plant.

Alle großen Konzerte fallen in der Corona-Krise aus. Wie gehen Veranstalter wie Gisbert Kemmerling damit um? Der 63-Jährige aus Velmede hofft auf einen Impfstoff im nächsten Jahr – und plant schon voraus. Er hat zum Beispiel James Blunt unter Vertrag. Und er ist sicher: Trotz Corona wird der Rock’n’Roll weiterleben. Aber anders eben.

Corona hat Ihren Veranstaltungsplan komplett über den Haufen geworfen, oder?

Gisbert Kemmerling: Ja, völlig. Sarah Connor und Max Giesinger hätten jetzt gerade in Willingen auftreten sollen – das ist verschoben worden auf 2021. Der Auftritt von BossHoss in Büren ist verlegt, auch das komplette Spektakel am Biggesee in Olpe. Aber es wird weitergehen! Ich bin gerade in den letzten Zügen der Planung für 2021.

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Mark Forster, Wincent Weiss, Lea und die momentane Nummer eins in den deutschen Charts, Joel Brandenstein, kommen dann nach Olpe. Und James Blunt ist dabei. Ich verhandele übrigens noch mit zwei weiteren richtig großen Krachern. Das wird aber noch nicht verraten, bevor die Verträge nicht unterschrieben sind. Sicher ist übrigens auch: Unter dem Eindruck von Corona wird es auch bei den Künstlern mit ihren Gagenvorstellungen nicht so weitergehen wie bisher.


Im Herbst wollten eigentlich die Legenden von Barclay James Harvest nach Meschede kommen. Wird daraus überhaupt etwas?

Das Konzert wird verschoben. Wir sind gerade in Verhandlungen über einen neuen Termin im nächsten Jahr. Die Tickets behalten dafür ihre Gültigkeit. Wir sind noch in finanziellen Verhandlungen mit dem Agenten: Aufgrund des Lockdowns nach Corona muss die Show nicht zu den gleichen Konditionen übernommen werden – das wird komplett neu verhandelt.

In diesem Jahr wird es gar nichts geben?

Nein. Bis Ende Oktober gibt es für Großveranstaltungen mit über 5000 Zuschauern keine Genehmigung. Für kleinere Veranstaltungen gibt es örtliche Hygienevorschriften. Ich habe auch eine Anfrage aus Elspe: Dort gibt es eine mögliche Kapazität von 3500 Zuschauern, jetzt gibt es eine Genehmigung für maximal 900 Leute. Das ist schon mal ein Einstieg, wo man was machen kann. Ich bin am Sondieren, wer da kurzfristig auftreten könnte.

Wie ist das mit der Atmosphäre: Was hören Sie da?

Bei den Älteren kommen Zweifel auf, ob sie sich das in der Corona-Zeit antun möchten. Im Zweifel gehen sie dann auch eher nicht in ein Konzert. Jüngere dagegen haben ja noch nicht so viele Live-Konzerte erleben können. Sie freuen sich, dass sie überhaupt wieder ausgehen dürfen – und nehmen dafür die Hygienevorschriften in Kauf.

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Es ist eben viel komplizierter geworden. Jetzt müssen es zum Beispiel personifizierte Tickets sein, man bekommt Stühle oder Strandkörbe zugewiesen. So kommen Sommerfestivals zustande – mit gebührendem Abstand: Das finde ich noch witzig! Karten dürfen nur an bestimmten Stellen gekauft werden, denn man muss sich ja registrieren lassen, um notfalls Infektionsketten nachvollziehen zu können.


Würden Sie selbst als Zuhörer zu einem Konzert gehen, wo man dann in einer Box sitzt?

Ich bin ein älterer Herr (lacht). Für mich ist das keine Atmosphäre, wo ich sage, dass reizt mich. Aber fairerweise muss ich sagen, dass ich jetzt zu einem kleineren Event nach Hannover fahre, wo ich zwei Bands hin vermittelt habe. Das ist eine kleine Location, die machen das mit Liegestühlen. Da kommen 170, 180 Leute. Ich will mir das mal persönlich anschauen - auch, um Freundschaften im Rock’n’Roll-Bereich zu pflegen.

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Aber wir nehmen wir die Autokinos oder Konzerte, wo die Zuhörer im Wagen sitzen: Das war während der Krise ein kurzes Aufflackern. Atmosphärisch war das unterirdisch. Einige Agenturen sagen direkt: „Gisbert, du brauchst wegen Auto-Konzerten gar nicht erst anrufen. Wir spielen nur vor Publikum, auch wenn es nur 500 Leute sind. Wir müssen den Leuten ins Gesicht gucken können.“


Ist eigentlich jeder Künstler reich?

Die ganz Großen ja! Wenn sich ein Udo Lindenberg solidarisch mit denen erklärt, die gerade kein Geld verdienen, dann freut mich das. Aber die Großen müssen sich eben auch keine Gedanken machen: Für die ist das eine andere Situation. Die müssen zwar einen großen Stab bezahlen, zum Beispiel ihre Tontechniker oder die Musiker in ihrer Band. Die Künstler, die nicht im Rampenlicht stehen, haben dagegen ganz große Probleme.

Da passiert gar nichts. Man hört, dass sie sich an Streaming oder an Hauskonzerten versuchen - aber unter dem Strich ist das richtig, richtig schwierig für die. Wenn ich mit dem einen oder anderen rede, dann höre ich eben auch, dass die sich an ihre Wurzeln erinnern: Man hat ja mal die Schule besucht, eine Ausbildung gemacht. Einige denken um. Die versuchen, sich jetzt als Aushilfen anzubieten. Auf Dauer gesehen musst du eben sehen, dass du Geld verdienst. Ich bin erschrocken, was in der Branche abgeht. Ich kann immer nur raten: Versucht eine andere Arbeit! Man darf nicht ständig grübeln, als Lichttechniker, Tontechniker, Musiker oder Roadie. Sonst verlierst du das Selbstwertgefühl.


Wie kommt die Veranstaltungsbranche wieder auf die Beine?

Das magische Wort dafür lautet: Impfstoff! Wir arbeiten in der Veranstaltungsbranche optimistisch daran, dass wir alles ins nächste Jahr verschieben. Inzwischen gibt es einen Corona-Zusatz, der in jeden Vertrag eingefügt werden muss: Bucht man jetzt einen Künstler und künftig erfordern es neue Regelungen, ein Konzert doch abzusagen, dann hat jeder seine entstandenen Kosten selbst zu tragen.

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Man kann dann ein Konzert auf 2022 verschieben, oder der Künstler, oder der örtliche Veranstalter kann absagen. Ich glaube schon daran, dass nächstes Jahr etwas passieren wird: Wir haben ein weltweites Virus im Umlauf, der wirtschaftliche Druck zum Handeln ist enorm. So viel Geld ist noch nie in die Entwicklung eines Impfstoffes gesteckt worden. Ich denke, dass man Anfang 2021 weiter sein wird. Glücklicherweise stehen die Menschen zu uns. Wir haben momentan schon um die 12.000 Tickets für Sarah Connor und Max Giesinger verkauft. Die Leute kaufen weiterhin Tickets: Das ist ein Indiz, dass sie den Veranstaltern vertrauen.


Stirbt der Rock’n’Roll durch Corona?

Es wird einen neuen Rock’n’Roll geben. In der Form, wie wir ihn in den letzten Jahrzehnten erlebt haben, wird es ihn nicht mehr geben. Die Wertigkeiten haben sich verändert. Wir fanden immer Schallplatten gut. Da hat es schon eine Renaissance gegeben. Die CD war die nächste Entwicklung. Jetzt hat die Wertigkeit von Musik durch Streaming und ihr Herunterladen dramatisch abgenommen. Es wird aber immer Livemusik gegeben – trotz Kopfhörer. In keinem Medium wirst du den Genuss herüberbringen können, den es bei einem Live-Konzert gibt - ob in kleinem Rahmen vor 100 Leuten oder vor 20.000, wie ich es schon gemacht habe: Live ist einfach elektrisierend!