Baldeborn. Waldbauer Meinhard Stratmann hat zehn harte Jahre hinter sich. Kyrill hat die Hälfte seines Waldes vernichtet. Bis heute leidet er darunter.
- Bei Kyrill verlor Meinhard Stratmann fast die Hälfte seines Baumbestandes
- Zehn harte Jahre lang baute er das Lebenswerk seines Vaters wieder auf
- Zeit zum Nachdenken und Verarbeiten blieb ihm nicht
Zehn harte Jahre liegen hinter Meinhard Stratmann. Zehn Jahre, in denen es vor allem darum ging, Schäden zu beseitigen, anzupacken. Fast die Hälfte seines Baumbestandes - 32 von 75 Hektar - fiel in der Nacht auf den 19. Januar 2007 dem Orkan Kyrill zum Opfer. Bäume, die noch sein Vater Karl - heute 88 Jahre alt - in Baldeborn gepflanzt hatte.
Dessen Frau Margret Stratmann erinnert sich, wie der Wind am Abend des 18. Januar gegen ihre Fenster drückte. „Ich hatte Angst, dass sie platzen.“ Da saß die Familie schon im Dunkeln, denn mit dem Sturm, direkt nach dem Melken, war am frühen Abend der Strom ausgefallen. Und er blieb drei Tage weg. Gott sei Dank konnten Stratmanns die Holz-Heizung und den Herd weiter befeuern - auch die Straße zum Hof blieb passierbar.
Der Morgen danach
Doch mit Sonnenaufgang zeigte sich das Ausmaß der Verwüstung. Nur an den Rändern waren einzelne Bäume stehengeblieben. Margret Stratmann: „Die Berge, die Bracht, der Bockenberg und der Hagen, sahen viel kleiner aus.“
Es blieb nicht viel Zeit zu trauern oder sich zu ärgern. Die Arbeit musste weitergehen - an diesem Tag und an allen anderen Tagen. 23 Kühe mussten gemolken werden. Am 19. Januar half mittags das THW mit einem Notstromaggregat. Dann mussten die Dächer der Stallungen zum Teil neu gedeckt werden, die ersten Wege frei geräumt und dann das Holz aus dem Wald geholt werden.
37 Jahre alt war Meinhard Stratmann damals. Er hängte sich rein, auch im Vorstand der Forstbetriebsgemeinschaft Remblinghausen. „Es war schnell klar, dass wir das Holz gemeinschaftlich vermarkten wollten, um für alle den gleichen Preis zu erzielen.“ Von 110 angeschlossenen Betrieben machten 105 mit. Eine pragmatische Entscheidung. „Wo das nicht so gut gelaufen ist, gibt es zum Teil bis heute Streit“, weiß der Landwirt.
Holzaufarbeitung war teuer
Trotzdem: Die Holz-Aufarbeitung war doppelt so teuer: Meinhard Stratmann stellte einen polnischen Waldarbeiter ein. Auch sein Bruder Gerold, ein ausgebildeter Forstwirtschaftsmeister, verbrachte seinen Jahresurlaub auf den heimischen Kyrillflächen. „Wir haben soviel Holz geschlagen, wie sonst in 25 Jahren“, sagt der Waldbauer.
„Und die Arbeit war dreimal so schwer“, ergänzt seine Mutter. Meinhard Stratmann ist ein kräftiger langer Kerl und körperliche Arbeit gewohnt, aber das ging auch bei ihm an die Substanz. Denn die normale Arbeit lief ja weiter: „Morgens Stall, tagsüber in den Wald und aufs Feld, abends wieder Stall, dann Büroarbeit und Sitzungen der Forstbetriebsgemeinschaft. Das war nochmal ne Schippe drauf. Im ersten Jahr bin ich nur zum Schützenfest vor die Tür gekommen.“
Von schweren Verletzungen blieben die Stratmanns Gott sei Dank verschont, doch noch heute merkt der 47-Jährige die Überlastung von der Arbeit an der Motorsäge. Seine Frau Irmhild arbeitete damals als Krankenschwester im Walburga-Krankenhaus. Sie vermutet, dass viele Verletzungen direkt und noch später indirekt mit Kyrill zusammenhingen. Auch manche Überlastung bis zum Herzinfarkt sei unerkannt sicher mit der Kyrillzeit in Zusammenhang zu bringen.
Denn die Arbeit blieb, neue Bäume mussten gepflanzt, die Kulturen sauber gehalten werden. Stratmann entschied sich - trotz der Laubbaumförderung des Landes - erneut vor allem für die Fichte. „Sie kommt mit Kahlflächen klar und wurde von den Sägewerkern gebraucht“, erklärt er. „Außerdem kann ich so wenigstens in 20 bis 30 Jahren mit Erlösen aus der Fläche rechnen.“ Andere Flächen überließ er sich selbst.
Aus dem Gröbsten raus
Jetzt langsam sind die Bäume aus dem Gröbsten raus. Verbissschäden durch Rehe hielten sich auf Stratmanns Flächen zwar in Grenzen. Dafür bieten die Bäume jetzt den Wildschweinen optimale Deckung. Sie vermehren sich rasant - zum Schaden der Landwirtschaft und die ist für die Stratmanns immerhin 80 Prozent des Broterwerbs. „An den Stellen, an denen die Harvester über unsere Felder fahren mussten, habe ich die Spuren noch drei bis vier Jahre später gemerkt, so sehr ist dort der Boden verdichtet.“
Meinhard Stratmann versuchte damals nach vorn zu blicken und einen Schritt nach dem anderen zu machen. Zeit, um das Ganze zu verarbeiten, hat er sich bisher nicht genommen. Er hat vom ersten Tag an funktioniert und versucht das Beste daraus zu machen. „Mit dem Wissen von heute würde ich allerdings manches ruhiger angehen lassen.“
>> HINTERGRUND
Geärgert hat sich Meinhard Stratmann über die Fördermittel, die an seinem Betrieb vorbeiliefen. „Es gab zwar Geld zur Erneuerung der Wege, aber nicht für die privaten Wirtschaftswege.“
Weil Stratmann sich für die Fichte entschied, erhielt er auch keine Mittel für Neuanpflanzungen. Laubbäume wären trotz Förderung teurer gewesen.
Investitionsmittel für den Ausbau der Milchviehwirtschaft gab es vom Staat nicht. Stratmann wollte nur von 23 auf 40 Kühe vergrößern. „Hätte ich einen Stall für 100 Tiere gebaut, wäre das gefördert worden.“
Aktuell ärgert ihn, dass das Land 23 Prozent seiner Fläche unter Naturschutz stellen will. Meinhard Stratmann fürchtet, dass er dort in Zukunft nicht so wirtschaften kann, wie er es möchte.
In der Serie erschien bereits:
Tragischer Unfall bei Aufräumarbeiten nach dem Orkan
Eine Diaschau zum Thema finden Sie hier
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