Meschede/Enste. Seit Montag dürfen trotz Coronakrise weitere Geschäfte in Meschede öffnen. Die 800- Quadratmeter-Regel sorgt für Ärger und Frust.

Die Sonne scheint, die Menschen schlendern mit einem Eis durch die neu gestaltete Mescheder Fußgängerzone. Ein ganz normaler Montag? Nein. Der erste Öffnungstag, fünf Wochen nach der Corona-Schließung. Ein Tag mit vielen Fragen und Ungerechtigkeiten.

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Von Ute Tolksdorf, Jürgen Kortmann, Oliver Eickhoff, Frank Selter, Alexander Lange, Christina Schröer

„Für mich erstmal ein guter Tag“, findet Petra Büsse vom Paradiesvogel und zieht die passende Karte aus dem Ständer. Sie will die Entwicklung jetzt erstmal abwarten, aber grundsätzlich ist sie froh über das Bisschen Normalität. Gleichzeitig ist sie besorgt: „Was ist, wenn die Zahlen der Erkrankten wieder steigen und wir in zwei Wochen wieder schließen müssen?“ Sie versucht, ohne ihre Aushilfen auszukommen und dem Vertreter, der ihr schon Weihnachtsaufträge entlocken wollte, hat sie erstmal abgesagt.

Krise schweißt zusammen

Petra Streich vom Modeladen Paul und Pauline ist vorsichtig optimistisch. „Ich hatte heute einige Kunden“, freut sie sich. Als Mitglied im Vorstand der Werbegemeinschaft Meschede aktiv hofft sie, dass diese Krisenzeit die Einzelhändler zusammenschweißt. „Wir sitzen doch alle im gleichen Boot.“

Tobias Heide vor der geschlossenen Brandschutztür. Das Ordnungsamt erkennt die Trennung der Geschäftsräume nicht an.
Tobias Heide vor der geschlossenen Brandschutztür. Das Ordnungsamt erkennt die Trennung der Geschäftsräume nicht an. © Ute Tolksdorf

Beide Frauen profitieren von der Regelung, dass Einzelhändler bis 800 Quadratmeter Ladenfläche öffnen dürfen. Die größeren nicht. Im Kult und bei H&M im Henne-Ruhr-Mark bleibt es dunkel. Nur der Schuhpark hat geöffnet. Bei Deichmann waren es vor allem Kinderschuhe, die direkt am Morgen verkauft wurden, berichtet Filialleiterin Christina Lechelt. In ihrem Geschäft muss jeder einen Chip nehmen. So wird sichergestellt, dass sich dort nicht mehr als die erlaubten 46 Personen aufhalten.

Die 800 Quadratmeter-Regel

Das Modehaus Heide hat mehr als 800 Quadratmeter. Doch Wilhelm Heide schloss die Brandschutztür zwischen Damen- und Herrenabteilung, zwischen Alt- und Neubau. „Wir haben so zwei völlig separate Häuser, mit eigenen Eingängen, eigenen Kassensystemen “, sagt er. Selbst bei den Grundbesitzabgaben würden die Häuser getrennt betrachtet. Er war zuversichtlich, dass diese Regelung trägt. Doch kurz vor Geschäftsschluss kam noch der Anruf der Stadt. „Das Ordnungsamt erkennt das nicht an“, berichtet er. „Dienstag haben wir wieder zu.“ Er ist verärgert.

Dabei könne er in seinem Geschäft den Kunden doch viel mehr Platz einräumen als die vorgeschriebenen 10 Quadratmeter pro Person. 50 Kunden in der Herrenabteilung und noch mal rund 70 in der Damenabteilung? Gar ein Rückstau in die Fußgängerzone? Utopisch für Meschede. Heide blickt mit Sorge auf die prognostizierten Verluste. Entlassungen will er auf jeden Fall verhindern.

Gewerbegebiet Enste: Pilz bleibt geschlossen

Am ersten Tag nach der Corona-Schließung lagen auch in Enste bei Sport Pilz und Möbel Knappstein Hoffnung und Enttäuschung in Zeiten der Corona-Krise ganz nah beieinander.

Frust bei Oliver und Andrea Pilz.
Frust bei Oliver und Andrea Pilz. © Ute Tolksdorf

Während Volker Pilz noch bis Samstagmittag gehofft hatte, dass er sein Geschäft nach einer Verkleinerung wieder öffnen darf, kam dann doch die Negativ-Nachricht vom Einzelhandelsverband: Eine Verkleinerung sei in NRW nicht erlaubt. Und das, obwohl auch am Samstag noch das Ordnungsamt geprüft hatte, dass alle Abstands- und Hygieneregeln eingehalten werden.

Sein Sohn Oliver Pilz kann das nicht verstehen. „Wenn es sein müsste könnte ich hier Abstandsregeln von 100 Quadratmetern pro Person einhalten.“ Er vergleicht sein Geschäft mit den Baumärkten, die geöffnet sind und versteht die Ungerechtigkeit nicht. Der Unternehmer bietet nun weiter seinen Bestell- und Lieferservice an.

Möbel Knappstein öffnet

Rund 500 Meter weiter - über den Kreisverkehr bei Möbel Knappstein sind dagegen die Türen wieder geöffnet. Die Mitarbeiter tragen Mundschutz, eine Putzhilfe reinigt hinter den Kunden her, desinfiziert Scheiben und Geländer. Die Mitarbeiter sind in zwei Gruppen eingeteilt, so dass sie sich bei der Arbeit und in den Pausen aus dem Weg gehen können.

Bei den Kunden erlebe er ein großes Interesse, vor allem an Gartenmöbeln, sagt Geschäftsführer Andreas Knappstein „denn offenbar findet unser Sommer 2020 ja auf den Terrassen und Balkonen statt.“ Doch auch seine Verwaltung ist weiterhin zu 50 Prozent in Kurzarbeit. „Das wird sicherlich kein normales Jahr. Die Kunden haben andere Dinge im Kopf.“

Eine Putzhilfe reinigt regelmäßig die Scheiben, Geländer und alle Teile, die die Kunden abgefasst haben.
Eine Putzhilfe reinigt regelmäßig die Scheiben, Geländer und alle Teile, die die Kunden abgefasst haben. © Ute Tolksdorf

>>>Hintergrund

Im Möbelhaus Knappstein tragen die Mitarbeiter bereits alle einen Mundschutz. In den meisten übrigen Geschäften liegt er zumindest bereit.

Zur Sicherheit für sich und andere würden sich einige Mitarbeiter wünschen, dass die Kunden zumindest selbstgenähte Gesichtsmasken tragen.