Meschede. Seit 18 Jahren belästigt eine Frau Pfarrer Hammerschmidt in Freienohl. Mittlerweile gibt es ein Urteil.
Im Prozess um die Stalkerin hatte die Staatsanwaltschaft eine Haftstrafe von eineinhalb Jahren für die 76 Jahre alte Frau gefordert. Die Strafe soll zur Bewährung ausgesetzt werden. Die Frau soll sich außerdem therapeutisch behandeln lassen und sich dem Pfarrer nicht nähern dürfen.
Verteidiger Michael Babilon plädierte auf Freispruch. Er geht weiter von einem wahnhaften Verhalten seiner Mandantin aus. Deswegen sei sie in der Vergangenheit als schuldunfähig eingestuft worden. Daran habe sich seiner Ansicht nach nichts verändert.
Richter Dr. Sebastian Siepe schloss sich dem Antrag der Staatsanwaltschaft in Teilen an: Schuldfähig und damit neun Monate Haft für die Stalkerin, lautete sein Urteil. Die Strafe wird zur Bewährung ausgesetzt. Und sie darf sich ihm, wie von der Staatsanwaltschaft gefordert, nicht nähern.
Bereits 80 Voreintragungen
Bekannt wurde in dem Prozess, dass die Frau bereits 80 Voreintragungen bei der Justiz hat: Eine Verurteilung hat es nie gegeben, alle Verfahren wurden eingestellt. Seit 18 Jahren belästigt sie Pfarrer Michael Hammerschmidt.
Der Fall erregt deutschlandweit Interesse, das Medieninteresse ist groß. Die 76–Jährige erschien vor Gericht mit einem riesigen Hut und einem großen Schal, um nicht erkannt zu werden. Die Frau verweigerte zunächst die Aussage. Pfarrer Hammerschmidt schildert seine Erfahrungen: „Ich kann mich nicht frei bewegen.“
Anwalt zweifelt Gutachten an
Die Frage gleich zu Beginn: Müssen im Fall der Stalkerin weitere Gutachter angehört werden? Rechtsanwalt Michael Babilon hat das beantragt. Ihm liegen alleine 17 Gutachten für seine 76 Jahre alte Mandantin vor. Vor Gericht in Meschede gehört wurde jetzt aber nur das Gutachten von Dr. Josef Leßmann. Er hält die Frau für schuldfähig. Babilon unterstellt Leßmann, seit 2005 immer Gutachten auszustellen, die zu einer Schuldfähigkeit gelangen. Ursache für das Stalken sollen Vergewaltigungen oder Missbrauch durch den Vater der Frau sein. Die Frau soll diesen Konflikt auf Pfarrer Hammerschmidt übertragen haben.
Schuldfähig oder nicht?
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Als Zeuge wird Pfarrer Hammerschmidt aussagen. Der 65-Jährige hatte auch schon Einladungen in Talkshows, er lehnt das aber ab, wie 90 Prozent der Medienanfragen: „Das bedeutet nur, den Voyeurismus zu bedienen.“ Leider – das ist seine Erfahrung aus 18 Jahren – hat er keine Hoffnung, dass seine Leidensgeschichte mit dem Verfahren am Montag jetzt auch zu Ende gehen wird: Auch wenn die Frau vom Mescheder Amtsgericht als schuldfähig eingestuft werde, befürchtet der Geistliche, dass es dann dennoch Fortsetzungen mit einer Revision gegen ein Urteil und weitere Prozesse vor dem Landgericht und Oberlandesgericht geben werde – „und in der Zwischenzeit macht sie fröhlich weiter.“
Entblößt im Pfarrgarten
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Konkret angeklagt sind in Meschede zwei Fälle aus dem November 2017 und einer aus dem April 2018. Dabei soll sie den Garten des Pfarrers in Freienohl mit Gegenständen mit sexuellem Bezug dekoriert und ihm obszöne Worte zugerufen haben, sie zeigte sich ihm nackt und griff sich wiederholt in den Schritt. Ein anderes Mal soll sie in Wennemen eine Messe des Pfarrers durch Zwischenrufe gestört haben. Auch beim dritten Mal entblößte sie sich im Garten von Hammerschmidt, rieb ihre Brüste und hinterließ wieder Dekorationen mit sexuellen Anspielungen.
Belästigungen gehen weiter
Unterdessen gehen diese Belästigungen weiter, sagt der Pfarrer auf Anfrage. Nach jeder Messe ist die Treppe der Sakristei mit Rosen geschmückt. Letzten Donnerstag stand sie noch an einer Haltestelle und wartete auf ihn, winkte ihm mit der Taschenlampe zu. Wohl mit Blick auf den Prozess habe sie inzwischen ihre sexuellen Dekorationen eingestellt: „Die weiß genau, was sie tut.“ „Ich kann nur mit Tricks zur Kirche gelangen“, sagt der Pfarrer: Er versteckt dann inzwischen sein Auto oder lässt sich mitnehmen. Er muss die Frau ständig sehen: Sie kommt immer als letzte, immer zu spät. Sie stellt sich bewusst bei ihm an, um die Kommunion erteilt zu bekommen – und nicht bei den Wartenden eines anderen Kommunionhelfers.