Meschede. Anita Senger übernahm vor 35 Jahren den Friseursalon der Familie Schmülling. In diesen Tagen feiert das Geschäft sein 100-jähriges Bestehen.
Die Tür öffnet sich und schon beginnt die Zeitreise in die 80er, ein bisschen auch in die 70er, und wenn man mit Friseurmeisterin und Geschäftsinhaberin des Haarformstudios Senger, Anita Senger, spricht, geht es auch noch weiter zurück, bis in die Anfänge des letzten Jahrhunderts. 1919 eröffnete die Familie Schmülling einen Friseurladen an der Ruhrstraße 22. Dort steht er bis heute und ist damit das älteste Mescheder Geschäft am Platze, egal ob mit Fassonschnitt, Heißwelle, Wasserwelle oder Bob.
In den 70er-Jahren zuletzt modernisiert
Anita Senger ist 66, sie kam als 20-jährige Friseurin aus Elpe zu Schmüllings und blieb - wie die Einrichtung, die Josef Schmülling das letzte Mal in den 70er-Jahren - damals nach der neuesten Mode - renovieren ließ. Waschbecken in Rosa und Grau mit einer Mulde fürs Kopfwaschen, goldene, schrägstehende Spiegel an den Frisiertischen, der Empfang aus Kirschbaum. Aus noch älterer Zeit blieb der alte hölzerne Kinderdrehstuhl.
Grau und Rosa werden wieder modern
„Ich mag es so“, betont sie, „Ich bin nicht so für Veränderungen.“ „Und tatsächlich wird manches jetzt wieder modern“, sagt sie und deutet lachend auf ihre Einrichtung. Damals, nach Meisterprüfung 1984 und der Übernahme 1985 musste sie erst mal sparen. „Fünf Lehrlinge hinterließ mir mein Chef, 12 Mitarbeiter waren wir insgesamt.“ Auch die Einrichtung kaufte sie ihm ab. Eine neue Trockenhaube kostete schon damals 1400 Mark. Sie weiß das noch genau, denn „die gingen damals nach und nach kaputt.“ Auch das ein Kostenfaktor.
Mescheder Chefin kennt die ganzen alten Geschichten
Anita Senger mag die alten Geschichten um den Friseursalon und kennt sie alle. Nicht zuletzt von ihren Kunden. Drei Damen sind schon so alt wie ihr Geschäft - 100 Jahre. Sie betreut viele Familien über Generationen, in Freud und Leid. „Das ist hier wie eine Familie.“
Josef Schmülling eröffnete im Jahre 1919 den Friseurbetrieb im elterlichen Haus in der Ruhrstraße 22. Damals eher für Männer als für Frauen. Die Männer kamen sonntags vor der Messe zum Rasieren. Josef Schmülling schnitt ihnen die Haare und verkaufte Zigarren und Zigaretten.
Während der Bombenangriffe im Februar 1945 wurde das Haus getroffen und brannte völlig aus. Josef Schmülling senior kam im Jahre 1945 durch einem tragischen Unfall ums Leben. Er stürzte unglücklich von einem Leiterwagen. Seine Witwe baute mit Hilfe ihrer Schwiegersöhne das Haus wieder auf.
Man ging in Meschede zum „Figaro“
Sohn Josef, der auch das Friseurhandwerk erlernt hatte, kam Ende der 40er-Jahre aus der Gefangenschaft zurück. Er legte 1950 die Meisterprüfung ab und wurde später auch Innungsobermeister. An der Ruhrstraße entstand ein moderner Friseursalon, der zur Rückseite hin erweitert wurde. An die Leuchtreklame „Figaro“ werden sich viele Mescheder erinnern. „Man ging nicht zu Schmülling, man ging zum Figaro“, erzählt Anita Senger schmunzelnd. „Gleichzeitig war das sein Spitzname.“
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Großstadt-Flair für Meschede
Wichtig war auch Anneliese Schmülling. Die Frau von Josef Schmülling stammte aus Herdecke und stieg nach der Hochzeit ins gemeinsame Geschäft ein. Sie war auch Friseurin und hatte Kosmetik in Berlin gelernt. „Sie brachte damals Großstadt-Flair mit nach Meschede“, weiß Anita Senger. Sie kam in einer Zeit, in der bei Schmüllings die Kundinnen noch in einzelnen Kabinen saßen. „Man konnte zwischen den Stühlen einen Zieharmonika-Vorhang vorziehen“, erinnert sich Anita Senger „und musste darauf achten, wer neben wem sitzen durfte und wer nicht.“
Auch nach der Übernahme schaute Josef Schmülling noch regelmäßig vorbei. Immer mittwochs kümmerte er sich um seine alten Kunden. Schmunzelnd erinnert sich Anita Senger an ihren ehemaligen Chef, der immer zwei Taschentücher dabei hatte: „Eins für die Nase und eins, um zu prüfen, ob Staub auf dem Türrahmen lag.“
Und dann gibt es tatsächlich auch noch Josef Schmüllings erste Kundin. Elisabeth Stöwer, geborene Helleberg, lebt bis heute in Meschede. „Ein junges Mädchen als erste Kundin, das bringt Glück“, sagte sie oft zu Josef Schmülling.“ Glück, das auch Anita Senger blieb: „Ich gehe bis heute noch jeden Tag gern ins Geschäft.“
>>>HINTERGRUND
Inhaber des Geschäftshauses ist heute Manfred Schrewe-Schmülling, ein Neffe von Josef Schmülling.
Er dankte jetzt Anita Senger für ihre langjährige Treue, und dass sie im Sinne von Josef und Anneliese Schmülling den Salon mit ihren Mitarbeitern jetzt auch schon 34 Jahre lang im Hause erfolgreich weiterführt.
Anita Senger hat insgesamt 12 Lehrlinge ausgebildet, darunter eine junge Frau aus Kasachstan, aus der Türkei, aus Griechenland, aus Thailand und aus Portugal.