Meschede. Seit Mittwoch dürfen die meisten Geschäfte nicht mehr öffnen. Wer noch für die Kunden da ist und warum Risse Blumen verschenkt,

Was kommt jetzt noch? Kurzarbeit, Entlassungen, Existenzbedrohung. Der Einzelhandel darf - um das Coronavirus einzudämmen - seine Türen seit Mittwoch nicht mehr für Kunden öffnen. Das trifft alle Geschäfte hart. Die Mescheder Innenstadt gleicht am Nachmittag einer Geisterstadt.

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Von Ute Tolksdorf, Jürgen Kortmann, Oliver Eickhoff, Frank Selter, Alexander Lange, Christina Schröer

Einzelne Bauarbeiter laufen noch durch die Ruhrstraße und bei Fielmann wird gearbeitet, ein Pärchen schlendert vorbei, ein Rentner ist auf seinem Elektromobil unterwegs. Es sieht aus, wie nach Geschäftsschluss. Aber ist ein sonniger Mittwochnachmittag in Zeiten der Corona-Krise.

Vor Blumen Risse gibt es einen kleinen Menschenauflauf. Weil das Geschäft nicht mehr öffnen darf, hat es die Schnittblumen rausgestellt. „Zu verschenken“ steht auf einem Schild.

Franz Herrmann und Eva Hogrebe bei Optik Sauer denken über eine Notversorgung mit Brillen nach.
Franz Herrmann und Eva Hogrebe bei Optik Sauer denken über eine Notversorgung mit Brillen nach. © Ute Tolksdorf

Handwerker sind wichtig

Welche Geschäfte sonst aufhaben, da muss man sich schon durchfragen. Optiker zum Beispiel. Sie gehören zu den Handwerkern und damit zu den Dienstleistern, die weiter arbeiten dürfen. Schmuckgeschäfte nicht.

Deshalb hat Franz Herrmann, Inhaber von Optik Sauer, die zweite Eingangstür in sein Geschäft abgeschlossen. Trotzdem stand am Morgen eine Mitarbeiterin des Ordnungsamtes vor ihm und verlangte, dass er schließt. Doch das muss er nicht. „Wir erbringen wie auch die Hörgeräteakustiker wesentliche Dienstleistungen für die Gesellschaft.“ Kinderbrillen zum Beispiel muss er noch ausliefern oder da sein, wenn Brillen zu reparieren sind.“ Er überlegt allerdings, ob er die Öffnungszeiten für eine Notversorgung stark reduziert. „Es kommt ja auch kaum noch jemand.“

Absagen im Friseurhandwerk

Und die Friseure? Sie dürfen öffnen. Aber Yasin Kosdik, Inhaber des gleichnamigen Betriebs, macht sich Sorgen. „Wir haben viele Absagen. Ich könnte Kurzarbeitergeld beantragen, weil ich Umsatzeinbußen habe, aber meine Mitarbeiter sind auf ihr Bruttogehalt angewiesen.“ Bisher arbeite er gerade noch kostendeckend. „Wenn es schlechter wird oder ich schließen muss, muss ich spätestens in zwei Wochen Mitarbeiter entlassen.“ Er versucht mit erhöhten Hygienemaßnahmen gegenzusteuern. „Die sind bei uns sowieso schon sehr hoch.“ Ansonsten will er weitermachen, so lange es geht.

Adrian Pluta ist Auszubildender im Friseursalon von Yasin Kosdik. Es verirren sich kaum noch Kunden in den Laden. Dabei dürfen Friseure weiter öffnen.
Adrian Pluta ist Auszubildender im Friseursalon von Yasin Kosdik. Es verirren sich kaum noch Kunden in den Laden. Dabei dürfen Friseure weiter öffnen. © WP Meschede | Ute Tolksdorf

In der Buchhandlung Wortreich hat Frank Höppner am Dienstag noch mal gemerkt, dass sich die Mescheder mit Lesestoff eingedeckt haben. Jetzt verkauft er immerhin noch online, am Telefon und per E-Mail. „Wir bieten dazu dann einen Lieferservice an.“

Voller Lagerräume bei Volker Stratmann

Volker Stratmannhat schon am Dienstagabend die Tür zu seinem Schuhgeschäft in der Mescheder Le Puy-Straße abgeschlossen im Wissen, dass es für lange Zeit das letzte Mal sein wird. Bürgermeister Christoph Weber hatte ihn informiert, bevor der offizielle Erlass der Landesregierung abends über alle Kanäle kam.

Die Lager sind voll, die beste Zeit für den Einzelhandel steht ins Haus. „Die letzten Tage waren hier noch richtig gut“, sagt er. Doch schon am Dienstagnachmittag brach der Umsatz ein. „Diese Epidemie - das ist höherer Gewalt“, er findet, dass es richtig ist, so drastische Maßnahmen zu ergreifen. „Ich hoffe nur, dass die Kunden, wenn es wieder geht, auch zurückkommen.“

Emotionale und finanzielle Belastung

Als Stratmann den Schlüssel rumdrehte, hatten seine Kolleginnen Daniela Langer und Petra Streich schon die Türen abgeschlossen und die Kunden mit Schildern und Instagram informiert. Es kam niemand mehr in den Laden und die emotionale Belastung wuchs von Minute zu Minute. „Das war ein schlimmer Moment“, sagt Daniela Langer. Sie ist im Vorstand von Meschede aktiv und dort die Zweite Innenstadtbeauftragte.

Volker Stratmann schließt sein Schuhhaus ab. Ein emotionaler Moment
Volker Stratmann schließt sein Schuhhaus ab. Ein emotionaler Moment © Ute Tolksdorf

„Das Schild ins Fenster zu hängen, fiel mir extrem schwer.“ Trauer, Wut und ganz reale wirtschaftliche Sorgen belasten. Denn die Fixkosten bleiben: „Miete und Versicherungen muss ich weiter zahlen“, sagt Langer. Auch ihren Verdienstausfall ersetzt ihr niemand. Und dabei ist der April einer der umsatzstärksten Monate. „Aber wir müssen da jetzt durch und hoffen, dass wir das Ganze schnell in den Griff bekommen.“

>>>HINTERGRUND

Noch öffnen dürfen nach dem jüngsten Erlass der Landesregierung von Dienstagabend Lebensmittelgeschäfte, Wochenmärkte, Friseure, Abhol- und Lieferdienste, Getränkemärkte, Apotheken, Poststellen, Reinigungen, Waschsalons, der Zeitungsverkauf, Bau-, Gartenbau- und Tierbedarfsmärkte und der Großhandel.

Auch könnten Dienstleister und Handwerker ihrer Tätigkeit weiterhin nachgehen, heißt es in dem Schreiben des Gesundheitsministeriums an die Kommunen. Cafés und Restaurants öffnen nur noch bis 15 Uhr.