Schmallenberg. Die Reisebüros auch in Schmallenberg haben Sorge um ihre Existenz. Sie haben Forderungen an die Politik während der Corona-Krise.

Das Telefon von Julia Hermes, Inhaberin des TUI-Reisecenters in der Schmallenberger Oststraße, steht aktuell nicht still. „Das klingelt durchgängig, mein Schreibtisch ist überfüllt“, sagt sie. Gute Nachrichten gebe es selten, wenn sie den Hörer abnimmt: „Wir können momentan den Leuten nur mitteilen, das sämtliche Reisen abgesagt werden.“ Die Lage sei dramatisch.

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Reisebüros beraten Kunden bei der Planung, unterstützen bei der Auswahl von Ziel und Unterkunft, informieren über Einreisebestimmungen, reservieren Plätze und kümmern sich um Sonderleistungen, sagt Hermes: „Und das alles machen wir kostenlos. Wir verdienen unser Geld im Grunde nur durch die Provision, die wir von den Reiseveranstaltern erhalten, wenn wir einen Urlaub vermitteln.“ Gering, meistens im einstelligen Prozentbereich, so Hermes.

Tourismusbranche steht still

Reisen wurden gebucht, die Büros erhielten ihre Provision. Durch die Corona-Pandemie und Reisebeschränkungen werden die Reisen jetzt wieder storniert. Und die Provisionen? „Die müssen wir an die Reiseveranstalter zurückzahlen - quasi das Geld, was wir erhalten haben, müssen wir wieder abgeben.“

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Die Corona-Krise habe die deutschlandweite Touristik in einem Ausmaß getroffen, „wie das bei keiner Branche der Fall ist“, so Hermes. Am nicht stillstehenden Telefon gehe es jetzt um Rückabwicklungen, Stornierungen, neue Buchungen gebe es nicht: „Wir sind natürlich weiterhin gerne für unsere Kunden da und helfen bei Fragen, aber wir arbeiten umsonst, müssen dazu noch Kosten wie Miete und Versicherung zahlen.“

Kritik an der Politik

Von der Politik fühle sie sich außenvorgelassen: „Indem wir vor unserem Reisecenter demonstrieren, kämpfen wir um staatliche Rettungsmaßnahmen. Hier geht es um nicht weniger als unsere Arbeitsplätze und Existenzen. Die Touristik sei die erste Branche, die von der Krise betroffen war und werde vermutlich die letzte sein, die dort wieder herauskommt, so Hermes: „Die ganze Tourismusbranche steht still.“

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In einem offenen Brief der großen Reisebüro-Organisationen heißt es, „die stationären Reisebüros mit ihren rund 100.000 Arbeitsplätzen stellen derzeit die Krisenfront für die deutschen Bürger dar, die mit ihrer Reise- oder Flugbuchung nach Rat und Tat suchen. Wenn nicht schnell gehandelt wird, läuft die deutsche Gesellschaft Gefahr, bald keine echten Anlaufstellen mehr für Fragen rund um das Thema Reisen zu besitzen.“

Rettungsschirm gefordert

Gefordert wird ein Rettungsmodell, eine Art Rettungsschirm, so Hermes. Wie es jetzt für das Reisecenter in Schmallenberg weitergehe? „Ich weiß es ehrlich gesagt nicht“, sagt Julia Hermes: „Für uns wäre es natürlich gut, wenn in den Sommerferien zumindest ein paar Reisen wieder möglich wären.“ Besonders viel Hoffnung habe sie aber nicht. „Eigentlich müsste man optimistischer sein, aber wenn kein Rettungsschirm kommt, dann wird es wirklich knapp.“

Dass in den Osterferien schon keine Reisen möglich waren, habe weh getan: „Jetzt auch noch die Sommerferien? Das sind die beliebtesten Reisezeiten.“ Alles hänge von etlichen Faktoren ab, von Reiseveranstaltern, Fluggesellschaften und in erster Linie den Urlaubsländern. Spanien und Italien, wo die Corona-Pandemie besonders stark ausgebreitet ist, seien mit die beliebtesten Urlaubsziele der Deutschen, sagt Hermes: „Wir sind von so vielen Faktoren abhängig und müssen einfach nur hoffen, dass sich die Lage hier und im Ausland beruhigt. Selbst wenn man innerhalb Deutschlands wieder Urlaub machen kann, können ja nicht alle auf einmal an die Ost- oder Nordsee fahren.“

Lust am Reisen verderben

Das größte Fiasko wäre es, würde der Reisestopp den Deutschen die Lust am Reisen generell verderben: „Aber das glaube ich eigentlich nicht. Ich glaube, dass die Lust am Reisen bleiben wird und die Deutschen einfach alle Urlaube nachholen, wenn es wieder möglich ist. Es sei momentan einfach eine Zerreißprobe.“

Heinz Dünnebacke vom gleichnamigen Reisebüro nennt die Zustände „katastrophal“. Seit 40 Jahren verkaufe und organisiere der 71-Jährige Reisen, so etwas habe er noch nicht erlebt: „Mit so etwas haben wir am Anfang ja nicht gerechnet. Wir dachten, die Pleite von Thomas Cook sei schon schlimm, aber dann kam Corona. Absoluter Horror.“

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Die Frage sei, wie lange es noch dauert, bis Reisen wieder möglich seien: „Ich hoffe, dass es bald zumindest wieder erlaubt ist, Ferienwohnungen zu buchen und dort als Selbstversorger Urlaub zu machen.“ Mit zwei Mitarbeitern arbeitet er im Reisebüro, Entlassungen will er ausschließen: „Wenn ich die Hoffnung nicht hätte, dass es bald auch wieder besser wird, dann säße ich nicht hier.“ Erholen könne man sich von der jetzigen Zeit sowieso nicht: „Selbst wenn irgendwann wieder Reisen erlaubt sind, dann haben die Leute für dieses Jahr doch schon ihren ganzen Urlaub verbraucht.“