Meschede. Dr. Jutta Padberg, Schulpsychologin beim Hochsauerlandkreis, macht Eltern Mut zur Gelassenheit. Im Interview gibt sie Tipps für die Schulwahl.

Vor einer für den weiteren Lebensweg ihrer Kinder entscheidenden Frage stehen in diesen Tagen viele Eltern von Grundschülern, die im Sommer auf die weiterführenden Schulen wechseln werden. Folgt man der Empfehlung der Grundschule oder allein dem eigenen Ermessen? Damit Eltern eine zusätzliche Hilfestellung haben, ein Interview dazu mit Dr. Jutta Padberg, Schulpsychologin beim Hochsauerlandkreis.

Was ist das entscheidende Kriterium für die Schulwahl: die Empfehlung der Grundschule oder die Auffassung der Eltern?

Jutta Padberg: Die Regelung in NRW ist die folgende: Mit dem Halbjahreszeugnis der Klasse 4 erhalten die Eltern eine Empfehlung für den weiteren Bildungsweg ihres Kindes. Diese begründete Empfehlung soll ihnen helfen, die richtige Schulform für das Kind zu wählen und eine geeignete Schule zu finden. Die Empfehlung ist als Hilfestellung der Grundschule gedacht, aber nicht bindend. Nach der Beratung durch die Grundschule können die Eltern ihr Kind an einer weiterführenden Schule ihrer Wahl anmelden. Dort wird im Rahmen der Aufnahmekapazität entschieden, ob das Kind aufgenommen wird. Aus meiner Erfahrung heraus stimmen die Einschätzungen von Grundschule und Eltern in der überwiegenden Zahl der Fälle auch überein.

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Ist die Empfehlung der Grundschule also in der Regel zutreffend?

Grundschullehrkräfte kennen ihre Schüler in der Regel über einen Zeitraum von vier Jahren, erleben sie in einer Vielzahl von Gruppen- und Leistungssituationen, beobachten ihre Entwicklung und haben viel Erfahrung und pädagogische Expertise. Von daher ist ihre Einschätzung von großem Wert und in der Regel wird die gut begründete Empfehlung der Lehrkräfte den Schülern sicherlich gerecht. Die Frage, ob die Empfehlung zutreffend ist, impliziert, dass es eine eindeutig „richtige“ Entscheidung gibt. In manchen Fällen mag es den einen richtigen Weg aber möglicherweise nicht geben.

Sind Eltern überhaupt in der Lage, allein die richtige Schulwahl für ihr Kind zu treffen?

So, wie Lehrkräfte Experten in den zuvor beschriebenen Fragen sind, sind Eltern Experten für ihr eigenes Kind. Vielleicht gibt es ja ein Potenzial, das sich im Schulalltag bislang nicht offenbart hat. Beide Perspektiven, die wie gesagt häufig auch gar nicht so weit auseinanderliegen, zusammenzubringen und die Expertise des jeweils anderen ernst zu nehmen, ist sicherlich ein guter Weg. Eltern und Lehrkräfte handeln meiner Erfahrung nach beide gleichermaßen von der Frage geleitet, welcher Weg dem Kind eine erfolgreiche Schulkarriere und gleichzeitig eine gesunde Entwicklung und Kindheit ermöglicht. Darüber sollten beide miteinander im Gespräch sein, und dies erfolgt in Schulen ja auch über die gesamte Grundschulzeit hinweg und nicht erst zum Ende der vierten Klasse.

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Muss die Motivation des Kindes eine Rolle spielen?

Wichtig ist es aus meiner Sicht, nicht alleine Noten und Begabung zu berücksichtigen, sondern etwa auch die Motivation, das Lernverhalten, die Selbständigkeit und das Selbstvertrauen des Kindes. Ist das Kind motiviert, arbeitet es selbstständig - zum Beispiel bei den Hausaufgaben. Ist das nicht der Fall, wird es möglicherweise am Gymnasium, wo selbstständiges Arbeiten erwartet wird, nicht glücklich. In manchen Fällen spricht das für die Wahl einer Schulform, an der das Lernen stärker strukturiert wird.

Ist der Ehrgeiz der Eltern in Sachen Schulkarriere des Kindes mitunter zu groß?

Eltern wollen das Beste für ihr Kind. Dazu gehört auch der verständliche Wunsch, dem Kind eine möglichst erfolgreiche Schullaufbahn zu ermöglichen. Wir sprechen aber auch vielfach mit Eltern, die sich selbst darüber sorgen, ob ein möglicher Leistungsdruck zu groß für ihr Kind werden könnte. Denn was nutzt es, wenn das Kind vielleicht das Gymnasium oder die Realschule schaffen kann, dafür aber so viel lernen muss, dass die Kindheit verloren geht und es den Spaß am Lernen verliert?

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Macht es Sinn, ein Kind allein durch Nachhilfe durch eine Schule zu schleusen?

Kinder, die jahrelang die Erfahrung machen, mit viel Arbeit und Nachhilfe gerade so mitzukommen, erwerben selten eine positive und selbstbewusste Einstellung zum Lernen und den eigenen Fähigkeiten. Grundsätzlich kann das Wissen hilfreich sein, dass unser Schulsystem durchlässig ist. Die Entscheidung für die Real- oder Sekundarschule nach der vierten Klasse beispielsweise bedeutet nicht automatisch eine Entscheidung gegen das Abitur. Da möchte ich den Eltern gerne Mut zur Gelassenheit machen, die dem Kind Raum für eine gute Entwicklung geben kann.

Welche Rolle bei der Schulwahl sollte die Meinung des Kindes spielen?

Auch die Kinder sollten bei der Entscheidung gehört werden, allerdings ist gut einzuschätzen, aus welcher Motivation heraus Kinder bestimmte Wünsche nennen. Vielleicht sind es sogar die Vermutungen der Kinder über die Erwartungen der Eltern oder die Schulwahl der Freunde. Doch letztlich kann ein Viertklässler die Tragweite der Entscheidung nicht überblicken. Die Verantwortung für die Entscheidung liegt bei den Erwachsenen.

Eine detaillierte Übersicht über alle Schulen im Stadtgebiet finden Sie hier.