Meschede. Einfluss hatten sie stets, doch seit fünf Jahren haben Frauen in der Georgs-Bruderschaft auch offiziell einen höheren Stellenwert. Eine Bilanz.
Seit 2015 gibt es offiziell Königinnen bei St. Georg. Wegbereiterin war - da sind sich alle einig – vor allem Regina Peus, die als erste Königin im Zug der St.-Georgs-Bruderschaft mitmarschiert war und so der Bruderschaft den entscheidenden Schubs in die Neuzeit gab. Anfangs als Ausnahmeregelung erlaubt, folgte die offizielle Entscheidung in der Generalversammlung.
Schützenhauptmann Andreas Wrede zieht mit den Königinnen seiner Amtszeit, mit Claudia Esser (Königin 2018) und Anna Kotthoff (Königin 2017) sowie Jana Nonnweiler, der amtierenden Jungschützenkönigin, Bilanz unter „Fünf Jahre Frauen bei St. Georg“. Anna Kotthoff und Claudia Esser sind sich einig: „Ohne diese Neuerungen hätten unsere Männer niemals auf den Vogel geschossen.“
Seit 2016 sind alle Frauen offiziell unter der Vogelstange zugelassen. Wie haben Sie vorher den Morgen des Schützenfestfreitags verbracht?
Anna Kotthoff: Ich war in meiner Gastwirtschaft. Gestört hat mich das nie. Ich kannte es ja nicht anders. Schon meine Mutter hat mit ihrem Freundeskreis, den Georginas, gefeiert. 2009, 2010 und 2011 habe ich als Gag das Schießen live in die Kneipe übertragen. Das wurde dann aber zu teuer.
Claudia Esser: Auch ich habe mein eigenes Ding mit Freundinnen gemacht. Wir hatten schöne Jahre.
Jana Nonnweiler (schmunzelt): Selbst in den Dörfern, in denen die Frauen mit unter die Vogelstange kommen, stehen sie ja in der Regel getrennt von den Männern.
Claudia Esser: Mit der Öffnung haben uns die Schützenbrüder direkt sehr herzlich aufgenommen. Im ersten Jahr war ja sogar der Eintritt am Freitagmorgen für uns Frauen frei. Da fühlte man sich willkommen.
Wie haben Sie vom Königsschuss Ihrer Männer erfahren?
Anna Kotthoff: Dominik ist morgens schon aus dem Haus gegangen und hat gesagt: „Heute gehe ich unter die Vogelstange.“ Ich wollte nachkommen. Letztlich musste ich mich dann doch sputen und mein Bruder hat für mich freundlich die letzten Gäste rausbegleitet. Ich war so aufgeregt. Nach einem letzten Kuss unter der Vogelstange fiel dann der Vogel.
Claudia Esser: Dirk hatte wochenlang vorher davon schon gesprochen, dass er den Vogel schießen wollte. Am Freitagmorgen goss es dann in Strömen. Da wollte er dann zurückziehen. Ich habe gesagt: „Du kannst doch sowas jetzt nicht vom Wetter abhängig machen!“ Es klarte dann tatsächlich noch auf. Und ich war auch unter der Vogelstange dabei und habe mitgefiebert. Geglaubt habe ich es aber erst, als mir Anna gratuliert hat. Die muss es wissen, dachte ich mir.
Jana Nonnweiler: Über die Kneipen-WhatsApp-Gruppe. Lukas wurde aber erst noch ohne Königin proklamiert. Wir sind erst im Laufe des Jahres zusammengekommen.
Hätten Ihre Männer auch ohne Sie als Königin den Vogel geschossen?
Anna Kotthoff: Nein, auf keinen Fall. Ohne mich wollte er nicht.
Claudia Esser: Dirk hat sich auch in den Versammlungen sehr für die Frauen eingesetzt. Ohne mich als Königin hätte er nicht geschossen.
Frauen bei St. Georg? Wie wichtig waren Sie schon vor den Neuerungen? Und was hat sich jetzt verändert?
Andreas Wrede: Was da erzählt wird, ist auch viel Legende. Natürlich waren die Frauen wichtig, sie haben auch an Vorstandsfahrten und Festen teilgenommen. Aber jetzt - mit Frauen und Kindern unter der Vogelstange - ist der Schützenfestfreitag lebhafter geworden. Wir geben ein bunteres, zeitgemäßeres Bild einer echten Schützenfamilie. Es bestand ja die Sorge, dass der Freitag dann nach dem Schützenschuss so ausplätschert. Doch wir haben auch jetzt noch die Halle voll. Im ersten Jahr kamen morgens etwa 120 Frauen, jetzt sind es rund 160 und noch einmal 350 Männer.
Und hat die Bruderschaft auch durch die Königin gewonnen?
Andreas Wrede: Ja, auf jeden Fall. Früher betonte St. Georg ja seine Sonderstellung und seine Tradition seit 1486. Keine Frauen unter der Vogelstange, keine Königin, keine Mitgliedschaft im Sauerländer Schützenbund. Jetzt werden wir als unverkrampfter und moderner wahrgenommen. Alle Königspaare stehen richtig im Leben. Aber es brauchte vielleicht wirklich eine so starke Frau wie Regina Peus, die das als erste durchgezogen hat.
Sie selbst hatten keine Königin.
Andreas Wrede: Ich bin halt ledig. Und der Beschluss macht ja auch das möglich, dass man allein König ist.
Claudia Esser: Ich finde es wichtig, dass Andreas das so gemacht hat. So hat er auch diesen Weg für Nachfolger offengehalten.
Was ist jetzt der nächste Schritt – gibt es demnächst bei St. Georg auch einen Hofstaat?
Andreas Wrede: Nein, das glaube ich nicht. Der Jubel- und der Vorjahreskönig marschieren ja auch im Festzug mit. Der Jubelkönig mit Frau, wenn er dies will. Da stellt sich jetzt erstmal die Frage, was mit der Vorjahreskönigin ist. Und wie wir die Königinnen in Zukunft standesgemäß verabschieden. Wir entwickeln uns da noch aus der Situation heraus weiter.
Claudia Esser: Es ist doch auch schön, wenn noch nicht alles fest geregelt ist.
>>>HINTERGRUND
2014fand sich zuerst niemand, der den Königsschuss abgeben wollte. Matthias Peus erklärte sich schließlich bereit, bestand aber darauf, dass seine Frau Regina ihn im Zug begleiten darf .
2015 im Frühjahr beschlossen die Mitglieder der St.-Georgs-Bruderschaft in ihrer Generalversammlung, dass es in Zukunft eine Königin geben kann, aber nicht muss. Der erste König, der auf diesen Antrag folgte, war Andreas Wrede, der aber keine Königin an seiner Seite hatte.
2016wurde Thorsten Hegener König und erkor seine Frau Helga zur Königin. In dem Jahr waren Frauen auch zum ersten Mal unter der Vogelstange zugelassen.
2017 folgten als Königspaar Dominik Lange-Kotthoff und Anna Kotthoff.
2018 waren Dirk und Claudia Esser das Königspaar.