Meschede. „Bei uns war in diesem Jahr niemand“, das sagen nach Lütke Fastnacht immer mehr Mescheder, weil weniger Kinder gehen singen. Warum ist das so?

Immer weniger Kinder ziehen Lütke Fastnacht von Haus zu Haus. Darüber sind viele Mescheder traurig, vor allem, weil sie selbst so schöne Erinnerungen an den Brauch haben. Was sind die Gründe? Wir haben Karnevalsprofis dazu befragt. Und ihnen auch ein paar Anekdoten entlockt.

Carina Butz in ihrem ersten Gardekostüm.   
Carina Butz in ihrem ersten Gardekostüm.   © Privat


Carina Butz (28), Präsidentin der KG Blau Weiß Meschede-Nord
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„Früher bin ich mit meinen Geschwistern und meiner Mutter singen gegangen. Später dann auch allein mit meinen Freunden. Und unsere Tüten waren wirklich immer gut gefüllt. Mein schönstes Kostüm war eine Prinzessin. Das Kostüm wollte ich unbedingt haben und nach langer Überredung durfte ich es bei Königs kaufen.

Ob wirklich weniger Kinder unterwegs sind als früher, kann ich nicht sagen. Die Mütter aus dem Elferrat verabreden sich auf jeden Fall immer, um mit den Kindern singen zu gehen. Sollten weniger Kinder singen gehen, wäre das natürlich sehr schade. Da geht ein Stück Karnevalstradition verloren. Gerade Kinder begeistern sich ja fürs Verkleiden. Das merken wir auch. Deshalb fährt unser Verein (in diesem Jahr jedoch nur mit einer kleinen Delegation) seit Jahren mit dem Kindergarten „Kleine Wolke“ zum Rosenmontagszug nach Warstein.“

Frank Schlüter (4. von rechts, damals als Prinz) mit seiner Karnevalsgesellschaft Remblinghausen im Närrischen Landtag.
Frank Schlüter (4. von rechts, damals als Prinz) mit seiner Karnevalsgesellschaft Remblinghausen im Närrischen Landtag. © WP | Privat


Frank Schlüter (48, „an Veilchendienstag geboren“), Karnevalsgesellschaft Remblinghausen:
„Bei uns war in diesem Jahr keiner“, höre ich auch häufiger von den älteren Leuten in meiner Straße. Das ist wirklich sehr schade, weil sich gerade die Älteren immer freuen, wenn die Kinder an der Tür klingeln. Auch wir sind schon häufiger auf unseren Süßigkeiten sitzen geblieben, obwohl wir sehr zentral wohnen. Die müssen wir dann selbst essen – vor der Fastenzeit, das ist das eigentlich Schlimme daran...

Aber Scherz beiseite: Es wird generell weniger. Die Brauchtümer schleichen sich aus. Ich bin Filialleiter in der Sparkasse Remblinghausen und auch dorthin kommen weniger Kinder zum Singen. Es ist kein Vergleich zu früher.

Mein Vater hatte mir damals extra einen Spieß gebaut. Ein Unikat. Den habe ich heute noch. Und die Mütter knoteten Fäden an die Süßigkeiten, damit man sie an den Spieß hängen konnte. Das macht heute auch keiner mehr.

Aber generell würde ich Remblinghausen auch weiterhin als jeckes Dorf bezeichnen. Wir bieten hier für alle Altersgruppen etwas an und das wird auch gut angenommen.

Alexander Jürgens, Sitzungspräsident des Wennemer Tanzsportclubs (WTC).
Alexander Jürgens, Sitzungspräsident des Wennemer Tanzsportclubs (WTC). © Privat


Alexander Jürgens (41), Sitzungspräsident des Wennemer Tanzsportclubs (WTC):
„Zorro, ich war immer Zorro. Und damit natürlich nicht der einzige im Dorf. Es waren in Wennemen viele Zorros unterwegs. In den Straßen lieferten wir uns wilde Gefechte. Fast alle hatten Plastikpistolen mit diesen roten Munitionsringen. Wenn wir uns begegneten, schätzten wir schon von weitem die Tüten der anderen ab.

Schnell tauschten wir uns dann aus: Wo gibt’s Mohrenkopfbrötchen? Was gibt’s in den Lebensmittelläden? Damals gab es noch drei.

Früher gingen wir meist in kleinen Gruppen, drei oder vier Freunde. Heute sind die Gruppen größer. Aber insgesamt sind schon weniger Kinder unterwegs. Was natürlich sehr schade ist.

Für uns war es damals selbstverständlich. Es machte uns als Kindern Spaß, aber natürlich auch den Älteren, wenn da von Jürgens Herrmann der Jüngste und all die anderen Knirpse vor der Tür standen. Wie schön es ist, den älteren Leuten eine Freude zu machen, haben wir vor Weihnachten noch gemerkt. Da sind ein paar Kinder losgezogen und haben bei älteren Bewohnern geklingelt, um ihnen Weihnachtslieder vorzusingen. Die Menschen hatten Tränen in den Augen.“

Roland Mellios mit acht Jahren auf eine Karnevalsparty in der Grundschule. Er ist der Indianer ganz links.    
Roland Mellios mit acht Jahren auf eine Karnevalsparty in der Grundschule. Er ist der Indianer ganz links.     © Privat


Roland Mellios (51), Karnevalspräsident der Siedlergemeinschaft Hünenburg (SGH):
„Wir wohnen in Eversberg in der karnevalistischen 1C-Lage. Dorthin verirren sich selten Kinder zum Singen, deshalb kann ich über die Entwicklung in Eversberg wenig sagen. Aber aus der Hünenburgstraße höre ich schon, dass weniger Kinder unterwegs sind.

Wir sind damals nach der Schule direkt los, in der einen Hand den Spieß, in der anderen die Tragetasche. Bis es dunkel wurde.

Ich erinnere mich noch genau an ein besonderes Kostüm damals. Mein Kumpel wollte unbedingt, dass wir Kreuzritter werden. Also überredete ich meine Mutter. Sie war erst überhaupt nicht begeistert. Aber ich hatte Erfolg. Allerdings stellte ich dann in der Schule fest, dass mein Freund nicht als Kreuzritter ging. Seine Mutter hatte es verboten. Das werde ich nie vergessen.

Generell wird weniger gefeiert. Vielleicht sind die Leute satt. Auch Süßigkeiten gibt es ja überall und immer. Das war früher schon anders. Man kann sich heute gar nicht mehr vorstellen, was früher an Karneval in der Stadt los war. Da sind wir vorn bei Kotthoff’s Theo rein, zur Theke, hinten durchs Fenster wieder raus, um uns dann vorn wieder anzustellen. Einfach, weil’s so voll war.“