Hüingsen. Ein Ritt durch die jüngere Geschichte und die Weltpolitik mitten im Kommunalwahlkampf. In Hüingsen war das am Donnerstag möglich, weil eine 82-jährige liberale Kult-Figur dies authentisch schaffte: der ehemalige Außenminister und FDP-Chef Hans-Dietrich Genscher.
Die fast 300 Besucher standen schon auf und jubelten frenetisch, als Genscher um kurz nach 18 Uhr in die Schützenhalle einmarschierte. Und heftigen Applaus gab es auch immer wieder während seiner gut 20-minütigen Rede. Da mussten die Lokalmatadoren neidlos anerkennen, dass der alte Polit-Hase Genscher ihnen die Show stahl — und als prominentester Gast des Wahlkampfs auch stehlen sollte.
Genscher will Bier
FDP-Landratskandidat Axel Hoffmann hatte zuvor geredet, Wolfgang Jürgens, dessen Plakate in der gesamten Halle hingen, hatte begründet, warum er in Hüingsen das erste FDP-Direktmandat für den Stadtrat am 30. August gewinnen will. Und Parteichef Markus Sälzer hatte die Leistungen der Mendener FDP angepriesen.
Doch obwohl die drei Herren wesentlich jünger sind als Hans-Dietrich Genscher, so klang ihre Stimme auf der Bühne doch geradezu dünn gegen den berühmten röhrenden Ton des liberalen Übervaters. Der wusste auch, dass man im Wahlkampf das Publikum mit Witzen bei Laune halten muss: „Das ist das erste Mal, das ich schon eine halbe Stunde in einer Schützenhalle bin und noch kein Bier getrunken habe.” Und schon brachte ihm Axel Hoffmann ein Bier, von dem er gleich einen Schluck nahm.
Hauch von Geschichte
Die kleinen Witze waren aber nur das Beiwerk. Stille herrschte, als Genscher von seiner Zeit als Außenminister sprach. Und als er von der Wiedervereinigung berichtete, da wehte ein Hauch der Geschichte durch die Hüingser Halle. Richtig Wahlkampf kann Genscher, der von seinem Freund Ulrich Bettermann zur Halle chauffiert worden war, aber auch mit 82 Jahren noch: „Wir als FDP haben in Menden und Berlin die gleiche Aufgabe: Es muss sich grundlegend etwas ändern.”
Für Markus Sälzer ging gestern ein Lebenstraum in Erfüllung: „Ich hätte mir nie vorstellen können, mal mit Hans-Dietrich Genscher auf einem gelben Sofa zu sitzen.” Und auch einen „Sozi” lockte Genscher an. SPD-Bürgermeisterkandidat Volker Fleige kam nach Hüingsen und schüttelte dem Alt-Liberalen die Hand.