Brilon/Menden/Olpe. .

Bücher lassen sich nicht wie Käse verkaufen, sie sind Ware und Kulturgut zugleich. Doch der deutsche Buchmarkt steht vor dem größten Umbruch seiner Geschichte. Haben kleine Buchläden überhaupt eine Zukunft? Wir haben Traditionsbuchhändler gefragt, wie sie auf die Krise reagieren.

„Im Jahr 2012 wird sich viel im Buchhandel tun“, ist sich Andreas Wallentin sicher, Inhaber der Buchhandlung Daub in Menden. „Im vorletzten Weihnachtsgeschäft haben wir zum ersten Mal gemerkt, dass sehr viel über das Internet bestellt wird. Aber der Tradition schuldet man, dass man am Markt weiterbestehen kann. Ich bin sicher, dass wir das können.“ Walter Podszun ist Verleger und Inhaber von drei Buchhandlungen in Brilon, Marsberg und Warburg. „Die Kleinstadtbuchhandlungen haben überlebt, weil da die Großen nicht hingehen - und vor allem wegen der Atmosphäre. Supermarktatmosphäre mit großer Fläche und Buch passen nicht zusammen“, zieht er Bilanz.

Georg Spielmann, Geschäftsführer der Buchhandlung Dreimann, hat zwei Buchläden in Olpe: „Die Branche muss sich allerhand einfallen lassen. Den Buchhandel, so wie wir ihn kennen, wird es in fünf bis zehn Jahren nicht mehr geben. Man muss sehen, dass man eine Mischung findet, mit der man rentabel leben kann.“

25 Buchhandlungen gab es in der Großstadt Hagen noch 1999. Im Jahr 2010 waren gerade mal 12 übrig. Die Buchhandlung Kersting ist eine davon. Sie ist seit 1887 im Familienbesitz. Martin Kersting hat sein Geschäft soeben aus der Fußgängerzone in den Stadtteil Emst verlegt. „Das Internet ist die Hauptursache für die Probleme des Einzelhandels, nicht nur der Buchläden. Die Laufkundschaft war für die Lage zu gering. In Emst haben wir eine Alleinstellung, die Emster bestellen jetzt nicht mehr im Netz, sondern nutzen die Buchhandlung vor Ort.“

Es ist ja nicht nur der Online-Handel. Ganze Sparten sind weggebrochen. Niemand kauft mehr Lexika oder Straßenkarten. Mit vielen kreativen Ideen begegnen die Buchhändler den Umwälzungen.

Bei Podszun zum Beispiel sind die Bücher mit personifizierten Empfehlungsklebern versehen. Ein Gütesiegel, das den Lesern eine erste Orientierung bietet. Jeder Kunde weiß sofort, wen er im Laden für diesen Roman ansprechen kann. Dreimann führt solche Empfehlungen derzeit ein, Daub hat ein ähnliches System. „Die Beratung ist ein ganz wichtiger Faktor, das ist unsere Zukunft“, so Andreas Wallentin.

Der Handel mit Büchern setzt Herzblut und Leidenschaft voraus. Die Buchhandlungen besuchen Schulen und Kindergärten und stellen ihren Kunden die besten Titel unter den jährlich 80 000 Neuerscheinungen vor. „Eine der wichtigsten Aufgaben der Buchhändler ist es, die Spreu vom Weizen zu trennen“, ist Martin Kersting überzeugt.

Niemand bietet mehr Service als Buchhandlungen. Sie sind schnell, schneller als das Internet. Wer morgens anruft und ein vorrätiges Buch kaufen will, aber nicht selber kommen kann, kriegt es bei vielen Händlern nachmittags bereits nach Hause geliefert. Wer ein Buch bestellt, hat es am nächsten Morgen um 9 Uhr im Laden. Wo die prompte Lieferung nicht möglich ist, wird der Band mit der Post verschickt. „Ich kenne keine Branche, die so schnell liefert, außer Apotheken“, betont Georg Spielmann.

Buchhandlungen sind Kulturträger. Seit über 20 Jahren etwa organisiert Andreas Wallentin den Mendener Autorenherbst. „Wir bieten 20 bis 25 Veranstaltungen im ganzen Jahr an, nicht nur Lesungen.“ Dreimann in Olpe lockt regelmäßig 600 bis 700 Besucher in die Olper Stadthalle, im Februar zum Beispiel mit Harry Rowohlt. „Wir haben in Olpe schon Literaturveranstaltungen mit über 1000 Besuchern gehabt, darauf bin ich stolz“, sagt Georg Spielmann.

Elektronik macht einsam. Der Buchladen hingegen ist ein Raum mit vielfältigen sozialen und kulturellen Funktionen. „Wir sind das kommunikative Zentrum im Ort, das ist der Sinn einer Buchhandlung“, betont Andreas Wallentin. Für die Kundschaft gibt es frischen Kaffee, Ruheinseln, Kinderecken. Walter Podszun: „Das wird sehr gut angenommen, gerade samstags. Da spielen die Kinder in der Malecke, und die Eltern plaudern bei einer Tasse Kaffee.“

Die Filialisten haben es vorgemacht, aber auch in die kleinen Buchläden halten immer mehr buchbegleitende Artikel Einzug. In der Branche ist das nicht unumstritten. Andreas Wallentin. „Man muss zusehen, dass man das, was man bei den Büchern verliert, wieder hereinbekommt. Die große Gefahr dabei ist es, das Buchangebot zu sehr zu reduzieren.“ Auch Podszun achtet darauf, dass die Nonbooks passen. Wein zu Weinführern zum Beispiel. Oder pädagogisch wertvolles Spielzeug bei den Kinderbüchern.

Viele Buchhandlungen treten inzwischen selber als Online-Händler auf. Der so erwirtschaftete zusätzliche Umsatz ist bescheiden, er macht laut einer Umfrage von Buchreport bei zwei Dritteln der Sortimenter lediglich ein Prozent aus. In erster Linie geht es um Kundenbindung. Insgesamt ist man davon überzeugt, dass der ländliche Raum von der Krise nicht so stark gebeutelt wird wie die Großstädte. Walter Podszun: „Die Buchhändler haben Spaß am Lesen, das ist die Kompetenz, die uns von den Filialisten und vom Internet unterscheidet.“ Andreas Wallentin ergänzt: „Gute Beratung ist unser Plus, das schafft kein Filialist, das schafft kein Internet.“