Meschede/Arnsberg. Der angeklagte Deutsche (19) aus Meschede bestreitet Vergewaltigungen und spricht von Gedächtnislücken. Nun müssen alle Mädchen aussagen.

Der Angeklagte (19) wirkt eher unscheinbar: Brille, Undercut-Schnitt, Bartschatten, schwarzes Hemd, blaue Jogginghose. Der ausdruckslose Blick ist meist auf seine Hände gerichtet, die gefaltet auf dem Schoß ruhen. Nur manchmal schaut er nach oben, blickt zu seiner Familie, die im Publikum sitzt, oder wechselt ein paar Worte mit seinem Verteidiger Otto Entrup. Die Anklage, die verlesen wird, zeichnet jedoch das Bild eines ganz anderen Menschen. Von einem jungen, deutschen Mann, der Mädchen unter Druck setzt, die meisten von ihnen 14 Jahre alt. Eines sogar erst 13.

Videoanrufe mitgeschnitten

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann aus Meschede, der seit sechs Monaten in Untersuchungshaft in Iserlohn sitzt, die dreifache Vergewaltigung einer 14-Jährigen vor. Außerdem soll er eine 13-Jährige sexuell missbraucht haben und mehrere Videos mit jugendpornografischem Inhalt auf seinem iPhone gespeichert haben. Die Aufnahmen zeigen die jungen Mädchen während der Masturbation. Heimlich, so räumt der Angeklagte ein, habe er die Clips während der gemeinsamen Videoanrufe mitgeschnitten.

Über Instagram angeschrieben

Das Vorgehen soll immer ähnlich gewesen sein: Er habe die Mädchen über Instagram angeschrieben, man habe zunächst gechattet und die Unterhaltung sei dann immer sexueller geworden. Bis hin zu den Sex-Video-Anrufen. Außerdem sollen ihm manche Mädchen Nacktfotos oder Bilder in Wäsche geschickt haben. Mit diesen Clips und Bildern soll er sie dann schließlich zu weiteren sexuellen Handlungen erpresst haben.

In einem Chat, diesmal mit einer 16-Jährigen aus Recklinghausen, soll er beispielsweise Sex gefordert haben, sonst schicke er die Aufnahmen an die Schulleiter aller Schulen in Recklinghausen. Diese Jugendliche ließ sich nicht unter Druck setzen und wird an einem der kommenden Verhandlungstag aussagen.
Der 19-Jährige erklärte vor Gericht, Sex mit drei der Mädchen gehabt zu haben - einvernehmlich. Die 13-Jährige habe er nicht angefasst. Auch den Vergewaltigungsvorwurf an einer 14-Jährigen bestreitet er: „Ich habe immer gefragt, ob sie das auch möchte. Sie hat ja gesagt“, behauptete er vor Gericht.

Bei der Polizei sagte die Jugendliche jedoch aus, dass der Sex nicht freiwillig geschehen ist: Auch hier waren zuvor Videos entstanden, mit denen er das Mädchen erpresst haben soll. Die heute 15-Jährige sagte am ersten Verhandlungstag unter Ausschluss der Öffentlichkeit aus. Laut ihrer Anwältin befindet sie sich in psychologischer Behandlung.

Den Drogen abgeschworen

Drogen (Marihuana, PEP, Ecstasy), sagte der Angeklagte, habe er abgeschworen. Sie sollen auch der Grund dafür gewesen sein, dass er sich an einige Chats und Einzelheiten nicht mehr erinnern könne. Mehrfach hört der Vorsitzende Richter Jäger auf seine Fragen den Satz: „Ich weiß es nicht, ich kann mich nicht mehr erinnern.“
Am nächsten Verhandlungstag wird auch das psychologische Gutachten verlesen. Es wurde in Auftrag gegeben, weil der Angeklagte angegeben hatte, Stimmen zu hören. Dies sei allerdings gelogen gewesen, gab er zu.

Richter Jäger hatte dem 19-Jährigen vor der Verhandlungspause und nachdem belastende Chat-Protokolle verlesen und Fotos gezeigt worden waren, erklärt, dass es ein gewisses Risiko sei, sich in der Sache nicht näher einzulassen: „Ein Geständnis macht nur Sinn, wenn die Mädchen noch nicht ausgesagt haben.“ Da der Mescheder nichts zugab, werden nun alle mutmaßlichen Opfer als Zeuginnen geladen.
Kurz bevor der 19-Jährige in Handschellen abgeführt wird, huscht noch eine Regung über sein Gesicht. Er lächelt kurz seiner Familie zu und zeigt das Victory-Zeichen.