Meschede. Schnuckersachen gegen Informationen: darum ging’s beim Lütke-Fastnacht-Singen wirklich. Unsere Autorin blickt zurück auf Karneval in den 90ern.

Es war immer eine Art Geschäft: Schnuckersachen gegen Informationen. Denn wenn wir mit unserem Liedchen fertig waren, kam sie, die wichtigste Frage aufm Dorf: „Wem hörse?“

Schnuckersachen, wie Süßigkeiten im Sauerland heißen, schleppten die Kinder tütenweise nach Hause.
Schnuckersachen, wie Süßigkeiten im Sauerland heißen, schleppten die Kinder tütenweise nach Hause. © Kai Kitschenberg

Unsere Antworten lieferten wir wie aus Plastikpistolen geschossen: Lippenes Angelika, Dollen Robert (von Kaisers) und ich war – mangels Verwandtschaft und Hausnamen – die Mittlere vom Förster.

Unsere Antwort war ebenso einstudiert und unvergessen wie das Lied Lütke Fastnacht. In Eversberg sogar noch mit einer zusätzlichen Strophe (!) versehen. Die aber niemand mehr so recht verstand, weil wir das Tempo mit jedem Wort anzogen, um schneller am nächsten Türchen schellen zu können. AllesunglückausmHaus.

Als Zugezogene war mir die Nummer mit dem Spieß zunächst unbekannt, der in den meisten Familien über Generationen in der Karnevalskiste verwahrt wurde. Ich hatte keinen. Am Ende des Tages zerbröselten also die runden Kringel mit Hagelzucker am Tütenboden zwischen klebrigen Weingummi-Schnullern und -Kirschen.

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Worüber ich nicht so traurig war, denn richtig geschmeckt hatten mir die Mürbeteig-Plätzchen damals nicht. Ich war allerdings verwöhnt, was die Karnevalsbäckerei anging. Meine Mutter, eine Rheinländerin, buk Mutzen. So, so lecker, aber in meinem Dorf nahezu exotisch. So soll es manches Kind gegeben haben, das versucht hat, die runde, in Schmalz gebackene Köstlichkeit, aufzuspießen…

Das Heischelied Lütke, Lütke Fastnacht
Das Heischelied Lütke, Lütke Fastnacht © WP | wruebel

Meist gingen wir in einer kleinen Mädchengruppe. Verkleidet als Schneeflocke, Rosenrot und Katze – alles selbstgenäht natürlich. Da ließen sich Lippenes Angelika, Dollen Roberts Frau und auch die vom Förster nicht lumpen. Die Jungs waren weniger kreativ. In den frühen 90ern gingen alle als Punker. Hauptsächlich, weil sie sich dann mit diesen Sprühdosen „bewaffnen“ konnten.

Das Klackern der Dosen schallte durch die Gassen, die für Schneeflocke, Rosenrot und Katze zu einem unsicheren Pflaster wurden. Wir nutzten lieber die Waffe der Frau: Das Gehirn. So liefen wir in einem Jahr nach der Schule direkt auf die andere Seite des Dorfes. Von dort sangen wir uns dann antizyklisch durch die Straßen. Weil dort oben niemand mit uns rechnete (ergo kaum Süßes im Haus hatte), gab’s für uns Knete – statt Kringelbrösel.