Meschede. . Der Traummann entpuppt sich als Betrüger. Eine 62 Jahre Meschederin wird um 40.000 Euro geprellt. Sie will andere vor seiner Masche warnen.
- Betrüger stiehlt Online-Identität und prellt Meschederin um ihr Erspartes
- Tragische Geschichte mit Schauplätzen in Syrien erfunden
- 62-Jährige warnt andere Frauen vor dem „Romance Scam“
„Niemals hätte ich gedacht, dass das mir passieren könnte“, sagt Claudia (Name von der Redaktion geändert). „Ich bin gutgläubig, aber doch nicht blauäuig.“ Die 62-jährige, zierliche Frau mit dem Kurzhaarschnitt wirkt tough. Mehr als 40 Jahre arbeitete sie in einem kaufmännischen Beruf, meisterte ihr Leben mit den zwei Kindern selbstständig. Und doch hat sie gerade rund 40 000 Euro an einen Betrüger gezahlt, der äußerst geschickt mit ihren Gefühlen spielte. Er zog sie in eine haarsträubende Geschichte um Leben und Tod im syrischen Kriegsgebiet. „Ich muss das öffentlich erzählen“, sagt sie, „auch wenn es schwer fällt. Als Warnung für andere Frauen.“
Nach dem Tod ihres zweiten Mannes vor anderthalb Jahren ist Claudia einsam. „Es ging mir nicht gut“, sagt sie. Sie will zurück ins Leben und eröffnet gemeinsam mit ihrer Tochter ein Profil bei einer Partnerschaftsagentur.
Wie die Geschichte von Peter beginnt
Nach zwei Wochen kommt die Anfrage von Peter. Ein gut aussehender End-50iger, der angeblich beim US-Verteidigungsministerium beschäftigt ist und zwischen Berlin und Virginia pendelt. Ein charmanter Kerl mit einer „wunderbaren Stimme“ und einer tragischen Geschichte, Frau und Tochter starben vor 20 Jahren bei einem Autounfall. Der demente Vater lebt in Heidelberg.
Claudia und Peter chatten und telefonieren regelmäßig- erst auf Deutsch, schon bald auf Englisch, tauschen Fotos, Interessen und Lebensgeschichten - Claudia verliebt sich.Vier Wochen lässt sich der Betrüger Zeit und dann schnappt die Falle zu. Angeblich, so erklärt er, muss er für einen letzten Auftrag nach Aleppo.
Hilferuf aus Aleppo
Claudia ist in großer Sorge, und tatsächlich erhält sie Ende Oktober einen Hilferuf: Sein Büro sei bombardiert worden, behaupt Peter. Und er liege schwer verletzt in einer Ruine, könne aber keinen Kontakt zu seinem Arbeitgeber aufnehmen. Er bittet sie, seinem Chef seine Koordinaten durchzugeben. Claudia ist verzweifelt, kontaktiert die Mescheder Polizei und das amerikanische Verteidigungsministerium. Beide raten ihr, die Finger davon zu lassen. Das sei ein Fake. Doch Claudia ist schon hoffnungslos verfangen im Gestrüpp aus Sorge, Liebe und Betrug.
Der angebliche Chef, den man im Internet tatsächlich findet, mailt zurück und bestätigte die Angaben von Peter. Er könne aber nichts für ihn tun, schreibt er, da Peter als Amerikaner in Syrien nicht enttarnt werden dürfe. Der Chef gibt ihr die Adressen von Sicherheitsfirmen, die angeblich auf solche Rettungseinsätze spezialisiert sind. Zu diesem Zeitpunkt geht es erstmals um Geld. Der Chef lobt seinen Mitarbeiter sehr, Claudia brauche sich um die Rückzahlung keine Sorgen zu machen. Peter sei ein wohlhabender Mann.
Für angeblichen Rettungseinsatz in Rakka gezahlt
Als Claudia Peter mitteilt, dass beim Geld die Freundschaft aufhöre, weint er bitterlich. Er sagt, er habe schrecklich Schmerzen und brauche dringend Hilfe. Claudia: „Ich war so beschämt, das Leben eines lieb gewonnenen Menschen aufs Spiel zu setzen, dass ich vor lauter Angst und Sorge um ihn Geld an die Sicherheitsfirma gezahlt habe.“
Nicht einmal, mehrmals. Denn zwar gelingt der „Rettungseinsatz“, aber auch in Rakka ist der Amerikaner nicht sicher, ein angeblich beschädigter Hubschrauber muss repariert, Lösgeldzahlungen beglichen und letztlich die Honorarforderungen des Arztes bezahlt werden. Daneben der geliebte Mann, der vor Schmerzen stöhnt und am Telefon berichtet: „Hier sterben sie wie die Tiere.“
Die Kinder schalten sich ein
Mittlerweile haben sich auch Claudias erwachsene Kinder in die Geschichte eingeschaltet - auch sie sind krank vor Sorge, allerdings um ihre Mutter. Sie sind sicher, dass ein Betrug hinter der Geschichte steckt. „Aber ich wollte es nicht hören“, sagt Claudia heute - zehn Tage nach der letzten Zahlung. Ihr Sohn recherchiert fieberhaft im Internet und findet schließlich die Geschichte einer Frau, die nahezu identisch ist mit der seiner Mutter. Die gleiche dramatische Geschichte, dieselben Bilder. Erst da gelingt es ihr, sich von ihrem Traummann zu verabschieden.
Mitterweile weiß sie, dass es „ihren“ Peter tatsächlich gibt. Er ist Gebärdendolmetscher in den Vereinigten Staaten, ist ehrenamtlich engagiert und heißt natürlich anders. Claudia hat auch Mitleid mit ihm. „Ich finde das ganz schlimm. Irgendjemand hat ja übers Internet all seine Bilder gestohlen, hat sich seine Identität, seine Familie angeeignet“, sagt sie.
Sie weiß, sie wird lernen müssen mit dem Verlust ihres Traummannes zu leben. „Ich habe ja Zeit genug“, sagt sie sarkastisch. „Jedesmal, wenn ich in den kommenden fünf Jahren die Raten für meinen Kredit zurückzahle.“
>>HINTERGRUND: RIESIGER SCHADEN DURCH ROMANCE SCAMS
Fündig wurde Claudias Familie letztlich im Internet. Unter dem Suchbegriff „Romance Scam“ findet man Seiten von betroffenen Frauen und von der Polizei.
Mit dem Begriff Romance Scam (oder auch: Love Scam) wird eine Form des Internetbetrugs bezeichnet, bei der gefälschte Profile in Singlebörsen dazu benutzt werden, den Opfern Verliebtheit vorzugaukeln. Ihr Ziel: Das Erschleichen von Geld.
Das Ausmaß des Betruges ist riesig. Dem FBI sind für 2011 rund 50,3 Millionen Dollar gemeldet worden, die US-Bürger an afrikanische Romance Scammer transferiert haben.
Die Opfer waren zu rund 80 Prozent weiblich und überwiegend über 40 Jahre alt.