Meschede. Nach einem ernsten Zwischenfall am Himmel über Meschede liegt der Unfallbericht vor. Demnach war es knapp, aber ein Pilot reagierte blitzschnell.

Ein Linienflugzeug der Lufthansa und ein privater Segelflieger sind im Juli 2018 beinahe über Schüren kollidiert. Jetzt liegt der Abschlussbericht der Bundesstelle für Fluguntersuchung vor. Deutlich wird: Der Berufspilot hat blitzschnell gehandelt. Und: Es gibt Risiken im deutschen Luftraum, um die sich der Gesetzgeber nach Ansicht der Experten kümmern sollte.


18. Juli 2018: Es ist ein Mittwoch, die Sicht ist gut, die Sonne scheint und nur ein paar Schleier- oder Quellwolken sind am Himmel aufgezogen. In Frankfurt ist Lufthansa-Flug 364 gestartet. Das Ziel: der Flughafen Paderborn-Lippstadt. Es handelt sich um eine so genannte Anschlussverbindung: Passagiere sind aus aller Welt nach Frankfurt geflogen, dort umgestiegen und jetzt auf der letzten Etappe in die Heimat.

Am Himmel über Schüren - hier der Flugplatz - kommt es zur Annäherung.
Am Himmel über Schüren - hier der Flugplatz - kommt es zur Annäherung. © www.blossey.eu | Hans Blossey


17.11 Uhr: Das Kurzstreckenflugzeug, eine Embraer 190, befindet sich über dem Sauerland. Die Flugsicherung erteilt die Freigabe zum Sinkflug. Der Landeanflug auf Paderborn/Lippstadt beginnt. 17.15 Uhr: Der Co-Pilot, er steuert die Maschine, macht auf einmal über dem Stadtgebiet, nahe Schüren, eine gefährliche Entdeckung: Ein Segelflugzeug steuert auf das Linienflugzeug zu. 20 Passagiere und eine 4-köpfige Besatzung sind an Bord.

„Plötzlich und eher zufällig“, sagt der 33-jährige Berufspilot später aus, habe er die Maschine des Hobbypiloten wahrgenommen. Er reagiert sofort: Es vergehen keine drei bis vier Sekunden, bis er den Autopiloten ausschaltet, die Flugzeugnase nach oben zieht und gleichzeitig beide Triebwerke auf vollen Schub setzt. Die Lufthansa-Maschine wechselt vom Sink- in den Steigflug. Der Segelflieger gleitet daraufhin unter der Embraer vorbei.

Aggressives Ausweichmanöver

„Ein Beibehalten des eigenen Steuerkurses hätte zu einer Kollision führen können“, berichtet der Co-Pilot der Bundesstelle für Fluguntersuchung im Anschluss. Und: „Ein aggressives Ausweichmanöver ist sofort nötig gewesen.“ Nach seiner Einschätzung hat der Abstand zwischen beiden Maschinen nur noch 20 Meter vertikal und 50 Meter horizontal betragen.


Bei dem zweisitzigen Segelflugzeug handelte es sich um eine Schleicher ASK 21. Es wurde durch einen niederländischen Luftsportverein betrieben. Am Steuer war ein 22-jährige Niederländer, der zusammen mit einem Fluggast zu einem Rundflug in Brilon gestartet war. Auch er sah das Verkehrsflugzeug auf sich zukommen, schätzte die Abstände aber anders ein: 300 bis 500 Meter horizontal und 100 Meter vertikal. Mit einer Linkskurve habe er den Abstand vergrößert.

Problematische Annäherungen

Fakt ist: Der Segelflieger durfte sich in dem Luftraum aufhalten. Bundesweit kommt es immer wieder zu problematischen Annäherungen zwischen Verkehrsflugzeugen und Segelfliegern. Die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung verzeichnet nach eigenen Angaben „viele ähnlich gelagerte Ereignisse in der Vergangenheit“.

Ein Segelflugzeug vom Typ Schleicher ASK 21, gestartet in Brilon, steuerte auf die Passagiermaschine zu.
Ein Segelflugzeug vom Typ Schleicher ASK 21, gestartet in Brilon, steuerte auf die Passagiermaschine zu. © Unbekannt | Archiv


Sie empfiehlt der Bundesregierung daher abermals eine Transponderpflicht für Segelflieger ab einer gewissen Höhe im Luftraum. Sie gilt bislang nicht. Die Folge: Weder Fluglotsen können solche Annäherungen sehen, noch schlagen Kollisionswarnsysteme an. Zugleich plädieren die Experten für Luftsicherheit dafür, dass kommerzielle Flieger ab 19 Sitzen nur noch in Lufträumen unterwegs sein dürfen, in denen die Lotsen jederzeit alle dort operierenden Luftfahrzeuge sehen können. Das hätte Auswirkungen auf Anflug- und Abflugrouten und würde technische Aufrüstungen von Segelfliegern bedingen, wenn sie in den Bereichen unterwegs sein möchten.

Beide Maschinen landeten nach dem Manöver unbeschadet in Paderborn-Lippstadt und Brilon. Der Vorfall wurde von der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung als „schwere Störung“ klassifiziert.

>>> Weitere Informationen

Die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung untersucht Unfälle und schwere Störungen im Luftverkehr in Deutschland. Ihre Aufgabe: künftige Vorfälle verhindern. „Die Untersuchung dient nicht der Feststellung des Verschuldens, der Haftung oder von Ansprüchen.“

Der Zielflughafen: Paderborn/Lippstadt.
Der Zielflughafen: Paderborn/Lippstadt. © Thomas Winterberg | Thomas Winterberg


Liegt eine Straftat vor, schalten sich zusätzlich die Staatsanwaltschaften ein. In diesem Fall laufen keine Ermittlungen, wie die Behörde in Arnsberg auf Anfrage bestätigte. Es sei kein Anfangsverdacht einer Straftat, wie etwa beim gefährlichen Eingriff in den Luftverkehr, zu erkennen.


Hier gibt es den Unfallbericht in voller Länge.