Bestwig. Seit 28 Jahren ist Marcus Frese Fahrlehrer. In dieser Zeit hat er viel erlebt. Zwei Fälle sind ihm aber ganz besonders in Erinnerung geblieben.

Seit 28 Jahren ist Marcus Frese inzwischen Fahrlehrer. Tausende Menschen haben bei ihm ihren Führerschein gemacht. Wir haben uns mit ihm zum lockeren Plausch an der Theke des Gasthofs Hengsbach in Bestwig getroffen.

Auch ein Bierchen?

Ja, gerne. Ich bin ja zu Fuß hier. Ansonsten hätte ich tatsächlich etwas anderes genommen. Da bin ich sehr konsequent. Wenn ich noch Autofahren muss, trinke ich grundsätzlich keinen Tropfen Alkohol. Ansonsten würde ich mich selbst unwohl fühlen. Das gilt privat, wie auch für mich als Fahrlehrer. Es gibt das Sprichwort „Wer fährt, trinkt nicht und wer trinkt, fährt nicht“. Und daran halte ich mich strikt.

Ganz ehrlich: Warum wird man Fahrlehrer? Es gibt so viele schöne Berufe, für die man ganz bestimmt weniger gute Nerven und weniger Geduld braucht?

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Der Job war schon in meiner Jugend ein Traum. Als Jugendlicher habe ich selbst diverse Führerscheine bei unserem Hänschen Niggemann gemacht. Da habe ich mir gedacht, das könnte auch für dich was sein. Während meiner zwölfjährigen Bundeswehrzeit habe ich dann meine Fahrlehrer-Ausbildung gemacht und mich später entschieden, in diesem Bereich zu bleiben. Seit 1996 bin ich jetzt selbstständig und habe das bis heute nicht bereut

Aber als Fahrlehrer braucht man schon gute Nerven, oder?

Auf jeden Fall. Für jemanden, dem nach dem dritten mal Erklären, der Hut hoch geht, ist dieser Beruf nichts. Man muss schon sehr geduldig sein. Auch nach dem 20. Mal muss man manchen Schülern noch ganz ruhig sagen, dass sie beim Schalten die Kupplung durchtreten, und wenn sie sich verschalten und aus Versehen den ersten statt den dritten Gang einlegen wollen, darf man niemals laut werden. Als Fahrlehrer muss man gut zuhören und sich in den Fahrschüler hinein versetzen können - und schnell genug sein, um rechtzeitig eingreifen zu können.

Gibt es denn etwas, was sie auf die Palme bringt?

Was mich stört, ist das Verhalten der übrigen Verkehrsteilnehmer - insbesondere das „Nichtblinken“ im Kreisverkehr. Außer der Fahrschule blinkt leider kaum noch jemand, wenn er den Kreisverkehr verlässt. Da habe ich mir schon einige Male gewünscht, dass die Polizei kontrolliert. Vielleicht kommt es dann bei dem ein anderen mal wieder an. Was mich außerdem ärgert ist, wenn manche Verkehrsteilnehmer bewusst provozierend dicht auf Fahrschulautos auffahren. Und das kommt leider recht häufig vor, obwohl unsere Fahrzeuge ja eindeutig gekennzeichnet sind.

Die Huperei ist weniger geworden

Wie oft werden sie denn angehupt?

Das ist erfreulicherweise weniger geworden. Ich erinnere mich aber noch sehr gut an eine Situation in Wehrstapel. Das ist aber wirklich schon sehr lange her. Da standen wir an der Kreuzung und wollten nach links abbiegen. Weil das ein wenig gedauert hat, hat eine ältere Dame hinter uns permanent gehupt - mit dem Ergebnis, dass meine Fahrschülerin immer nervöser wurde und das Auto mehrmals abgewürgt hat. Weil das Gehupe nicht aufgehört hat, bin ich ausgestiegen und habe ganz ruhig mit der Dame gesprochen. Sie hat sich am Ende sogar für ihr Verhalten entschuldigt. Das war aber wirklich der einzige Fall, in dem mich mal ausgestiegen bin.

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Welche Schüler bleiben Ihnen in Erinnerung?

Bei tausenden Fahrschülern in all den Jahren erlebt man viel, vergisst aber auch wieder viel. Zu denen, die mir immer präsent bleiben werden, gehört jemand, der mit 16,5 Jahren angetreten ist, um ab 17 Jahren am begleiteten Fahren teilzunehmen. Er hat sich am Ende so viel Zeit gelassen, dass er 22 Jahre alt war, bis er den Führerschein endlich in der Tasche hatte. Aber er hat das selber mit Humor genommen. Und in Erinnerung geblieben ist mir ein älterer Motorradfahrschüler. Der hat bei der Prüfung alles richtig gemacht und am Ende hat er - warum auch immer - vergessen, die Füße runterzunehmen und ist samt der Maschine umgekippt. Aber er hatte Glück: Für den Prüfer war es die allerletzte Prüfung, weil er den nächsten Tag in Rente gegangen ist. Der hat gesagt: „Wissen Sie was, Sie sind mein allerletzter Prüfling, ich gebe ihnen den Führerschein trotzdem.“

Sie sitzen lange mit jungen Menschen im Auto. Über was wird da heutzutage gesprochen?

Ich versuche, die Gespräche auf das Wesentliche zu beschränken, weil sich meine Schüler auf das Konzentrieren sollen, warum sie das sind: das Autofahren. Natürlich plaudert man beim Ein- und Aussteigen. Aber während der Fahrt selbst sind viele sowieso von sich aus sehr ruhig. Die Konzentration ist auch wichtig: Der Verkehr ist nicht wenig und man muss immer auch für die anderen mitdenken.

Ein bisschen mehr Gas“

Was sind die meistgesagtesten Sätze in ihrem Job?

Puh, gute Frage! Das typischste ist wohl „Die nächste rechts rein“ oder „Ein bisschen mehr Gas“. Ganz häufig kommt aber auch „Denk an die Spiegel“. Viele stellen sich nach dem Einsteigen ganz wunderbar sämtliche Spiegel ein, aber in den 90 Minuten muss man sie immer wieder daran erinnern, sie zu nutzen. Und auf die Nähe zum Bordstein oder zu geparkten Autos muss man als Fahrlehrer recht häufig hinweisen, weil viele durch die Konzentration nach vorn das Links und Rechts manchmal vergessen.

Wie oft hat es denn schon gerumst?

(klopft drei Mal auf die hölzerne Theke) Noch nie! Toi! Toi! Toi!

Als Fahrlehrer sind Sie privat doch bestimmt ein ganz furchtbarer Beifahrer?

Nein, das glaube ich nicht (lacht). Schon allein deshalb, weil es so gut wie gar nicht vorkommt, dass ich privat auf dem Beifahrersitz sitze. Ich sitze die ganze Woche rechts im Auto, da bin ich froh, wenn ich auch mal selber fahren kann. Klar gibt es einige Ausnahmen. Wenn ich zum Beispiel mit meinem Sohn fahre, erwische ich mich dabei wie ich auch als Beifahrer an der Kreuzung einen langen Hals mache oder in den Innenspiegel schauen will, den es dort für die Beifahrerseite natürlich nicht gibt. Aber das ist nach 28 Jahren einfach drin und das kriegst du vermutlich auch nicht mehr raus. Das machst du ohne darüber nachzudenken. Mein Sohn lacht sich darüber immer scheckig.

Was raten Sie ihren Schülern vor der Prüfung?

Bleibe ruhig, blende den Prüfer aus und fahr genau so, wie du in den letzten Fahrstunden gefahren bist. Es gibt natürlich Fahrschüler, die haben richtige Prüfungsangst und gehen da ganz offen mit um. Da ist das natürlich ein bisschen schwieriger. Ich rate immer, es nicht so sehr an dem Begriff „Prüfung“ aufzuhängen. Man muss sich stets bewusst sein, dass der Mann auf der Rückbank nichts Böses von einem will.

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Wie nervös sind Sie selber am Prüfungstag?

Nervös ist man nach abertausenden von Prüfungen nicht mehr - es gibt ja in jeder Woche einen Prüfungstag. Das gehört zum Alltag. Aber man ist natürlich angespannter als bei einer normalen Fahrstunde, weil man immer mithofft, dass der Fahrschüler keinen Fehler macht. Da ist es schon so, dass nach der letzten Prüfung auch eine Last vom Fahrlehrer abfällt. So ein Tag ist schon anstrengend.

Wie oft bimmelt heutzutage das Telefon eines Fahrlehrers?

Oh, das ist ein gutes Thema. Das ist zum Teil schon nervig. Gerade über WhatsApp werden Fahrstunden oft so kurzfristig abgesagt, dass wir gar nicht mehr reagieren können, um jemanden zu finden, der einspringen könnte. Und es gibt immer wieder bestimmte Kandidaten, bei denen so etwas öfter vorkommt. Es gibt auch welche, die schreiben dir mitten in der Nacht eine WhatsApp. Erst letzte Woche hatte ich morgens einen entgangenen Anruf auf meinem Handy - von 1.40 Uhr in der Nacht. Das war ein Schüler, der seine morgendliche Fahrstunde absagen wollte. Uhrzeit und Wochentag spielen für viele keine Rolle mehr. Weil das Handy quasi immer zur Stelle ist, wird heute auch schneller mal eine Stunde abgesagt als damals.

Der Wirt hakt nach

Beim Thekengespräch darf und soll sich sich auch der Wirt einmischen.

Was kostet eigentlich so ein Führerschein heute im Schnitt?

Bernhard Hengsbach am Zapfhahn in seinem Gasthof an der Bundesstraße in Bestwig.
Bernhard Hengsbach am Zapfhahn in seinem Gasthof an der Bundesstraße in Bestwig. © Frank Selter

Für die Klasse B muss man rund 2000 Euro rechnen. Das klingt gegenüber der damaligen Zeit für manche zunächst viel. Aber man muss bedenken, dass sich die Zeiten geändert haben. Die Stunden sind viel mehr geworden - heutzutage muss man mit etwa 25 bis 30 Fahrstunden rechnen. Und wenn man es mit damals vergleicht, muss man sich immer auch fragen: Was hat damals der Liter Sprit oder das Brötchen gekostet. Dieser Wandel geht auch an einer Fahrschule nicht vorbei. Ich vergleiche das gerne mit einem Handwerker. Eine 45-minütige Fahrstunde kostet aktuell 43,50 Euro. Und jetzt geh mal in die Werkstatt, da zahlst du schon rund 70 Euro für die Stunde und da ist das Material noch nicht dabei. Dann relativiert sich das ganz schnell.

Und wie lange braucht man heute, bis man den Führerschein in der Tasche hat?

Wer mit ein bisschen Elan dahinter ist, schafft das in drei bis vier Monaten. Mit ganz viel Elan ist das auch in sieben Wochen machbar. Aber diesen Elan haben heutzutage die wenigsten. Bei uns war der Führerschein früher ein Highlight. Das hat sich geändert. Heute werden die Jugendlichen zum einen viel von ihren Eltern gefahren und zudem haben sie die Möglichkeit, jederzeit mit ihren Freunden zu kommunizieren. Heute muss man nicht mehr wegen jeder Kleinigkeit zu seinem Kumpel. Hier im ländlichen geht das ja noch. Aber ich habe Bekannte in der Stadt, da ist der Anreiz für den Führerschein noch geringer, weil man alle paar Minuten in die S-Bahn, die U-Bahn oder den Bus einsteigen kann.

Was sind die häufigsten Gründe dafür, dass Jugendliche durch die Prüfung rasseln?

Das ist ganz unterschiedlich. Relativ häufig ist es das eigentlich harmlose Thema „Rechts vor links“, obwohl wir bei der Prüfung Strecken fahren, die die Schüler eigentlich im Schlaf kennen müssten. Das hängt aber oft mit der Nervosität zusammen. Man muss sagen, dass bei einer Fahrprüfung auch immer ein ganz kleines bisschen Glück dazu gehört. Hier kann die umspringende Ampel am Ende den Ausschlag geben, weil sie den Fahrschüler von jetzt auf gleich vor die Frage stellt: Was mache ich, bremsen oder Gas geben? Hier kann es bei der falschen Entscheidung schnell vorbei sein. Zuletzt standen wir bei einer Prüfung auf der Kreuzung als ein Rettungswagen kam. Auch das kannst du natürlich vorher nicht üben - zumindest nicht praktisch.

  • Marcus Frese ist 53 Jahre alt. Fahrlehrer ist er seit dem Jahr 1991. Selbstständig gemacht hat er sich 1996.
  • Inzwischen betreibt er gemeinsam mit seiner Frau Michaela, die ebenfalls Fahrlehrerin ist, drei Fahrschulen: in Bestwig, in Nuttlar und in Bigge.