Bestwig. Familie Mustermann in Bestwig muss bei den Grundabgaben mehr zahlen als Mustermanns in der Nachbarschaft. Ist das Leben dort wirklich teurer?

Die Bescheide für die Grundbesitzabgaben treffen in den nächsten Tagen wieder in den Haushalten ein. Im Vergleich der benachbarten Kommunen Meschede, Eslohe, Schmallenberg und Bestwig fällt auf, dass die Familie Mustermann in Bestwig tiefer in die Tasche greifen muss. Warum ist das so? Bestwigs Bürgermeister Ralf Péus erklärt das.

Haben Sie das Gefühl, in einem teuren Ort zu leben?

Nein, überhaupt nicht. Und das ist eine Erkenntnis, zu der eigentlich jeder kommen wird, wenn man nicht hypothetische Kosten einer angenommenen Musterfamilie betrachtet, sondern die tatsächlichen Kosten und Gebühren, die unsere Bürgerinnen und Bürger zu tragen haben. Und ganz wichtig: Wenn man nicht nur fiktive Kosten vergleicht, sondern auch die Leistungen, die dahinter stecken, werden Sachverhalte noch einmal aussagekräftiger.

Familie Mustermann zahlt fast 60 Euro mehr fürs Abwasser als in Schmallenberg. Meschede und Eslohe liegen sogar noch 110 Euro darunter. Warum kostet das in Bestwig so viel?

In Bestwig gehen wir das Thema Abwasserentsorgung konzeptionell ab. Wir investieren stark in unser Kanalnetz und setzen unser Abwasserbeseitigungskonzept 1:1 um. Das erhöht nicht nur den Wert unseres Kanalnetzes, sondern sichert dauerhaft seine Funktion. Würde man umgekehrt kaum investieren und hätte irgendwann eine Vielzahl teurer Reparaturen, würden - anfangs günstige - Abwassergebühren sprunghaft steigen. Unsere Devise: Wer dauerhaft investiert, ist langfristig günstiger dran als eine Kommune, die ihr Kanalnetz „auf Sparflamme“ betreibt.

Auch beim Abfall fällt es auf: Familie Mustermann zahlt 289 Euro für ihre Tonnen in Bestwig, in Eslohe kommt die Vergleichsfamilie auf 235, in Meschede und Schmallenberg auf 196 bzw. 173 Euro. Was ist die Erklärung? Der Müll der Bestwiger Mustermanns ist doch der gleiche wie in den anderen Orten…

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Die Frage ist aber, ob die Mustermanns überhaupt mit ihren Mülltonnen hinkommen, die der Berechnung zugrunde liegen. Denn eine 80-Liter-Biotonne mag vielleicht in der Großstadt angemessen sein - meine Erfahrung ist aber, dass man im ländlichen Raum, wo man oft ein Haus mit Garten hat, eine größere Tonne braucht. Und wenn man die Kosten nicht mit einer 80-, sondern einer 240-Liter-Biotonne vergleicht, wäre das interkommunale Ergebnis ein ganz anderes. Hinzu kommt: Weil wir in Bestwig eine andere Gebührensystematik bei der Abfallentsorgung haben, werden bei den Mustermanns im Grunde genommen Äpfel mit Birnen verglichen. Eine vierköpfige Familie ist heutzutage schon lange nicht mehr die Regel. Und würde man kleinere Haushalte vergleichen, stehen wir mit unserer Gebührensystematik deutlich günstiger da. Es lohnt sich also, hier nicht eine fiktive Berechnung anzustellen, sondern auf tatsächlich anfallende Kosten zu schauen.

Der Bund der Steuerzahler sagt, günstige Hebesätze seien ein Standortfaktor. Mit 381 Euro ist der für die Grundsteuer B in Bestwig aber der teuerste. Ist das also ein Standortnachteil?

Vorab: Im Vergleich aller HSK-Kommunen liegt die Gemeinde Bestwig mit ihren Realsteuersätzen im mittleren Bereich. Generell werden die Realsteuersätzen politisch beschlossen - also in den Räten. Die Entscheidungsspielräume sind, wenn man sich in der Haushaltssicherung befindet, klein. Ganz wichtig sind zudem die so genannten fiktiven Hebesätze, die das Land NRW vorgibt. Sollte es - zum Beispiel im kommenden Jahr - dort zu Änderungen kommen, könnten auch die Steuersätze in den hiesigen Kommunen anders aussehen - auch im Vergleich untereinander.

Ärgert Sie solch ein Vergleich zwischen den Kommunen? Würden Sie nicht lieber günstigere Kosten vorweisen?

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Nein, der Vergleich ärgert mich überhaupt nicht. Auch die Bürger oder Interessierte, die sich hier ansiedeln wollen, vergleichen ja Kommunen miteinander - insofern muss man sich solch einem Vergleich stellen. Aus meiner Sicht ist aber ein Vergleich nur dann wirklich aussagekräftig, wenn man nicht nur Zahlen miteinander vergleicht, sondern auch Leistungen. Ein Beispiel: In den vergangenen beiden - extrem trockenen - Sommern hat unser Kommunalunternehmen Hochsauerlandwasser GmbH (HSW) beim Trinkwasser immer eine ständige Versorgungssicherheit und eine hohe Qualität garantieren können. Gerade bei der Versorgungssicherheit sah es in anderen Kommunen deutlich anders aus. Das ist ganz bestimmt ein sehr wichtiger Faktor - in einem reinen Zahlenvergleich taucht der aber nicht auf.

Wie ist Ihre Prognose? Wird das Leben in Bestwig noch teurer werden?

Steuern und Gebühren werden von unseren Bürgervertreterinnen und -vertretern im Gemeinderat beschlossen - oder in den Aufsichtsräten von Kommunalunternehmen, die ebenfalls mit Ratsvertretern besetzt sind. Niemand hat dort ein Interesse, Bürger über Gebühr zu belasten. Das ist ein Thema, mit dem sehr verantwortlich umgegangen wird. Würden Sie eine Gegenrechnung aufmachen? Was hat Bestwig, was die anderen nicht haben? Bestwig hat im Vergleich sehr günstige Wohnbaugrundstücke und bezahlbare Mieten, wir haben Unternehmen, die qualifizierte und fair bezahlte Arbeitsplätze bieten, wir haben eine hervorragende Erreichbarkeit sowohl auf der Straße wie auch auf der Schiene. Es gibt aber auch etwas, was wir nicht - mehr - haben: Stau.