Velmede/Bestwig. In Bestwig meiden viele Lkw-Fahrer die neue Autobahn. Das ist aber nur ein Grund, warum Anwohner der Ortsdurchfahrt sauer sind.

Jahrzehntelang haben vor allem die Anwohner der Bundesstraße in Velmede und Bestwig auf den Bau der Autobahn gewartet, um endlich mehr Ruhe vor ihrer Haustür zu haben. Jetzt ist sie fertig und immer mehr Lkw-Fahrer scheinen das neue Teilstück zu ignorieren. Sie fahren weiterhin durch den Ort und nerven damit vor allem die Menschen, an deren Häusern sie lärmend vorbeidonnern. Einer von ihnen ist Erich Wrede - und der ist inzwischen reichlich sauer. Nach der Eröffnung des Autobahnteilstücks im November sei es ein paar Monate gut gegangen. Dann habe der Lkw-Verkehr nach und nach wieder zugenommen.

B7 ist nun die L743

„Es scheint sich herumgesprochen zu haben, dass es keinen Stau mehr in Bestwig gibt und man dort auch mit dem Lkw zügig durchkommt, ohne Maut zu bezahlen“, vermutet Wrede. Auszuschließen ist das jedenfalls nicht. Denn inzwischen ist die Bundesstraße laut Landesbetrieb Straßenbau in Meschede keine Bundesstraße mehr, sondern eine Landesstraße. Aus der B7 ist die L743 geworden - und damit eine Straße, die nicht mautpflichtig ist.

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Dabei hat der zugenommene Lkw-Verkehr nichts mit der aktuellen B7-Baustelle im Raum Olsberg zu tun: Bereits im Januar hatte in Bestwig die Sorge vor genau solch einem Szenario die Runde gemacht.

Subjektives Empfinden

Schwarz auf weiß ist der Anstieg des Lkw-Verkehrs zwar noch nicht belegbar. Fakt aber ist, dass Erich Wrede mit seinem Empfinden keineswegs allein dasteht. Auch Ute und Peter Andreas, ebenfalls Anwohner der Ortsdurchfahrt, ist diese Entwicklung bereits aufgefallen. Es seien wieder bedeutend mehr Lkw unterwegs, untermauern sie Wredes Aussage. „Vor allem morgens und in den Nachmittagsstunden“, sagt Ute Andreas. Es seien zwar nicht so viele Lkw wie vor der Eröffnung der Autobahn, aber es seien nach der Eröffnung auch schon mal weniger gewesen“, ergänzt ihr Mann.

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Im Rathaus ist die Entwicklung bislang noch kein Thema gewesen. Gemeindesprecher Jörg Fröhling jedenfalls ist der steigende Lkw-Verkehr nach eigenen Angaben bislang noch nicht aufgefallen. „Aber ich wohne auch nicht direkt an der Straße“, sagt er und verweist darauf, dass eine subjektive Einschätzung der Anwohner eine ganz andere sein könne als die eines Autofahrers, der durch den Ort fahre.

Warten auf Verkehrszählung

Spätestens im Herbst soll das Ergebnis einer Verkehrszählung Aufschluss darüber geben, wie sich die Verkehrszahlen auf der Strecke entwickelt haben. „Dann haben wir belastbare Zahlen, mit denen gearbeitet werden kann“, sagt Fröhling und untermauert damit eine Aussage von Landesbetriebs-Sprecher Oscar Santos. „Wenn das Ergebnis der Verkehrszählung vorliegt, können daraus die entsprechenden Schlüsse gezogen werden.“ Sollte sich dabei herausstellen, dass Lkw-Fahrer die Autobahn tatsächlich meiden, um die Maut zu sparen, bestehe die Möglichkeit, auch für die Nutzung der Landstraße ein Maut zu erheben. Das sei keine Seltenheit und werde an vielen anderen Stellen, an denen es ähnliche Probleme gebe, seit langer Zeit so praktiziert.

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Derweil gibt es inzwischen aber noch ein ganz anderes Problem, das für Peter Andreas noch viel schwerer wiegt als der wieder angestiegene Lkw-Verkehr: Extreme Raserei in den Abendstunden. Sowohl Autofahrer wie Motorradfahrer würden die freie Strecke immer wieder nutzen, um mit enormer und halsbrecherischer Geschwindigkeit durch den Ort zu brettern. „Ich habe den Eindruck, dass hier regelrechte Rallyes stattfinden“, sagt er. Und zwar in einem dermaßenen Tempo, dass die Fahrer zu keiner Sekunde Herr über ihr Fahrzeug werden könnten, wenn etwas Unvorhergesehenes passiere. Seinem Plan, sich deswegen an die Polizei zu wenden, ist bereits jemand anderes zuvorgekommen.

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„Uns liegt aktuell ein Bürgerersuchen in der Sache vor“, sagt Polizei-Sprecher Holger Glaremin auf Nachfrage unserer Zeitung. Entsprechend seien nun verstärkte Kontrollen geplant. Auch, wenn es auf der Strecke bislang noch keine nennenswerten Unfälle gegeben habe, die auf Geschwindigkeitsüberschreitungen zurückzuführen sei, sei ein solches Bürgerersuchen genau der richtige Weg, sagt Glaremin. Er könne nur immer wieder dazu aufrufen, sich bei Auffälligkeiten an die Polizei zu wenden.

  • Laut Bundesamt für Güterverkehr lässt sich durch das Ausweichen von der A46 auf die Landstraße nur wenig Geld sparen. „Ausgehend vom aktuell gültigen Mauthöchstsatz für einen Lkw samt Anhänger der Euronorm 0 mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 18 Tonnen und mindestens vier Achsen werden 26,1 Cent pro Kilometer fällig“, sagt Behördensprecher Assane Ndoye. Demnach sei bei Nutzung der parallel zur Autobahn verlaufenden Landstraße auf einer Strecke von 8,4 Kilometern mit einer Mautersparnis von höchstens 2,19 Euro zu rechnen.
  • Bei schweren Nutzfahrzeugen mit einem Abgasreinigungssystem der Euronorm 6 betrage der Mautsatz bei entsprechender Achszahl und identischem zulässigen Gesamtgewicht 18,7 Cent pro Kilometer, so dass sich hier sogar nur eine Ersparnis von lediglich 1,57 Euro ergeben würde.