Meschede. Reichsbürger machen Behörden und Gerichten das Leben schwer. Auch im Hochsauerlandkreis sind sie immer wieder aktiv.

Ein als Reichsbürger bekannter Mann aus dem Stadtgebiet ist nach seinen Angaben nicht zu einer Zwangsversteigerung zugelassen worden. Die Nachfrage beim Amtsgericht Meschede ergab eine andere Darstellung. Ein typisches Verwirrspiel der Gruppe?

Zur Zwangsversteigerung nicht zugelassen

Ein Haus in Wehrstapel stand zur Versteigerung, angeblich hatte der Mescheder versucht, an dem Termin teilzunehmen. Man habe ihn aber nicht in den Saal gelassen, behauptete er gegenüber unserer Zeitung. „Ich war dort im Auftrag meines Sohnes und hatte auch genug Geld in der Tasche, um mitzubieten.“ Gerichtsmitarbeiter hätten erklärt: „Du kommst hier nicht rein.“ Der Mescheder gibt sich verärgert: Er habe sich ausweisen können, und das sei eine öffentliche Sitzung gewesen. „Das Amtsgericht muss bei einer Versteigerung die Öffentlichkeit sicherstellen.“ Er fühle sich politisch verfolgt, erklärte er.

Keinem Mitarbeiter begegnet

Die Redaktion fragt beim Amtsgericht in Meschede nach. Dort regiert man verwundert auf den Vorwurf. „Meine Mitarbeiter haben nur eine Person zurückgewiesen und die hatte statt eines Personalausweises einen Führerschein dabei.“ Der sei aber als Ausweispapier nicht ausreichend, erklärt Doris Goß, Direktorin des Amtsgerichts. Der Mescheder, der sich bei der Zeitung beschwert habe, sei bei Gericht bekannt und keinem ihrer Mitarbeiter an dem Tag überhaupt begegnet.

Gerichtsbekannt aus gutem Grund

Bekannt ist er vor Gericht aus gutem Grund: Der Mescheder wird zum Kreis der so genannten „Reichsbürger“ gezählt. Die Gruppe erkennt die Bundesrepublik und ihre Institutionen nicht an. Sie überzieht daher die staatlichen Behörden mit einer Flut von Einsprüchen, Beschwerden, Widersprüchen, auf die die Behörden wiederum reagieren müssen: „All das ist das Recht eines Bürgers“, hatte Kreissprecher Martin Reuter in einem früheren Bericht unserer Zeitung erklärt. Dort und bei der Bezirksregierung hält man sich an die Strategie: Gar nicht auf eine Diskussion einlassen – und gibt den Hinweis: Man könne ja klagen. Das passiert. Die Gruppe überzieht Gerichte mit Klagen und biegt sich dafür auch Gesetze zurecht.

Paragraf 130 des Strafgesetzbuches

 Der Mann bezieht sich auf Gesetze - nach Paragraf 130 des  Strafgesetzbuches sieht er sich als politisch verfolgt an.
Der Mann bezieht sich auf Gesetze - nach Paragraf 130 des Strafgesetzbuches sieht er sich als politisch verfolgt an. © WP Michael Kleinrensing | Michael Kleinrensing

Auch in der jetzigen Beschwerde wollte der Mann Gesetzesschutz für sich reklamieren. Er nannte den Paragrafen 130 aus dem Strafgesetzbuch. Dieser wendet sich gegen Volksverhetzung. Darin heißt es, dass derjenige zu bestrafen ist, der den öffentlichen Frieden stört, gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe zu Hass oder Gewalt aufruft oder die Menschenwürde anderer angreift. Seiner Ansicht nach, so der Mescheder, habe das Gericht gegen diesen Paragrafen verstoßen, weil es ihn abwies.

Wachtmeister patrouillieren bei kritischen Zwangsversteigerungen

Vor Gericht habe man schon ein Auge auf die Mitglieder diese Gruppe, hatte Ursula Dyk, die stellvertretende Geschäftsleiterin des Amtsgerichtes Meschede, in einem früheren Bericht gegenüber unserer Zeitung erklärt. Auch die Wachtmeister seien aufgefordert, genau hinzusehen, gerade wenn Zwangsversteigerungen anstehen. Sie sei sogar froh, dass die Wachtmeister vorher die Besucher - und da vor allem die so genannten „Reichsbürger“ im Rahmen der Gewaltprävention genau in Augenschein nehmen. „Die sind oft schon sehr auf Krawall gebürstet. Das Harmloseste ist noch, dass irgendwer mit dem Handy alles filmt und wir im Anschluss den Prozess samt höhnischer Kommentare bei Youtube finden.“ So patrouillierten bei kritischen Terminen zwei Wachtmeister in den Reihen der Zuschauer und achteten auch auf Handy-Filmer. Doch - und darauf verwies auch Doris Goss, grundsätzlich sei zu einer Zwangsversteigerung erstmal jeder zugelassen, solange er sich an das Hausrecht halte.

Warum der Mescheder sich mit der Beschwerde, die laut Aussage des Gerichts nicht stimmt, an die Zeitung wandte, ist nicht klar. „Nicht jeder „Reichsbürger“ ist zwingend ein Rechtsextremist“, betont beispielsweise der Verfassungsschutz Sachsen-Anhalt. Dennoch sei eine Nähe dazu erkennbar: Das Ziel sei es Verwirrung zu stiften, der Bundesrepublik ihre Legitimation abzusprechen, um „einen gesellschaftlichen Resonanzboden“ für rechtsextremistisches Gedankengut zu schaffen.


>>>HINTERGRUND

Auch die Polizeibehörde in Meschede geht gegen „Reichsbürger“ vor.

Weil für „Reichsbürger“ das Deutsche Reich fortbesteht und sie die Existenz der Bundesrepublik nicht anerkennen, stuft die Polizei sie als „unzuverlässig“ ein.

Die Kreispolizeibehörde hat deshalb im Juni 2017 damit begonnen, Waffenbesitzkarten von „Reichsbürgern“ einzuziehen.

Bundesweit ordnet der aktuelle Verfassungsschutzbericht 2018 (veröffentlich im Juni 2019) Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern“ 864 (2017: 911) politisch motivierte Straftaten zu, von denen 776 (2017: 783) als extremistisch eingeordnet wurden. Unter diesen extremistischen Straftaten waren insgesamt 160 Gewalttaten (2017: 130). Hierzu zählten vor allem Erpressungsdelikte (98)und Widerstandsdelikte (39).