Meschede. . Rund 150 Millionen Euro investiert Martinrea-Honsel an seinem Standort in Meschede. Gegenleistung der Belegschaft ist kostenlose Mehrarbeit.
- Neuer Tarifvertrag für Martinrea-Honsel in Meschede gilt bis 2022
- Automobilzulieferer sichert sich Folgeaufträge
- Strategische Neuausrichtung: Nicht mehr nur Produktion von Motorteilen
Kündigungsschutz bei Martinrea-Honsel, eine gewaltige Investitionssumme in das Unternehmen in Meschede, im Gegenzug aber Mehrarbeit für die rund 1400 Beschäftigten: Das sind die Eckdaten eines neuen standortbezogenen Tarifvertrags, den die Geschäftsleitung des Automobilzulieferers mit der IG Metall ausgehandelt hat. Der neue Tarifvertrag beim größten Mescheder Arbeitgeber gilt seit diesem Monat und läuft bis Januar 2022.
Neue Aufträge gewonnen
Der neue Tarifvertrag ersetzt nahtlos eine Betriebsvereinbarung aus 2013 mit Regelungen, in denen bei zu wenig Beschäftigung die zuvor angesparten Stunden aus einem Sonderzeitkonto verwendet werden mussten. „Die Arbeitnehmer haben damals Weitsicht bewiesen“, sagt Wolfgang Werth, Erster Bevollmächtigter der IG Metall. Denn die schwierigen Jahre 2015 und 2016 mit weniger Aufträgen hat das Unternehmen dadurch inzwischen ohne Kündigungen überwinden können. Mittlerweile konnten Folgeaufträge bis weit in die 2020er-Jahre vereinbart werden.
Strategische Neuausrichtung
Deshalb wird das kanadische Unternehmen 148,8 Millionen Euro in Meschede investieren. Unter anderem wird ein neuer Schmelzofen in Betrieb genommen, es entsteht eine neue Halle für den Kokillenbereich, es werden neue Maschinen angeschafft. „Die Investitionen werden zeigen, dass man auch in Deutschland unter Wettbewerbsbedingungen produzieren kann“, sagt Werth. Er nennt es „klug“, dass die Geschäftsleitung das Unternehmen auch strategisch anders ausrichte: So werden schon jetzt und künftig nicht mehr nur Motorteile produziert, sondern auch Strukturteile. Denn das Thema Elektromobilität wird auch Martinrea-Honsel erreichen.
Eigenanteil der Beschäftigten
Anderswo würde bei Investitionsentscheidungen angesichts des Wettbewerbsdrucks geprüft, ob nicht eine Verlagerung beispielsweise nach Osteuropa oder ein Neubau auf der grünen Wiese sinnvoller seien. Wolfgang Werth ist froh, dass die IG-Metall-Mitglieder „den Mut hatten“, im Oktober 2013 das damalige Verhandlungsergebnis mehrheitlich zu beschließen.
Die Beschäftigten des Unternehmens sind bei der Investitionssumme mit 33 Millionen Euro als Eigenanteil dabei – in Form von Mehrarbeit. Jeder in der Fabrik arbeitet fünf Stunden mehr in der Woche, kostenlos. Dafür werden die Schichten angepasst und verlängert. Einbußen beim Verdienst gibt es im Gegenzug nicht.
IG Metall beklagt Führungsverhalten
Vor Abschluss des Tarifvertrags hat die IG Metall eine wirtschaftliche Analyse der Unternehmensdaten vorgenommen. Steigen die Gewinne im Unternehmen, würde – so ist es vereinbart – auch die Arbeitszeit wieder sinken. Der Formenbau von Martinrea-Honsel in Nuttlar mit seinen 50 Beschäftigten ist zunächst für drei Jahre von der Erbringung der Mehrarbeit befreit.
Durch die vereinbarte Mehrarbeit wird die Belastung steigen, weiß auch Wolfgang Werth. Und da kommt auf die Gewerkschaft noch eine große zusätzliche Baustelle zu: Das Arbeitsumfeld. Denn bei Martinrea-Honsel in Meschede habe sich das Führungsverhalten „massiv mit Gängeleien und Unterdrückung verschlechtert: Einige Führungskräfte müssten sich, so Wolfgang Werth, „fragen lassen, ob sie ihr eigener Mitarbeiter sein möchten“. Dieses Verhalten von vier bis fünf Führungskräften, die sich intern hochgearbeitet hätten, werde auch in Mitarbeiterbefragungen kritisiert: „Wir werden uns verstärkt um diese Frage kümmern“, kündigt Werth an. Er berichtet auch davon, dass Druck auf Gewerkschaftsmitglieder ausgeübt werde.
„Erziehung zum Duckmäusertum“
„Durchgängig“ zu beobachten sei, dass bei der Mitteilung von Missständen immer darum gebeten werde, diskret zu sein und keine Namen zu nennen: „In dem Werk wird zum Duckmäusertum erzogen.“ Notfalls will die IG Metall auch die Namen der Führungskräfte öffentlich nennen. Einen eigenen Geschäftsführer hat Martinrea-Honsel in Meschede nicht mehr.
Martinrea-Honsel ließ Anfragen unserer Zeitung zum Tarifvertrag, zu den Investitionen und zu den Vorwürfen der Gewerkschaft unbeantwortet.
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